01.07.2006 | Erbengemeinschaft
So mildern Sie Nachteile von Erbengemeinschaften ab
In den folgenden Ausgaben von „Erbrecht effektiv“ zeigen wir die Nachteile von Erbengemeinschaften auf und erläutern rechtliche Ausweichstrategien, wie Sie diese Nachteile entschärfen können (dazu auch EE 06, 102 [neue Abonnenten können den Beitrag kostenlos anfordern: Fax: 02596 922-99, kein Fax-Abruf!]).
Die Erbengemeinschaft entsteht, weil der Erblasser bei gesetzlicher Erbfolge kraft Gesetzes oder durch Verfügung von Todes wegen mehrere Erben hinterlässt, § 2032 Abs. 1 BGB. Dieser Mehrheit von Erben gehört der Nachlass, und zwar im Wesentlichen als gemeinschaftliches Vermögen, § 2032 Abs. 1 BGB. Teilweise fällt das Vermögen auch einzelnen Erben zu, insbesondere die Beteiligungen an Personengesellschaften. Das gemeinschaftliche Vermögen müssen die Miterben gemeinsam verwalten und irgendwann auch auseinandersetzen. Dabei müssen sie auch die Beziehungen zu den durch Sondererbfolge einzelnen Miterben zugefallenen Nachlassbestandteilen ordnen, sie müssen die Ausgleichung regeln.
Checkliste: Nachteile von Erbengemeinschaften |
Dies gilt besonders, wenn das Geschäft eines Einzelkaufmanns im Nachlass ist und von den Miterben betrieben wird. Der BGH hat gegen starke Stimmen aus dem Schrifttum daran festgehalten, dass Miterben unbeschränkt lange das Unternehmen eines Einzelkaufmanns fortführen können. Die Fortführung des Geschäfts führt nicht notwendigerweise zum stillschweigenden Abschluss eines Gesellschaftsvertrags einer offenen Handelsgesellschaft (OHG). Die Miterben müssen keinen Gesellschaftsvertrag abschließen. Sie müssen das Unternehmen auch nicht in diese Gesellschaft einbringen. Sie werden meist dadurch, dass sie nach Ablauf der handelsrechtlich für die Haftung bedeutsamen Frist von drei Monaten (§§ 27, 25 HGB) das Geschäft fortführen, stillschweigend beschließen, die Erbengemeinschaft insoweit nicht auseinander zu setzen, als es um das Unternehmen geht.
Rechtliche Ausweichstrategien: Gegen das Einrücken eines anderen Mitunternehmers in ein geerbtes Unternehmen werden folgende Abwehrmöglichkeiten diskutiert:
Kritik: Dagegen spricht jedoch § 2033 Abs. 1 BGB, der dem Miterben erlaubt, über seinen Anteil am Nachlass zu verfügen. Ein Vertrag, durch den die Übertragung von Erbteilen am Nachlass einer bestimmten Person ausgeschlossen wird, verstößt gegen § 137 BGB. Die Befugnis, über ein veräußerliches Recht zu verfügen, kann nicht ausgeschlossen werden. Zwar kann nach § 399 BGB die Abtretung einer Forderung durch Vereinbarung ausgeschlossen werden, was nach § 413 BGB auch für die Übertragung von Rechten gilt. Gemäß § 413 2. HS. BGB gilt die entsprechende Anwendung der Vorschriften über die Übertragung von Forderungen auf die Übertragung anderer Rechte aber nur, soweit nicht das Gesetz ein anderes vorschreibt. Die spezielle Norm des § 2033 Abs. 2 BGB schreibt vor, dass Erbteile veräußerlich sind, also ihre Übertragbarkeit nicht ausgeschlossen werden kann. Es kann also weder der Erblasser noch können die Erben die Übertragbarkeit eines Miterbenanteils ausschließen.
