01.01.2007 | Minderjährige im Erbrecht
So kann das Kindesvermögen gesichert werden
Erwirbt ein Minderjähriger Vermögen, z.B. als Erbe oder Beschenkter, ist fraglich, wie dieses gegenüber den Eltern gesichert werden kann.
Mitteilungen an das Familiengericht
Gemäß § 1640 BGB müssen Eltern das ihrer Verwaltung unterliegende Vermögen, welches das Kind von Todes wegen oder schenkweise erwirbt, verzeichnen, das Verzeichnis mit der Versicherung der Richtigkeit und Vollständigkeit versehen und dem Familiengericht einreichen. Gleiches gilt für Vermögen, welches das Kind sonst anlässlich eines Sterbefalls erwirbt, wobei an Leistungen aus einer Lebensversicherung oder auf Grund einer erbrechtlichen Auflage zu denken ist, sowie für unentgeltliche Zuwendungen.
§ 1640 BGB dient nur indirekt der Sicherung des Kindesvermögens und sorgt für einen Beweis dafür, was dem Kind zusteht (Staudinger/Engler, BGB, 13. Aufl., 04, § 1640 Rn. 1). Diesem Zweck entsprechend müssen die Eltern, auch wenn das Kind nur Miterbe ist oder durch die Schenkung Miteigentümer zu einem Bruchteil wird,
- alle Gegenstände, die zum erworbenen Vermögen gehören, aufzählen und dabei die Merkmale anführen, die zur Identifizierung und Bewertung der einzelnen Gegenstände notwendig sind;
- beim Erwerb eines Anteils an einer GbR, einer OHG oder KG die letzte Inventur und Bilanz einreichen (Soergel/Strätz, BGB, 12. Aufl., § 1640 Rn. 7; Staudinger/Engler, a.a.O., § 1640, Rn. 20; die Ansicht des KG aus der Zeit vor dem ersten Weltkrieg, dass bei einer GBR alle Gegenstände einzeln aufzuführen seien, dürfte überholt sein);
- beim Pflichtteilsanspruch ihres Kindes nach h.L. nicht dem Anspruch nach § 2314 BGB genügen und ein vollständiges Verzeichnis des Nachlasses einreichen, sondern den Netto-Nachlass bezeichnen und im Verzeichnis, das sie dem Familiengericht einreichen, zusätzlich die Pflichtteilsquote angeben (Staudinger/Engler, a.a.O., § 1640 Rn. 23);
- wenn das Kind nur Nacherbe ist, insbesondere wenn Vorerbe ein Elternteil ist, ein Verzeichnis, das dem § 2121 BGB entspricht, einreichen, also ein Verzeichnis, das alle Bestandteile des Nachlasses verzeichnet sowie den Wert des dem Kind zustehenden Pflichtteilsanspruchs angeben (Soergel/ Strätz, a.a.O., § 1640 Rn. 8), da das Kind die Erbschaft ausschlagen und seinen Pflichtteil verlangen könnte, § 2306 Abs. 2 BGB.
Gemäß § 1640 Abs. 3 BGB kann notfalls das Vermögensverzeichnis durch einen Notar aufgenommen werden.
Will das Kind bei Erreichen der Volljährigkeit Ansprüche gegen seine Eltern verfolgen, kann es Einsicht in das Verzeichnis nehmen.
Verpflichtete
Das Gesetz geht davon aus, dass beide Elternteile die Vermögenssorge für das Kind innehaben (§ 1626 Abs. 1 BGB) und das Kind gemeinsam vertreten, § 1629 Abs. 1 BGB. Bei Kindern, deren Eltern nicht miteinander verheiratet sind, können diese gemeinsam die Sorge und auch die gesetzliche Vertretung des Kindes innehaben (§ 1626a Abs. 1, § 1629 Abs, 1 S. 3 BGB), sonst hat sie die nichteheliche Mutter, § 1626a Abs. 2 BGB. Dann treffen die hier zu erörternden Pflichten nur diesen Elternteil.
