04.12.2008 | Pflichtteil
Lebensversicherung und Pflichtteilsergänzung
von RA Holger Siebert, FA Steuerrecht und Erbrecht, Alsfeld
Eine der derzeit umstrittensten Fragen des Erbrechts ist die nach dem ergänzungspflichtigen Schenkungsgegenstand einer Zuwendung durch Einräumung einer (widerruflichen) Bezugsberechtigung in einem Lebensversicherungsvertrag. Hierzu gibt es in der obergerichtlichen Rechtsprechung unterschiedliche Auffassungen. Der folgende Beitrag stellt den Streitstand zu dieser Thematik dar und bietet praxisgerechte Lösungsvorschläge.
Ausgangslage
Die Kapital-Lebensversicherung stellt eine weit verbreitete Kapitalanlageform zur Vermögensbildung und Altersversorgung dar. Verstirbt der Versicherungsnehmer, dessen Todesfallrisiko versichert ist, vor dem Ablaufzeitpunkt, fällt mangels einer Bezugsberechtigung die Versicherungssumme in den Nachlass. Als Bestandteil des Nachlasses nimmt sie auch an der Bemessung von Pflichtteilsansprüchen Teil.
Nach § 159 Abs.1 VVG (08) ist der Versicherungsnehmer im Zweifel berechtigt, ohne Zustimmung des Versicherers einen Dritten als Bezugsberechtigten zu bezeichnen sowie an die Stelle des bezeichneten Dritten einen anderen zu setzen. Ein unwiderruflich als bezugsberechtigt bezeichneter Dritter erwirbt das Recht auf die Leistung des Versicherers bereits mit der Bezeichnung als Bezugsberechtigter (§ 159 Abs. 3 VVG 08), während ein widerruflich eingesetzter Bezugsberechtigter das Recht auf die Leistung erst mit dem Eintritt des Versicherungsfalls erwirbt
(§ 159 Abs. 2 VVG 08).
Trotz ihrer strukturellen Unterschiede verfügen die beiden Bezugsrechtsformen über einen gemeinsamen Nenner. In beiden Fällen handelt es sich bei der Bezeichnung des Bezugsberechtigten durch den Versicherungsnehmer nicht um eine Verfügung von Todes wegen, sondern um ein Rechtsgeschäft unter Lebenden in Form des Vertrags zugunsten Dritter gemäß § 328 Abs. 1 BGB. Der Bezugsberechtigte einer Lebensversicherung erwirbt den Anspruch auf die Versicherungssumme daher nicht aus dem Nachlass des Versicherungsnehmers (BGH NJW 04, 214; Klingelhöffer, ZEV 95, 180; Staudinger/Kanzleiter, BGB, 98, § 2301 Rn. 49; Elfring, NJW 04, 483). Bei einem unwiderruflichen Bezugsrecht ist dies eine unmittelbare Folge des sofortigen Rechtserwerbs des Dritten. Bei einem widerruflichen Bezugsrecht trennt sich die Versicherungsforderung mit dem Eintritt des Versicherungsfalls von dem übrigen Vermögen des Versicherungsnehmers und wird auf der Grundlage der Begünstigungserklärung selbstständig in das Vermögen des Dritten übertragen.
Auswirkungen auf das Pflichtteilsrecht
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