01.07.2005 | Nießbrauch
Welche steuerlichen Folgen hat der vorzeitige Nießbrauchsverzicht?
Häufig stellt ein Nießbraucher fest, dass er die ihm auf Grund des Nießbrauchs zufließenden Erträge nicht benötigt oder das ihm auf Grund des Nießbrauchs zustehende Wohnrecht nicht nutzen möchte. In einem solchen Fall erwägt der Nießbrauchsberechtigte mitunter einen Nießbrauchsverzicht.Die schenkungsteuerliche Behandlung des vorzeitigen Nießbrauchsverzichts ist umstritten. Die Finanzverwaltung kommt dabei im Vergleich zum BFH zu einer ungünstigeren Besteuerung. Der Beitrag zeigt den aktuellen Meinungsstand anhand von Beispielen auf (zum Nießbrauch Siebert, EE 05, 78 und 106).
In der Literatur wird teilweise die Ansicht vertreten, § 25 Abs. 1 ErbStG enthalte eine abschließende, den Tatbestand des § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG ausschließende Regelung, so dass bei einem Verzicht des Nießbrauchsberechtigten lediglich die zinslose Stundung der auf den Kapitalwert des Nießbrauchs entfallenden Steuer endet (Meincke, ZEV 98, 406; Ziegeler, DB 98, 1056).
Demgegenüber vertreten BFH (DStR 04, 722), die Finanzverwaltung (ErbStH 2003 H 85 Abs. 4), und Teile der Literatur (z.B. Mönch, Kommentar zum Erbschaftsteuergesetz, § 25 Anm. 33 ff.) den Standpunkt, die durch den Verzicht auf den Nießbrauch bewirkte Bereicherung könne durch die frühere steuerliche Behandlung des Erwerbs nicht beseitigt werden. Dies hat jedoch zur Folge, dass das Nießbrauchsrecht in doppelter Hinsicht steuerlich erfasst wird. Dem wird durch die Finanzverwaltung nur durch Billigkeitsmaßnahmen Rechnung getragen, während der BFH die doppelte Erfassung zu beseitigen sucht.
Beispiel | ||||||||||||||||||||||||
Der 68-jährige Vater V schenkt seinem Sohn S 1996 ein Grundstück (Steuerwert 800.000 DM) und behält sich den lebenslangen Nießbrauch vor. Der Jahresertrag aus dem Grundstück beträgt 40.000 DM. Die Schenkungsteuer wurde ohne Berücksichtigung des Nießbrauchs (§ 25 Abs. 1 S. 1 ErbStG) auf 44.000 DM festgesetzt. Der auf den Nießbrauch entfallende Teil der Steuer in Höhe von 35.728 DM wurde gestundet. Im Jahr 2004 verzichtet V unentgeltlich auf sein vorbehaltenes Nießbrauchsrecht. Wie wirkt sich der Verzicht schenkungsteuerlich aus?
Lösung: Die Ansichten des BFH und der Finanzverwaltung führen hier zu unterschiedlichen Ergebnissen:
Auffassung des BFH: Die gestundete Steuer von 35.728 DM wird durch den Wegfall des Nießbrauchs fällig. Der Verzicht zu Gunsten des S ist grundsätzlich steuerbar. Der steuerpflichtige Erwerb im Jahr 2004 ist insoweit wie folgt zu ermitteln:
Auffassung Finanzverwaltung: Hiernach stellt sich der steuerpflichtige Erwerb im Jahr 2004 wie folgt dar (H 85 Abs. 4 ErbStH 2003): Zunächst wird auch hier die gestundete Steuer von 35.728 DM fällig. Der Kapitalwert des Nießbrauchs im Jahr 2004 beträgt 117.353 EUR (s.o). Da die Zehn-Jahresfrist des § 14 ErbStG noch nicht abgelaufen ist, erfolgt Zusammenrechnung mit dem Erwerb 1996 (800.000 DM).
Die Ansicht der Finanzverwaltung ist nicht systemkonform. Dadurch, dass die doppelte Erfassung des Nießbrauchs erst nach der Ermittlung der Steuer für den Gesamterwerb korrigiert wird, wird der Steuerpflichtige in einer höheren Steuerprogression erfasst. |
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