Bei getrennt lebenden Eltern endet die gemeinsame Sorge beider nicht von selbst (§ 1671 BGB), kann aber zur Übertragung der Sorge für das Kind auf einen Elternteil führen; Gleiches gilt, wenn die Ehe geschieden wird. In diesem Fall – ebenso im Fall des Todes eines Elternteils (§ 1680 Abs. 1 BGB) – treffen die Pflichten nur den sorgeberechtigten Elternteil.
Wurde einem Elternteil die Personensorge oder die Vermögenssorge für das Kind entzogen, behält sie der andere Teil und ihn treffen die Pflichten.
Übersicht: Gesetzliche Absicherung des Kindesvermögens |
|
Übersicht: Eingriffsmöglichkeiten des Gerichts |
Nach Abs. 1 kann ein Vermögensverzeichnis verlangt werden, und zwar von beiden Elternteilen, auch wenn nur ein Elternteil die bei der Vermögensverwaltung entstehenden Pflichten verletzt hat oder in Vermögensverfall geraten ist. Die Anordnung, ein Vermögensverzeichnis einzureichen, dient auch dazu, die Notwendigkeit weiterer Schutzmaßnahmen nach § 1667 oder § 1666 Abs. 1 BGB zu klären. Haben Eltern auf Grund des § 1640 BGB ein Verzeichnis vorgelegt, kann auch dessen Ergänzung verlangt werden. Das Familiengericht kann ferner anordnen, dass der das Kindesvermögen gefährdende Elternteil über die Verwaltung des Vermögens des Kindes Rechnung legt, es kann sogar eine regelmäßige Rechnungslegung gefordert werden.
Nachdem das Gebot mündelsicherer Anlegung von Kindesvermögen aufgehoben ist, müssen sich Eltern nur im Rahmen einer wirtschaftlichen Vermögensverwaltung bewegen, § 1642 BGB. § 1667 Abs. 2 S. 1 BGB erlaubt, familiengerichtliche Anlagebestimmungen, soweit die Eltern ihrer Pflicht aus § 1642 BGB nicht genügt haben, z.B. höchst spekulative Anlagen durchgeführt haben. Es kann Sperrvermerke für Geldanlagen des Kindes anordnen. Eltern können das Kindesgeld nur mit Genehmigung des Gerichts abheben. Das Gericht kann bei Wertpapieren, Kostbarkeiten und Schuldbuchforderungen die Sicherungsmittel anordnen, die für den Vormund kraft Gesetzes gelten.
Eltern mit hinreichenden Mitteln kann auch eine Sicherheitsleistung auferlegt werden. |
Wichtiger Praxisfall: Pflichtteil
Das Berliner Testament – mit oder ohne Strafklausel – ist weiterhin bei Eheleuten beliebt. Es führt zur Enterbung der Kinder, auch minderjähriger Kinder.
Beispielsfall |
Vater V stirbt und hat seine Frau F, die Mutter der gemeinsamen minderjährigen Kinder, zur alleinigen Erbin eingesetzt. Wer kann die Pflichtteilsansprüche der Kinder geltend machen? |
Checkliste: Sicherung und Durchsetzung des Pflichtteilsanspruchs des Minderjährigen |
Zwischen die Erfüllbarkeit des Anspruchs und die Möglichkeit der Klage gegen den gesetzlichen Vertreter, hat die Rechtsprechung und Literatur den „Entscheid“ des gesetzlichen Vertreters darüber gesetzt, ob der Pflichtteilsanspruch sichergestellt oder erfüllt werden soll. Da diese Entscheidung weder ein Rechtsgeschäft i.S. des § 181 BGB ist noch sich als Klage darstellt, ist der gesetzliche Vertreter grundsätzlich an dem Entscheid nicht durch § 1629 Abs. 2, § 1795 Abs. 2, § 181 BGB gehindert. Die Pflicht, den Pflichtteilsanspruch zu befriedigen, wird in aller Regel als starke Belastung empfunden, weil eine Stundung nach § 2331a BGB selten zum Zuge kommt.