Praxishinweis: Darüber hinaus führt der Bruch des schuldrechtlichen Versprechens, den Erbteil nicht zu übertragen, zu Schadenersatzpflichten. Die Bezifferung des Schadens dürfte Probleme bereiten. Helfen könnten Vertragsstrafen, aber die müsste man ausdrücklich vereinbaren.
Musterformulierung: Wer seinen Erbteil ohne schriftliche Zustimmung aller Miterben überträgt, muss an den Fiskus 100.000 EUR zahlen.
Kritik: Die Miterben können durch Ausübung ihres Vorkaufsrechts nach § 2034 BGB fremde Personen abwehren. Aber das bedeutet, dass einzelne oder alle anderen Miterben oder auch Gruppen von ihnen entweder aus dem Nachlass oder aus ihrem Privatvermögen die Mittel aufbringen müssen, die der Erbteilserwerber zahlt.
Praxishinweis: Gegen eine unentgeltliche Übertragung des Erbteils auf Außenstehende ist nichts zu machen. Hier schreckt allenfalls die Schenkungsteuer ab. Diese wird jedoch durch die Freibeträge des § 16 ErbStG reduziert.
Außerordentliche Maßnahmen sind solche, die wesentliche Veränderungen des Nachlasses bewirken. Hierfür ist Einstimmigkeit erforderlich. Streitpotenzial bietet die Abgrenzung der ordnungsgemäßen von den außerordentlichen Maßnahmen sowie die Frage, welche konkrete Maßnahme im Rahmen der ordnungsgemäßen Verwaltung zweckmäßig ist.
Rechtliche Ausweichstrategie: Hier bieten sich folgende Abwehrmöglichkeiten an:
Die Miterben können einen von ihnen oder einen Außenstehenden als Verwalter des Nachlasses einsetzen. Zumindest der Außenstehende wird dafür aber wohl ein Entgelt verlangen.
Praxishinweis: Die Übertragung der Verwaltung des Nachlasses auf einen Miterben oder einen Außenstehenden bietet sich auch bei einer besonders großen Zahl von Miterben an, die eventuell kaum zu erreichen sind. Einen dahingehenden Beschluss kann die Erbenmehrheit fassen (BGHZ 56, 47 = NJW 71, 1265; MüKo/Heldrich, BGB, 4. Aufl., § 2038 Rn. 21). An der Ausführung des Beschlusses durch Abschluss eines Dienstvertrags müssen nicht alle Miterben mitwirken. Für schuldrechtliche Rechtsgeschäfte im Rahmen der ordnungsgemäßen Verwaltung nimmt man heute an, dass die Erbenmehrheit kraft Gesetzes befugt ist, die Erbenminderheit zu vertreten, (BGHZ 56, 47 = NJW 71, 1265; Damrau/Rißmann, Praxiskommentar BGB, § 2038 Rn. 61; a.A. OLG Königsberg OLGE 18 (1909), 34; Erman/Schlüter, BGB, 11. Aufl., § 2038 Rn. 12), so dass die der Mehrheit angehörenden Erben einen von ihnen bevollmächtigen können, im Namen der Miterben den Verwaltervertrag abzuschließen. Der Verwalter kann für die Erbengemeinschaft verbindlich schuldrechtliche Rechtsgeschäfte mit Dritten abschließen (BGHZ 56, 47).
Umstritten ist, ob die Erbenmehrheit, die auch für die Willensbildung zuständig ist, die überstimmte Minderheit auch bei der Ausführung des Beschlusses kraft Gesetzes vertreten kann, wenn es sich um Verfügungen über einen Nachlassgegenstand bei ordnungsgemäßer Verwaltung handelt. Dass es sich bei Verfügungen der Erbengemeinschaft um Verwaltungsmaßnahmen handeln kann, hat der BGH klargestellt (BGH ZEV 06, 24). § 2040 BGB spricht davon, dass die Miterben über einen Nachlassgegenstand nur gemeinsam verfügen können. Das wird von der (noch) h.M. dahin verstanden, dass alle Erben mitwirken müssen (Nachweise bei Muscheler, ZEV 97, 222).
