01.12.2007 | Nachlassauseinandersetzung
Abschichtung – der dritte Weg aus der Erbengemeinschaft
Eine Erbengemeinschaft kann nicht nur durch Teilung bzw. Veräußerung der Nachlassgegenstände oder durch Übertragung von Erbteilen und Teilung des Erlöses auseinandergesetzt werden. Es gibt einen dritten Weg, der zu einer persönlichen Teilauseinandersetzung führt: die Abschichtung. Der folgende Beitrag zeigt deren rechtliche Grundlagen auf. Musterformulierungen dienen als Arbeitshilfe bei der Konzeption einer Abschichtungsvereinbarung.
BGH billigt Abschichtung
Die Abschichtung ohne Erbteilsübertragung ist die in der Praxis am häufigsten vorkommende Form. Sie ist durch das Urteil des BGH vom 21.1.98 höchstrichterlich abgesegnet (NJW 98, 1557 = ZEV 98, 141). Bei der Abschichtung gibt ein Miterbe seine Mitgliedschaftsrechte an der Erbengemeinschaft auf, insbesondere sein Recht auf ein Auseinandersetzungsguthaben. Der Erbteil des Ausgeschiedenen wächst den verbleibenden Miterben „kraft Gesetzes“ analog § 738 BGB an. Die rechtliche Grundlage hierfür sieht der BGH in der entsprechenden Anwendung von §§ 1935, 2094, 2095 BGB. Der Weg der Abschichtung ist nicht nur Erbengemeinschaften eröffnet, die aus drei oder mehr Personen bestehen, sondern auch zweigliedrigen Erbengemeinschaften, bei denen nach dem Ausscheiden nur noch ein Miterbe übrig bleibt. In diesem Fall führt das Ausscheiden dazu, dass der Verbleibende Alleineigentum am Nachlass erhält und die Erbengemeinschaft damit beendet ist.
Abschichtungsvereinbarung ist grundsätzlich formfrei möglich
Die Abschichtungsvereinbarung ist grundsätzlich formfrei möglich, weil der Ausscheidende lediglich auf seine Mitgliedschaftsrechte verzichtet, sie jedoch nicht auf einen bestimmten Rechtsnachfolger überträgt. D.h., es liegt hierin keine Verfügung über einen Erbteil gemäß § 2033 Abs. 1 S. 1 BGB, der gemäß S. 2 zwingend der notariellen Beurkundung bedürfte. Der BGH bejaht die Formfreiheit selbst, wenn zum Nachlass ein Grundstück gehört. Dies folgert er aus der Tatsache, dass § 311b BGB (notarielle Beurkundung z.B. für einen Grundstückskaufvertrag) z.B. auch nicht anzuwenden ist, wenn ein Gesellschafter gegen Abfindung aus einer GbR, die Grundeigentum besitzt, ausscheidet (BGHZ 86, 367, 369 ff.; BGH WM 97, 2220, 2222).
Ausnahme: Formbedürftig bleibt die Abschichtungsvereinbarung aber, wenn als Abfindung für den Ausscheidenden ein Gegenstand übertragen wird, der nur durch formbedürftiges Rechtsgeschäft übertragen werden darf, z.B. Übertragung von Immobilien oder Geschäftsanteilen an einer GmbH.
Nach dem Vollzug der Abschichtungsvereinbarung wird das Grundbuch in Bezug auf Nachlassgrundstücke unrichtig. Es ist daher eine Grundbuchberichtigung gemäß § 22 GBO erforderlich, denn der ausgeschiedene Miterbe ist nicht mehr Gesamthänder und damit nicht mehr Miteigentümer in Erbengemeinschaft. Für die Grundbuchberichtigung ist entweder eine Berichtigungsbewilligung vorzulegen oder der Nachweis der Unrichtigkeit zu führen. Praktisch bedeutsam ist die Berichtigungsbewilligung. Der ausgeschiedene Miterbe muss also in öffentlich beglaubigter Form (vgl. § 29 GBO) die eingetretene Rechtsänderung bewilligen. Hierdurch wird grundbuchverfahrensrechtlich der Weg eröffnet, den Inhalt des Grundbuches der materiell richtigen Rechtslage anzupassen.
Abschichtungsvereinbarung gilt nur im Innenverhältnis der Miterben
Sofern Verbindlichkeiten zum Nachlass gehören, wachsen diese entsprechend § 738 BGB ebenfalls den verbleibenden Miterben bzw. dem alleinigen Erben an. Dies allerdings hat noch nicht das Ausscheiden des durch Abschichtungsvereinbarung ausgeschiedenen Miterben aus der Haftung im Außenverhältnis zur Folge. Hierzu bedarf es rechtsgeschäftlicher Vereinbarungen mit dem jeweiligen Gläubiger.
Wichtig: Sicherung des ausscheidenden Miterben
Soll der aus der Erbengemeinschaft Austrittswillige – wie meistens – eine Gegenleistung erhalten, wird es im Interesse der Rechtssicherheit wohl der zweckmäßigste Weg sein, die notarielle Beurkundung zu wählen, auch wenn eine Abschichtungsvereinbarung formfrei möglich ist. Denn es muss sichergestellt werden, dass der ausscheidende Erbe seine Mitgliedschaft nicht verliert, bevor er die Gegenleistung erhält. Die Sicherungsmechanismen, die hier zur Verfügung stehen, sind ohne fachlichen Rat kaum wirksam einzusetzen.