Das Familiengericht muss abwägen, ob der gesetzliche Vertreter voraussichtlich in der Lage sein wird – wie sein bisheriges Verhalten zeigt – den Pflichtteilsanspruch nach Volljährigkeit des Kindes zu erfüllen. Das kann z.B. fraglich sein, wenn die Mutter bisher nicht zu wirtschaften vermochte. Die Sicherung und Erfüllung des Pflichtteilsanspruchs kann auch den Familienfrieden gefährden, wenn ein Pfleger den Anspruch geltend macht. Das würde dem Wohl des Minderjährigen widersprechen. Bedacht werden muss auch, dass der gesetzliche Vertreter den Minderjährigen i.d.R. unterhalten muss. Die Pflegerbestellung ist daher eine Einzelfallentscheidung.
Der Einzelfall ist auch dafür maßgeblich, mit welchem Aufgabenkreis der Pfleger betraut wird. Eine Pflegschaft zur ausschließlichen Feststellung des Pflichtteilsanspruchs wird mit Rücksicht auf § 1640 BGB i.d.R. nicht in Betracht kommen (s. dazu unten). Selbst wenn das Gericht die Pflegschaft zur „Geltendmachung“ der erbrechtlichen Ansprüche angeordnet hat, kann dies auch dahin verstanden werden, dass die Pflichtteilsansprüche seitens des Pflegers nur gesichert werden sollen (BayObLGZ 88, 385). Es ist nicht ohne Weiteres Aufgabe des Pflegers, nach der Ermittlung der Höhe des Anspruchs diesen durchzusetzen. Dies verbietet sich insbesondere, wenn die Durchsetzung des Anspruchs den Familienfrieden noch mehr gefährden würde, wenn die Unterhaltspflicht durch den gesetzlichen Vertreter dadurch in Frage gestellt würde -– der gesetzliche Vertreter muss ein Darlehen aufnehmen, dessen Zinsen nur schwer aus dem Hof zusätzlich herauszuwirtschaften sind – oder auch wenn dadurch das spätere berufliche Fortkommen des Minderjährigen in Frage gestellt wird, z.B. durch die Notwendigkeit, einen Betrieb oder einen Hof zu veräußern, um den Anspruch zu erfüllen.
Es wurde nicht als Aufgabe des Pflegers angesehen, die genaue Höhe des Pflichtteils festzustellen. Genügt eine Sicherung des Anspruchs, soll es dem volljährig gewordenen Kind überlassen bleiben zu entscheiden, ob es den Anspruch geltend machen will und in welcher Höhe (BayObLGZ 88, 385). Notfalls muss das Prozessgericht darüber entscheiden. Demgemäß genügt es, wenn der Pfleger nur die voraussichtliche Höhe des Pflichtteilsanspruchs bestimmt und diesen sichert.
In der Sicherung des Pflichtteilsanspruches durch den Pfleger auf vertraglicher Ebene mit dem gesetzlichen Vertreter als Alleinerben liegt keine Verfügung über die Pflichtteilsforderung i.S. des § 1812 BGB, weil der Anspruch selbst nicht tangiert wird. War hierüber aber kein echter Streit entstanden, liegt kein Vergleich i.S. des § 1822 Nr. 12 BGB vor. Die Höhe des Pflichtteilsanspruchs wird nicht festgeschrieben, da es nur gilt, einen Anspruch in voraussichtlicher Höhe zu sichern. Mit Schaffung einer Sicherheit, auf die kein Anspruch besteht, wird kein streitiges Rechtsverhältnis durch Vergleich i.S. des § 779 BGB geregelt. Damit scheidet eine Genehmigungspflicht nach § 1822 BGB aus.
Beim Streit zwischen dem Elternteil (Alleinerben) und dem Pfleger bedarf bereits die schuldrechtliche Vereinbarung über die Höhe der Leistung der Genehmigung nach § 1822 Nr. 12 BGB. Häufig scheitern auch Vereinbarungen darüber, dass die Festlegung der Höhe des Anspruchs unter dem Vorbehalt späterer endgültiger Festlegung des Anspruchs erfolgt. Kommt keine Einigung zustande, tritt die Verjährung des Pflichtteilsanspruchs trotz der Pflegschaft für den Minderjährigen nicht ein, vgl. § 207 Abs. 1 Nr. 2 BGB n.F. Wichtig ist dies insbesondere für den Fall, dass etwa bestellte Sicherheiten den Pflichtteilsanspruch nicht voll abdecken (§ 216 BGB n.F.) oder gar die „Sicherstellung“ des Pflichtteilsanspruchs nur durch Aufzeichnung und Bewertung der Nachlassgegenstände geschieht.
