01.01.2006 | Pflichtteil
Pflichtteilsentzug muss konkret begründet werden
§ 2336 Abs. 2 BGB fordert, dass die Entziehung des Pflichtteils nur durch letztwillige Verfügung erfolgen kann und der Grund der Entziehung in dieser Verfügung angegeben werden muss (BVerfG 11.5.05, 1 BvR 62/00, NJW 05, 2691 = ZEV 05, 388, Abruf-Nr. 053472). |
Sachverhalt
Ein Ehepaar hatte in einem Berliner Testament u.a. verfügt: „Unsere Tochter enterben wir aus folgendem Grund: Wegen schwerer Kränkung und böswilliger Verleumdung.“ Nach dem Tod ihres Vaters machte die Tochter Pflichtteilsansprüche geltend und vertrat die Ansicht, dass die Pflichtteilsentziehung unwirksam sei, da der Entziehungsgrund des § 2333 Nr. 3 BGB nicht hinreichend im Testament benannt worden sei. § 2336 Abs. 2 BGB verlange die Angabe eines Kernsachverhalts, auf den sich die Entziehung beziehe. Das BVerfG hat die gegen die letztinstanzliche, für die Tochter positive Entscheidung, erhobene Verfassungsbeschwerde der Mutter nicht zur Entscheidung angenommen. Es hat dabei auf seinen Beschluss vom 19.4.05 (1BvR 1644/00, 1 BvR 188/03, Abruf-Nr. 051399, dazu Möller, EE 05, 91) verwiesen.
Entscheidungsgründe
Das Pflichtteilsrecht der Kinder muss nur hinter der Testierfreiheit zurücktreten, wenn in der letztwilligen Verfügung eine hinreichend substanzielle Tatsachengrundlage angegeben wird, die im gerichtlichen Verfahren überprüft werden kann. In diesem kann durchaus eine Beweisaufnahme stattfinden. Die Konkretisierungsanforderungen sind für den Erblasser zumutbar, auch wenn sie im Einzelfall eine gewisse Erschwerung bei der Errichtung einer letztwilligen Verfügung mit sich bringen. Diese Konkretisierungsanforderungen sind geeignet und erforderlich, um das Pflichtteilsrecht der Kinder zu schützen.
Praxishinweis
Das BVerfG hat mit der vorstehenden Entscheidung die von der Rechtsprechung aufgestellten hohen formellen Voraussetzungen bestätigt. Der Berater eines Testierenden, der eine Pflichtteilsentziehung anordnen will, muss darauf achten, dass der Sachverhaltskern im Testament so genau dargestellt wird, dass das Gericht durch Auslegung ermitteln kann, auf welche Vorgänge sich die Pflichtteilsentziehung bezieht. Nicht ausreichend sind Begründungen, die lediglich für den Erblasser und den betroffenen Pflichtteilsberechtigten nachvollziehbar sind.
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