05.01.2011 | Erbvertrag
Anforderungen an den Rücktritt vom Erbvertrag
von RiLG Dr. Andreas Möller, Bochum
1. Ist mit einem Erbvertrag, durch den der Erblasser den Bedachten zum Erben bestimmt, ein gegenseitiger Vertrag unter Lebenden verbunden, in dem der Bedachte sich zum Erbringen von Pflegeleistungen verpflichtet und der Erblasser weitere Verpflichtungen übernimmt (hier: keine Veräußerung oder Belastung seines Hausgrundstücks zu Lebzeiten), so kann Letzterer wegen unterbliebener Pflegeleistungen gem. § 323 BGB von diesem Vertrag und zugleich nach § 2295 BGB vom Erbvertrag zurücktreten. |
2. Ein derartiger Rücktritt kommt erst dann in Betracht, wenn der Erblasser den Bedachten unter Fristsetzung zuvor vergeblich aufgefordert hat, die im Einzelnen zu bezeichnenden Pflegeleistungen zu erbringen. |
(BGH 5.10.10, IV ZR 30/10, n.v., Abruf-Nr. 103609) |
Sachverhalt
Die Klägerin nimmt den Beklagten auf Feststellung der Unwirksamkeit eines Erbvertrags in Anspruch. In diesem setzte die Klägerin den Beklagten zu ihrem Erben ein. Ferner verpflichtete sie sich, ihr Hausgrundstück ohne Zustimmung des Beklagten weder zu veräußern noch zu belasten. Bei einem Verstoß sollte der Beklagte die sofortige unentgeltliche Übertragung des Grundstücks verlangen können. Der Beklagte verpflichtete sich, die Klägerin in kranken und alten Tagen zu hegen und zu pflegen, ohne dafür Geldwertmittel von ihr oder ihren Rechtsnachfolgern zu erhalten. Am 19.4.99 forderte die Klägerin den Beklagten unter Hinweis auf den Erbvertrag auf, bis zum 1.5.99 in ihrer Wohnung vorstellig zu werden. Pflegeleistungen erbrachte der Beklagte in der Folgezeit nicht. Später zog die Klägerin in ein Alten- und Pflegeheim, wo sie sich auch jetzt noch aufhält. Sie erklärte den Rücktritt vom Erbvertrag unter Berufung darauf, dass sie seit dem Frühjahr 99 geringfügig, inzwischen in größerem Umfang pflegebedürftig sei. Das LG hat die Klage nach einer Beweisaufnahme abgewiesen, das Berufungsgericht hat ihr stattgegeben. Die Revision war erfolgreich und führte zur Zurückverweisung.
Entscheidungsgründe
Es liegt nicht nur ein Erbvertrag vor, sondern auch ein gegenseitiger Vertrag. Im Synallagma steht einerseits die Pflegepflicht des Beklagten und andererseits die Verpflichtung der Klägerin, das Hausgrundstück nicht zu veräußern und zu belasten. Die Rücktrittsvoraussetzungen gem. § 323 BGB hat das Berufungsgericht aber nicht verfahrensfehlerfrei festgestellt.
Das Schreiben vom 19.4.99 enthält keine gem. § 323 Abs. 1 BGB erforderliche Fristsetzung. In der Aufforderung, der Beklagte solle bis zum 1.5.99 in ihrer Wohnung vorstellig werden, liegt nicht die erforderliche bestimmte und eindeutige Aufforderung zur Leistung (vgl. Palandt/Grüneberg, BGB, 69. Aufl., § 323 Rn. 13).
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