Von den Sicherungsmechanismen hat sich in der Praxis am besten die aufschiebende Bedingung bewährt. Hierbei wird derjenige Teil der Abschichtungsvereinbarung, der als Folge zur Anwachsung des übrigen Vermögens bei dem/den verbleibenden Miterben führt, unter die aufschiebende Bedingung gestellt, dass der Ausscheidende die Gegenleistung erhalten hat.
Beispiel |
E ist verstorben. A, B und C sind seine Erben zu gleichen Teilen. Zum Nachlass gehört eine Immobilie, die mit einer Buchgrundschuld für die Z-Bank belastet ist. Die Grundschuld ist nach Angaben der Beteiligten aktuell mit 30.000 EUR valutiert. A will aus der Erbengemeinschaft ausscheiden und soll hierfür eine Abfindung in Höhe von 80.000 EUR erhalten. Da zwischen den Beteiligten nicht das beste Einvernehmen herrscht, möchte A, dass er aus der Erbengemeinschaft nur nach Erhalt der Gegenleistung ausscheidet und auch von den Kreditverbindlichkeiten gegenüber der Z-Bank im Außenverhältnis befreit wird. |
Musterformulierung: Abschichtungsvereinbarung |
I. Im Nachlass des am ... verstorbenen E befindet sich als einziger Grundbesitz das im Grundbuch des Amtsgerichts ... von ..., Blatt ... eingetragene Grundstück der Gemarkung ..., Flur ..., Flurstück ..., zur Größe von ... qm. Das Grundstück ist in Abteilung III des Grundbuches belastet mit einer Buchgrundschuld für die Z-Bank. Die Grundschuld ist nach Angaben der Beteiligten zum heutigen Tage mit 30.000 EUR valutiert.
An der Erbengemeinschaft sind beteiligt: A, B, C. II. A hat die Absicht, aus der Erbengemeinschaft gegen Abfindung auszuscheiden. Deshalb treffen sämtliche Mitglieder der Erbengemeinschaft hiermit folgende Abschichtungsvereinbarung:
1. A, B, C vereinbaren, dass A zum Ablauf des ... aus der Erbengemeinschaft ausscheidet. A nimmt nicht am Ergebnis von zurzeit seines Ausscheidens schwebenden Geschäften teil.
2. Die Miterben B und C schulden A als Gegenleistung für das Ausscheiden aus der Erbengemeinschaft die Zahlung eines Geldbetrags in Höhe von insgesamt 80.000 EUR. Dieser Betrag ist von den verbleibenden Miterben B und C zu gleichen Anteilen ohne Zinsen zu zahlen am ...
3. Weiterhin ist A von allen Nachlassverbindlichkeiten im Außenverhältnis insbesondere von dem in Abschnitt I genannten Grundpfanddarlehen freizustellen. Jeder Vertragsteil ist berechtigt, die Miterben B und C verpflichtet, die Entlassung des ausscheidenden Miterben A aus jeder Mithaft für das genannte Bankdarlehen auch im Außenverhältnis durch Genehmigung des Gläubigers herbeizuführen. Bis dahin gilt die Schuldübernahme als Erfüllungsübernahme. Die verbleibenden Miterben B und C stellen A darüber hinaus von allen Nachlassverbindlichkeiten und – in analoger Anwendung des § 739 BGB – von allen etwaigen Ausgleichsansprüchen frei.
4. Die Erfüllung der in Ziffer 2, 3 genannten Bedingungen ist aufschiebende Bedingung für diese Vereinbarung. Für die Haftungsfreistellung im Außenverhältnis gegenüber der Z-Bank genügt deren schriftliche Bestätigung, dass sie A aus der Haftung für das eingetragene Grundpfanddarlehen auflagenfrei entlässt.
III. Durch diese Abschichtungsvereinbarung ist das Grundbuch unrichtig geworden. Am erbengemeinschaftlichen Vermögen sind nur noch B und C beteiligt. Die Beteiligten bewilligen und beantragen das Anwachsen des früher von A gehaltenen Anteils am erbengemeinschaftlichen Vermögen bei dem in Abschnitt I aufgeführten Grundbesitz an B und C im Wege der Grundbuchberichtigung einzutragen.
Der Notar wird angewiesen, diesen Vertrag zum Vollzug der Grundbuchrichtung erst dann dem Grundbuchamt vorzulegen, wenn ihm der Eintritt der aufschiebenden Bedingung gemäß Ziffer 2, 3 von A bestätigt oder hilfsweise von B und C nachgewiesen wurde.
IV. B und C unterwerfen sich wegen ihrer Zahlungsverpflichtung jeweils der sofortigen Zwangsvollstreckung aus dieser Urkunde in ihr gesamtes Vermögen. |
Praxishinweis: Die Abschichtung ist ein sinnvolles Gestaltungsmittel der Auseinandersetzung einer Erbengemeinschaft. Der BGH sieht in der Abschichtungsvereinbarung eine prinzipiell formlos mögliche Erbauseinandersetzung nach § 2042 BGB. Der Vermögensübergang vollzieht sich kraft Anwachsung analog § 738 BGB. Unabhängig von der grundsätzlichen Formfreiheit sollte aus Sicherheitsgründen einer notariellen Beurkundung regelmäßig der Vorzug eingeräumt werden.