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  • 01.04.2010 | Pflichtteil

    BGH erteilt Lehrstunde zur Ausgleichung und Anrechnung im Pflichtteilsrecht

    von RA Holger Siebert, FA Steuerrecht und Erbrecht, Alsfeld

    Mit der Frage wann und ob eine Ausgleichung oder eine Anrechnung auf Pflichtteilsansprüchen erfolgen muss, setzt sich der IV. Senat des BGH in seiner jüngsten Entscheidung vom 27.1.10 auseinander und spart dabei nicht mit Kritik an der rechtlichen Würdigung durch die Vorinstanzen (IV ZR 91/09, Abruf-Nr. 100985).  

     

    1. Berücksichtigung von Zuwendungen im Pflichtteilsrecht

    Unabhängig von der gesetzlich statuierten Testierfreiheit steht es einem jeden künftigen Erblasser im Rahmen der Vertragsfreiheit frei, lebzeitige Vermögensübertragungen in beliebigem Umfang vorzunehmen. Er darf allerdings nicht durch die Bindungen eines gemeinschaftliches Testaments oder eines Erbvertrages hieran gehindert sein. Das Gesetz stellt insgesamt vier Instrumente zur Verfügung, um Zuwendungen unter Lebenden in die Ermittlung von Pflichtteilsansprüchen einzubeziehen:  

     

    Übersicht: Berücksichtigung von Zuwendungen
    • Pflichtteilsergänzungsanspruch (§§ 2325 ff. BGB)
    • Anrechnungspflicht (§ 2315 Abs. 1 BGB)
    • Ausgleichungspflicht (§§ 2316 Abs. 1, 2050 Abs. 3 BGB)
    • gleichzeitige Ausgleichung und Anrechnung (§ 2316 Abs. 4 BGB)
     

    Dabei wird bei einer Ausgleichung der Wert der Zuwendung von dem Erbteil abgezogen und erst von diesem so ermittelten Betrag der Pflichtteil berechnet, während bei einer Anrechnung der Pflichtteil zunächst selbst berechnet und dann von diesem Pflichtteil der Wert der Zuwendung abgezogen wird (vgl. Sostmann, MittRheinNotK 76, 479, 493). Bei einer gleichzeitigen Ausgleichungs- und Anrechnungsanordnung ist schließlich zunächst der Pflichtteil im Wege der Ausgleichung zu bestimmen und dieser Wert danach um die Hälfte des Zuwendungswerts zu kürzen (vgl. Thubauville, MittRheinNotK 92, 289, 300).