Beispiel: Es wurde eine Sache für den Nachlass gekauft. Die Sache ist mangelhaft. Die Erbenmehrheit beschließt, vom Kaufvertrag zurück zu treten. Die Erklärung des Rücktritts (§ 437 BGB) ist eine Verfügung. Verfügung ist jedes Rechtsgeschäft, durch das auf ein bestehendes Recht unmittelbar eingewirkt wird. Durch die Erklärung des Rücktritts wird auf ein bestehendes Recht, den Kaufvertrag, unmittelbar eingewirkt. Solange es sich nicht um ein Notgeschäft i.S. von § 2038 Abs. 1 S. 2 HS. 2 BGB handelt, müssen alle Miterben bei der Erklärung des Rücktritts mitwirken, sei es, dass sie sich gegenseitig schriftlich bevollmächtigen, sei es, dass sie unterschreiben. Eine nachträgliche Genehmigung reicht nicht, weil einseitige Rechtsgeschäfte keinen Schwebezustand vertragen. Der Geschäftsgegner kann die Erklärung zurückweisen, wenn sie nicht durch alle Miterben erfolgt.
Wer überstimmt ist und bei der Rücktrittserklärung nicht mitwirkt, macht sich schadenersatzpflichtig (BGH ZEV 06, 24 m. zust. Anm. Muscheler) und muss auf Abgabe der Erklärung verklagt werden. Das ist ein höchst umständlicher Weg.
Folgt man dem, gilt Folgendes: Bei ordnungsgemäßer Verwaltung bedarf es, wenn ein Verwalter bestellt ist, nicht mehr der Mitwirkung aller Miterben, wenn eine Verfügung über einen Erbschaftsgegenstand zu treffen ist.
Die Übertragung der Verwaltung des Nachlasses auf einen Miterben oder einen Außenstehenden verringert also auch hier das Streitpotenzial. Mittels einer Vollmacht der Erben ist der Verwalter zu allen Maßnahmen im Rahmen der ordnungsgemäßen Verwaltung befugt, ohne im Einzelfall Rückfrage bei der Erbenmehrheit vornehmen zu müssen.
Praxishinweis: Besonders wichtig ist hier die Klarstellung, dass der Testamentsvollstrecker entgegen den gesetzlichen Vorgaben, nicht den Nachlass auseinandersetzen soll. Man sollte das auch in der Verfügung von Todes wegen so ausdrücklich festlegen.
Praxishinweis: Es kann zweckmäßig sein, der persönlichen Teilauseinandersetzung zuzustimmen, wenn der Miterbe ein Quertreiber ist, der zudem nur eine geringe Erbquote hat.
Rechtliche Ausweichstrategie: Hinsichtlich der persönlichen Teilauseinandersetzung bietet sich folgende Vorgehensweisen an:
Praxishinweis: Die Veräußerung des Erbteils führt zu Notarkosten. Der veräußerungswillige Miterbe hat zudem oft Probleme, einen Dritten als Käufer zu finden.
Im Einzelnen: Es gibt zunächst ein Grundgeschäft zwischen dem ausscheidungswilligen Miterben einerseits und den in der Erbengemeinschaft verbleibenden Miterben andererseits. Der erstgenannte verspricht zu einem bestimmten Zeitpunkt oder nach Leistung einer Abfindung auszuscheiden. Die verbleibenden Miterben versprechen eine Abfindungsleistung aus dem Nachlass oder aus dem Privatvermögen. Erforderlich ist die Zustimmung aller Miterben (BGH ZEV 98, 141). Dieser Vertrag ist nach der Interessenlage ein gegenseitiger Vertrag: Es stehen sich der abzuschichtende Miterbe auf der einen Seite und die in der Erbengemeinschaft verbleibenden Miterben auf der anderen Seite gegenüber.
