01.12.2007 | Erbrechtsreform
Änderungen, die Sie kennen müssen
von RA und Notar Jürgen Gemmer, FA Steuerrecht, Braunschweig
Der Referentenentwurf des BMJ zum „Gesetz zur Änderung des Erb- und Verjährungsrechts“ liegt seit dem 16.3.07 liegt vor. Er hat gute Chancen, mit nur geringfügigen Änderungen alsbald Gesetz zu werden. Es lohnt daher für den Praktiker schon heute, sich mit den vorgesehenen Änderungen zu befassen. Die wichtigsten werden in dem folgenden Beitrag vorgestellt, wobei auch zugleich eine kritische Auseinandersetzung mit einzelnen Aspekten des Referentenentwurfs erfolgen (dazu auch Siebert, EE 07, 98).
Übersicht: Vor- und Nachteile der geplanten Erbrechtsreform |
Probleme bereitet § 2306 BGB, wenn der Erblasser in seiner letztwilligen Verfügung das Erbe den einzelnen Erben durch bestimmte Gegenstände zuweist. Hier ist zunächst zu ermitteln, welchen Wert die Gegenstände haben und welche Erbquote sich daraus für den einzelnen Erben ergibt.
Problematisch sind auch Ausgleichungs- und Anrechnungspflichten gemäß § 2315 f. BGB, die maßgeblich für die Bestimmung sind, was unter „der Hälfte des gesetzlichen Erbteils“ zu verstehen ist. Die h.M. wendet die sog. Werttheorie an. Diese Regelungen können für den pflichtteilsberechtigten Erben schwere Folgen haben, wenn er durch falsche Einschätzung das Erbe ausschlägt. Ist sein Erbteil gleich oder kleiner dem Pflichtteil, steht ihm kein Pflichtteil mehr zu. Denn § 2306 BGB räumt ihm kein Wahlrecht ein, ob er den Erbteil annimmt oder unter Ausschlagung des Erbteils den unbeschränkten und unbeschwerten Pflichtteil fordert. Eine Entschärfung hat der BGH geschaffen (FamRZ 06, 1519). Das Gericht hat einem Erben ein Anfechtungsrecht zugebilligt, der mit Vermächtnissen beschwert war und die Erbschaft nicht ausgeschlagen hatte, weil er glaubte, dadurch seinen Pflichtteilsanspruch zu verlieren. Künftig soll der beschränkte bzw. beschwerte Erbe durch eine Vereinfachung des § 2306 BGB in der Lage sein, eine Entscheidung zu treffen. Vorteil: Die Reform will ihm ein generelles Wahlrecht einräumen. Ist er mit Beschränkungen und Beschwerungen belastet, kann er
Nachteil: Die Einräumung eines Wahlrechts hat aber für den Erben, dessen Erbteil kleiner bzw. gleich groß wie der Pflichtteil ist, auch Nachteile. Bisher kann er den Erbteil ohne Beschränkungen oder Beschwerungen behalten. Künftig muss er entscheiden, ob er den Erbteil behält und mit Beschränkungen und Beschwerungen erbt oder seinen Erbteil ausschlägt und den Pflichtteil verlangt. Ein pflichtteilsberechtigter Erbe, dessen Erbteil geringer ist als die Hälfte seines gesetzlichen Erbteils, soll künftig das Wahlrecht haben, das Erbe mit Beschränkungen und Beschwerungen trotzdem anzunehmen. Der Erbe hat einen Pflichtteilsrestanspruch gemäß § 2305 BGB. Es fehlt jedoch eine eindeutige Regelung zur Berechnung des Pflichtteilsrestanspruchs. Fraglich ist, ob bei dessen Berechnung Beschränkungen und Beschwerungen des Pflichtteilsberechtigten abzuziehen sind oder nicht. Bei der Parallelvorschrift des § 2307 BGB zum Vermächtnis bleiben bei der Berechnung des Werts des Pflichtteilsrestanspruchs Beschränkungen und Beschwerungen der in § 2306 BGB bezeichneten Art außer Betracht. Eine solche Regelung war bei § 2305 BGB bisher nicht erforderlich, weil ein Pflichtteilsrestanspruch i.V. mit einem beschränkten oder beschwerten Erbe nicht in Betracht kam. Es ist zu wünschen, dass bei der Änderung von § 2306 Abs. 1 BGB eine entsprechende Anpassung des § 2305 BGB erfolgt. Sonst muss man wohl davon ausgehen, dass aus der unterschiedlichen Regelung von § 2307 Abs. 1 S. 2 HS. 2 BGB und § 2305 BGB eine unterschiedliche Behandlung gewollt ist.
Nach dem Entwurf soll der Erblasser künftig eine Zuwendung auch nachträglich durch letztwillige Verfügung auf den Pflichtteil des Bedachten anrechnen lassen können. Nachteil: Der Vorschlag ist missglückt oder geht nicht weit genug. Denn die Anrechnungsbestimmung kann nur „nachträglich“ erfolgen, muss also zeitlich nach der fraglichen Zuwendung errichtet sein. Breite Schichten der Bevölkerung sind auch nach eingehender Beratung und Aufklärung so gut wie nicht in der Lage, spätere, aus anderem Anlass erfolgende Zuwendungen in der Familie von sich aus mit einer Anrechnungsbestimmung wirksam zu verbinden und ausreichend zu dokumentieren. Es wäre daher begrüßenswert, wenn das Wort „nachträglich“ aus der Ergänzung des § 2315 Abs. 1 BGB ersatzlos gestrichen würde. Erst dies eröffnet den Weg, durch eine Verfügung von Todes wegen zu bestimmen, dass sämtliche auch künftige Zuwendungen des Erblassers anrechnungspflichtig sein sollen, sofern bei der Zuwendung nichts anderes ausdrücklich bestimmt wurde.
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Quelle: Ausgabe 12 / 2007 | Seite 211 | ID 116138