01.12.2006 | Pflichtteilsergänzung
Bei verschenkter Immobilie bleibt ein vorbehaltenes Nutzungsrecht unberücksichtigt
1. Die Absicherung des überlebenden Ehegatten rechtfertigt nur dann die Einschränkung des Pflichtteilsrechts naher Angehöriger i.S. des § 2330 BGB, wenn diese in einer Weise sittlich geboten war, dass ein Unterlassen der Zuwendung dem Erblasser als Verletzung einer für ihn bestehenden sittlichen Pflicht zur Last zu legen wäre. |
2. Verschenkt der Erblasser eine Immobilie und behält sich ein lebenslanges Nutzungsrecht vor, bleibt bei dem nach § 2325 Abs. 2 S. 2 BGB vorzunehmenden Wertvergleich das vorbehaltene Nutzungsrecht zunächst unberücksichtigt. Um die beiden Werte unter Berücksichtigung des Kaufpreisschwundes vergleichbar zu machen, ist der Wert im Zeitpunkt der Zuwendung mit Hilfe des allgemeinen Verbraucherindexes auf die Wertverhältnisse zur Zeit des Erbfalls umzurechnen. Nur wenn der Wert zur Zeit der Schenkung maßgeblich ist, weil dieser geringer ist als derjenige zur Zeit des Erbfalls, ist das Nutzungsrecht wertmindernd zu berücksichtigen. |
(OLG Koblenz 13.7.06, 7 U 1801/05, n.v., Abruf-Nr. 063395) |
Sachverhalt
Der Kläger ist der nichteheliche Sohn des 1992 verstorbenen Erblassers. Die Beklagte war dessen Ehefrau und ist dessen gesetzliche Alleinerbin. Nach Regulierung des Erbersatzanspruchs verlangt der Kläger Pflichtteilsergänzungsansprüche wegen im Umfang zwischen den Parteien streitigen Schenkungen des Erblassers an die Beklagte und Dritte. Hierbei handelt es sich im Wesentlichen um die Schenkung eines Forstguts, das der Erblasser wieder zur alleinigen Nutzung zurückgepachtet hat und die Beteiligung des Erblassers an den Baukosten eines Wohnhauses auf dem der Beklagten von ihren Eltern übertragenen Hofgut. Das LG hat der Klage zum Teil stattgegeben. Die Berufung führte zur Erhöhung der ausgeurteilten Summe.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist im ausgeurteilten Umfang begründet. Die Schenkung des Forstguts und die Beteiligung an den Baukosten sind voll in die Berechnung des Pflichtteilsergänzungsanspruchs einzubeziehen. Die Baukostenbeteiligung ist nicht gemäß § 2330 BGB der Pflichtteilsergänzung entzogen. Gemäß § 2330 BGB sind Anstandsschenkungen und Schenkungen, die aus einer sittlichen Pflicht heraus geboten sind, einer Pflichtteilsergänzung entzogen. Unter Anstandsschenkungen fallen lediglich kleinere Zuwendungen, wie übliche Gelegenheitsgaben zu besonderen Tagen und Anlässen (BGH NJW 81, 111). Hierunter fallen die vom Erblasser an die Beklagte geschenkten Schmuckstücke. Die Beteiligung an den Baukosten übersteigen diesen Rahmen bei Weitem.
Eine Schenkung erfolgt nur aus einer sittlichen Pflicht, wenn sie in der Weise geboten war, dass ein Unterlassen der Zuwendung dem Erblasser als Verletzung der für ihn bestehenden sittlichen Pflicht zur Last zu legen wäre (BGH NJW 84, 2939). Nicht ausreichend ist, dass die Schenkung noch im Rahmen des sittlich zu Rechtfertigenden bleibt, weil sonst das Pflichtteilsrecht einen entscheidenden Schutz verliert (BGHZ 88, 102; OLG Koblenz NJW-RR 02, 512). Der Erblasser musste der Beklagten keinen Wohnraum in Form des Neubaus zur Verfügung stellen. Denn auf dem der Beklagten von ihren Eltern überlassenen Hofgut stand Wohnraum zur Verfügung.
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