Nach der Rechtsprechung bedarf dieser schuldrechtliche Abschichtungsvertrag grundsätzlich keiner Form, denn er ist als Erbauseinandersetzungsvertrag unter § 2042 BGB zu subsumieren (BGH ZEV 98, 141; a.A. Soergel/Wolf, BGB, 13. Aufl., § 2042 Rn 39: Erklärung des Abzuschichtenden nebst Zustimmung der Miterben). §§ 2033 (analog), 2371, 2385 BGB sind nach der Rechtsprechung folglich nicht anwendbar. Soll der Abzuschichtende mit Geld ausbezahlt werden, und verbleiben die zum Nachlass gehörenden Grundstücke bei den verbleibenden Miterben, wächst diesen der Anteil des Abgeschichteten am Grundstück kraft Gesetzes entsprechend § 738 BGB an. So löst das Versprechen, die Anwachsung zu Gunsten der verbleibenden Miterben herbeizuführen, auch keine Beurkundungspflicht nach § 311b Abs. 1 BGB (§ 313 BGB a.F.) aus. Es wird etwas versprochen, das kraft Gesetzes eintritt, also nicht durch Vertrag vorgenommen werden muss.
Etwas anderes gilt aber, wenn als Abfindungsleistung an den ausscheidenden Miterben ein Gegenstand versprochen wird, hinsichtlich dessen eine rechtsgültige Verpflichtung zur Übertragung die Einhaltung einer Form verlangt. Es gilt also nicht anderes als bei einem Vertrag über die Nachlassauseinandersetzung. Dabei macht es keinen Unterschied, ob diese Leistung aus dem Nachlass oder aus dem Privatvermögen versprochen wird. Beispiel: Für sein Ausscheiden soll der Abzuschichtende ein Grundstück erhalten. Die Form des § 311b Abs. 1 BGB muss beim schuldrechtlichen Grundgeschäft eingehalten werden (BGH ZEV 98, 141).
Der Vollzug des schuldrechtlichen Verpflichtungsvertrags (Abschichtungsvertrag) besteht im Ausscheiden des abgeschichteten Miterben. Dies geschieht durch eine dahingehende Willenserklärung des Abzuschichtenden i.V. mit dem Gesetz. Sinnvoll ist, die Erklärung des Miterben bereits im Grundvertrag abzugeben, und ihr Wirksamwerden vom (einfach beweisbaren) Erhalt der Gegenleistung abhängig zu machen. Entsprechend § 738 Abs. 1 S. 1 BGB wächst mit dem Ausscheiden des Miterben aus der Erbengemeinschaft seine vermögensmäßige Beteiligung am Nachlass den verbleibenden Miterben an. Es handelt sich beim Ausscheiden aus der Erbengemeinschaft um keine rechtsgeschäftliche Übertragung des Erbteils, so dass § 2033 BGB nicht anwendbar ist (BGH ZEV 98, 141, Wesser, AcP 04, 208 ff.; a.A. Reimann, ZEV 98, 213).
Die Erfüllung des Vertrags hinsichtlich der Abfindungsleistung erfordert eine Form, wenn solche allgemein vorgeschrieben ist, z.B. für die Auflassung die Form der §§ 873, 925 BGB. Das Grundbuch muss hinsichtlich eines im Nachlass verbleibenden Grundstücks dadurch berichtigt werden, dass der abgeschichtete Miterbe gestrichen wird. Dies erfordert den Nachweis der Unrichtigkeit in öffentlicher oder öffentlich beglaubigter Form. Es bewilligen also alle Miterben die Berichtigung öffentlich beglaubigt oder der Abschichtungsvertrag wird öffentlich beglaubigt; dann aber sollte man ein festes Datum für das Ausscheiden aus der Gemeinschaft angeben, nicht den Erhalt von Bargeld, weil der wiederum eine beglaubigte Quittung erfordert. |