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  • 01.09.2010 | Inventar

    Anforderungen an die Ermittlungsobliegenheit der Erben bei Erstellung eines Inventars

    von RiLG Dr. Andreas Möller, Bochum

    1. Den Erben trifft bei der Aufnahme eines Inventars eine Erkundigungsobliegenheit nur insoweit, als er konkrete Anhaltspunkte für weitere Nachlassgegenstände hat, und die in Betracht kommenden Ermittlungen nach Umfang, Erfolgsaussichten und Kosten zumutbar sind.  
    2. Nur vage Anhaltspunkte dafür, dass es weiteres zum Nachlass gehörendes Vermögen gibt, begründen keine Ermittlungsobliegenheit und sind daher auch kein Grund für eine Verlängerung der Inventarfrist.  
    3. Das Nachlassgericht muss im Rahmen seiner prozessualen Fürsorgepflicht auf einen zweckgerechten Interessenausgleich hinwirken. Dies kann es auch gebieten, im Rahmen des durch § 1995 Abs. 3 BGB eröffneten Ermessens, erkennbar falsche Vorstellungen des Erben hinsichtlich seiner Ermittlungsobliegenheiten aufzuklären und ihm - ggf. auch durch Bewilligung einer „Nachfrist“ - Gelegenheit zur fristgerechten Errichtung des Inventars zu geben.  
    (OLG Hamm 4.6.10, I-15 Wx 68/10, n.v., Abruf-Nr. 102289)

     

    Sachverhalt

    Auf Antrag des Beteiligten zu 2 wurde dem Beteiligten zu 1 - dem Alleinerben des Erblassers - eine Frist zur Errichtung des Inventars über den Nachlass des Erblassers von einem Monat gesetzt. Der Beteiligte zu 1 beantragte die Verlängerung der Inventarfrist, da die Geschäftsunterlagen des Erblassers entfernt worden seien. Herausgabe- und Auskunftsverlangen seien ohne Antwort geblieben. Daraufhin verlängerte das Nachlassgericht die Inventarfrist um zwei Monate. Der Beteiligte zu 1 beantragte eine weitere Verlängerung der Inventarfrist um zwei Monate wegen der „Auslandsberührung“ des Nachlasses und die deshalb erforderlichen umfangreichen Nachforschungen. Das AG wies den Verlängerungsantrag zurück, da die „Auslandsberührung“ dem Beteiligten zu 1 schon bei Annahme der Erbschaft bekannt gewesen sei. Mit der gegen diesen Beschluss erhobenen sofortigen Beschwerde hat der Beteiligte zu 1 eine „vorläufige Nachlassübersicht“ vorgelegt. Das LG hat die sofortige Beschwerde zurückgewiesen. Der Beteiligte zu 1 habe keine so umfassende Ermittlungspflicht, dass eine Verlängerung der Inventarfrist angezeigt sei. Die sofortige weitere Beschwerde des Beteiligten zu 1 war erfolgreich und führte zu einer Verlängerung der Inventarfrist um einen Monat ab Zustellung der Entscheidung des Senats.  

     

    Entscheidungsgründe

    Der Beteiligte zu 1 ist für das LG erkennbar von einem zu weiten Umfang der ihn treffenden Ermittlungspflicht ausgegangen, da er keine konkreten Ansätze für weitere, kurzfristig umsetzbare Auskunftsersuchen dargetan hat. Das LG traf eine prozessuale Fürsorgepflicht auf ein möglichst zutreffendes, aber auch fristgerecht erstattetes Inventar hinzuwirken und den Erben nicht sehenden Auges in die Sanktion der unbeschränkten Haftung laufen zu lassen (OLG Hamm FGPrax 95, 69). Wenn der Erbe offenkundig von falschen rechtlichen Voraussetzungen ausgeht und mit diesen seinen Verlängerungsantrag für die Inventarerrichtung begründet, muss das Gericht nach Möglichkeit sicherstellen, dass der Erbe noch vor Fristablauf Gelegenheit erhält, in Kenntnis der Rechtsansicht des Gerichts das Inventar vorzulegen.  

     

    Im Rahmen der Ermessensausübung gem. § 1995 Abs. 3 BGB hätte das LG Anlass gehabt, die Frist - bei gleichzeitigem Hinweis auf die Rechtsauffassung des Gerichts - zu verlängern, um dem Erben Gelegenheit zu geben, sich durch Vorlage eines Inventars auf die Rechtsmeinung des Gerichts einzustellen (vgl. zur Notwendigkeit einer Nachfrist auch OLG Düsseldorf RPfleger 97, 216 f.). Insbesondere vorliegend bestand hierzu Anlass, da das LG die tragende rechtliche Begründung für die Verweigerung der Fristverlängerung gegenüber der amtsgerichtlichen Entscheidung ausgewechselt hat. Das AG hat die Fristverlängerung abgelehnt, da der Auslandsbezug bereits bekannt gewesen ist. Das LG hat dagegen darauf abgestellt, dass den Beteiligten zu 1 keine so umfangreiche Ermittlungspflicht traf, dass er an der Erstellung eines tauglichen Inventars gehindert war. Dem Erben ist, nachdem er die Rechtsauffassung des Senats hinsichtlich des Umfangs seiner Erkundigungsobliegenheiten zur Kenntnis genommen hat, Gelegenheit zu geben, binnen kurzer Frist ein Inventar vorzulegen.