Wird der Pflichtteilsanspruch durch den gesetzlichen Vertreter erfüllt, bedarf die Entgegennahme der Leistung durch den Pfleger der Genehmigung des Vormundschaftsgerichts nach § 1812 BGB.
Auch bei freiwilliger Sicherung des Pflichtteilsanspruchs durch den gesetzlichen Vertreter bedarf der Minderjährige keines Pflegers, wobei es gleichgültig ist, ob der Minderjährige unter sieben Jahre alt, also geschäftsunfähig, oder ob er beschränkt geschäftsfähig ist. Nach der teleologischen Reduktion des § 181 BGB, wonach die Vorschrift unanwendbar ist, wenn das Rechtsgeschäft für den Vertretenen nur rechtlich vorteilhaft ist (vgl. § 107 BGB), gereicht die Sicherheit dem Minderjährigen nur zum Vorteil, weshalb der gesetzliche Vertreter von den Beschränkungen des § 181 BGB befreit ist. Auch eine gerichtliche Genehmigung der Sicherheit nach §§ 1821, 1822 BGB kommt nicht in Betracht.
|
Verschärfung der Sicherung des Kindesvermögens
Der Schenker kann wie der Erblasser anordnen, dass das dem Kind zugewandte Vermögen nicht durch einen oder beide Eltern verwaltet wird, § 1638 BGB. Dies kommt oft vor, wenn die Eltern geschieden sind. Ein Ergänzungspfleger, den der Schenkende bzw. der Erblasser selbst bestimmen kann (§ 1917 BGB), muss diese Aufgabe übernehmen, § 1909 BGB. Dieser unterliegt der Aufsicht des Vormundschaftsgerichts und ist den allgemeinen Überwachungsvorschriften gemäß §§ 1915, 1793 ff. BGB unterworfen. Statt Entzugs des Verwaltungsrechts können Erblasser wie Schenker aber auch bloß anordnen, wie die Verwaltung erfolgen soll (§ 1639 BGB).
§ 1638 BGB wird als rein familienrechtliche Vorschrift angesehen und gilt nicht als Beschränkung i.S. des § 2306 BGB, so dass auch der bloße Pflichtteilsanspruch des Kindes unter Vermögenspflegschaft gestellt werden kann.
Lockerung der Sicherungsmaßnahmen
Gemäß § 1640 Abs. 2 Nr. 2 BGB können Erblasser wie Schenker bestimmen, dass die das Kindesvermögen verwaltenden Eltern kein Vermögensverzeichnis erstellen müssen. Diese Befreiungen müssen entweder formlos bei der Schenkung oder in der Form einer letztwilligen Verfügung bei der Zuwendung auf Grund einer Verfügung von Todes wegen erfolgen.
Da Dauer-Pflegschaften regelmäßig ungern übernommen werden, weil die Einschaltung des Vormundschaftsgerichts als lästig empfunden wird, kann auch der Vermögenspfleger nach §§ 1638, 1909 BGB von Pflichten dem Gericht gegenüber gemäß §§ 1915, 1852 ff. BGB befreit werden: insbesondere von §§ 1809, 1810, 1812 BGB und von der jährlichen Rechnungslegungsfrist, § 1854 BGB. Die Befreiung erfolgt für erbrechtlichen Erwerb in Form der letztwilligen Verfügung (§§ 1915, 1856, 1777 BGB) und bei Schenkungen formlos, aber zweckmäßig schriftlich zum Nachweis beim Vormundschaftsgericht.
Lösung |
Im Beispiel kann allein die F als gesetzliche Vertreterin der Kinder deren Pflichtteilsansprüche erfüllen. § 181 BGB steht dem nicht entgegen, weil es sich um die Erfüllung einer Verbindlichkeit handelt. |