01.12.2007 | Rechtsgeschäftliche Betreuungsvorsorge
Vorsorgevollmacht: Eine anspruchsvolle Gestaltungsaufgabe
Das Internet reagiert unter „Vorsorgevollmacht“ mit ca. 434.000 Eintragungen. Dies zeigt das Interesse an diesem Thema. Nicht nur von den potenziellen Vollmachtgebern, sondern auch von den Beratern werden aber die zahlreichen „Bausteine“ verkannt und die wirtschaftliche Tragweite solcher Vollmachten unterschätzt. Denn die Lebensverhältnisse können sich schnell ändern, so dass nicht prognostiziert werden kann, wie lange solche Vollmachten oder Verfügungen noch der Realität standhalten. Daher ist es zweckmäßig, die Vollmachtsklauseln auf die Verhältnisse der beteiligten Personen individuell anzupassen. Wegen der Änderung der Verhältnisse sollten die Vollmachtsklauseln turnusmäßig überprüft werden. Die folgende Checkliste soll dazu beitragen, für den Berater die notwendigen Gestaltungsbausteine zu erfassen und dem Vollmachtgeber die Entscheidungen zu erleichtern.
Checkliste: Gestaltungsbausteine der Vorsorgevollmacht |
Welches Recht gilt bei Mehrstaatlern und wechselnden Aufenthaltsorten?
Einsatz der Vorsorgevollmacht:
Nur ein Hauptbevollmächtigter soll eingesetzt werden:
Risiken zur Erfüllung der Bedingungen im Innenverhältnis:
Gleichberechtigte Einzelbevollmächtigte sollen eingesetzt werden:
r Ein Hauptbevollmächtigter und einige Ersatzbevollmächtigte werden eingesetzt
Streitfragen und Entscheidungen bei Vermögensangelegenheiten:
Streitfragen und Entscheidungen Persönliche Angelegenheiten
Erteilung von Untervollmacht: Alternativen
Soll der Bevollmächtigte von den Beschränkungen des § 181 BGB befreit werden?
Rechnungslegung des Bevollmächtigten/Ersatzbevollmächtigten:
Welche Personen sollen zwingend als Bevollmächtigte ausgeschlossen sein?
Betreuungsverfügung: Unentbehrlicher Baustein in der Vollmacht Durch diese Vorsorgevollmacht soll eine (gerichtlich angeordnete) Betreuung möglichst ausgeschlossen werden. Sollte gleichwohl eine Betreuung erforderlich werden, soll der Bevollmächtigte (Name, Anschrift, Telefonnummer angeben) zum Betreuer bestimmt werden.
Eintragung ins Vorsorgeregister: Das Vorsorgeregister bei der Bundesnotarkammer ist für online-Meldungen durch private sowie institutionelle Nutzer (z.B. Anwälte) möglich. Es enthält hierfür Vordrucke. Es hilft dabei, im Betreuungsfall die Vorsorgevollmacht zu finden. Gerichte können beim Vorsorgeregister die Existenz einer Vollmacht für eine bestimmte Person erfragen. Die Registrierungskosten sind in einer Gebührensatzung geregelt. Sie liegen oft zwischen 15,50 und 13 EUR wobei für jeden zusätzlichen Bevollmächtigten 2,50 EUR hinzu kommen, vgl. dazu die Gebührensatzung. Wichtig: Durch dieses Vorsorgeregister wird nicht geprüft, ob die Vollmachten wirksam sind. Gewarnt wird vor Mustern. Empfohlen wird der Rat im Einzelfall durch einen Notar oder Anwalt eigener Wahl (vgl. hierzu www.vorsorgeregister.de).
Vollmachtserrichtung: Konkurrenz zwischen Anwalt und Notar ? Keine Konkurrenz zwischen Anwälten und Notaren: Typische Entscheidungsgrundlagen sind folgende (ausführlich dazu Langenfeld, Testamentsgestaltung, 3. Aufl., S. 380 ff. mit Formulierungsvorschlag):
Bei beträchtlichem Vermögen sind Einzelfragen interessenorientiert und klärungsbedürftig. Hier sind i.d.R. juristische Vorgaben an den zukünftigen Bevollmächtigten zu erteilen, die erheblichen Besprechungsbedarf erzeugen und auch einen erheblichen Aufwand zur Formulierung der Klauseln verursachen. Dies gilt z.B. für Bereiche der Vermögensbetreuung, der Vermögensanlage im Bankenbereich, der Vermögensverwaltung von Immobilien, der Vororientierung sowie Anweisungen an den Bevollmächtigten für den späteren Abschluss von Heimverträgen, der Rechtsfrage, welche Rechtsordnung anwendbar ist. Finanzierungsfragen im Zusammenhang mit einem späteren Aufenthalt in Krankenhaus oder Pflegeheim, ferner für Fragen der Rechenschaftslegung durch den oder die Bevollmächtigten, z.B. gegenüber den Erben. Für eine ergiebige Grundlagenberatung kommen bei Sachverhalten mit rechtlicher und wirtschaftlicher Bedeutung mehrere Beratungsstunden in Betracht.
Die Einschaltung eines Notars ist sinnvoll für Erklärungen, für die zumindest öffentliche Beglaubigungen der Unterschriften erforderlich sind, erst recht also notarielle Beurkundungen, z.B.
Auch die (zumindest konkludente) Prüfung zur Geschäftsfähigkeit des Vollmachtgebers durch den Notar gemäß § 11 BeurkG spricht für die notarielle Beurkundung und ihren Beweiswert. Der Notar muss die Beurkundung nur ablehnen, wenn er von der Geschäftsunfähigkeit überzeugt ist (Limmer in Reimann/Bengel/J.Mayer, Testament und Erbvertrag, 5. Aufl., § 11 BeurkG Rn. 14 ff., mit weiteren Differenzierungen). Der Notar muss eigene Nachforschungen anstellen, sodass bei einer Beurkundung trotz Zweifel an der Geschäftsfähigkeit des Vollmachtgebers die abschließende Beurteilung den Gerichten obliegt (Limmer, a.a.O., Rn. 14). Dieser Schwebezustand durch „Beurteilungsimponderabilien“ relativiert den Beweiswert notarieller Urkunden im Einzelfall. Hier können Anwalt oder Notar aufgefordert sein, zum ärztlichen Attest zu raten und zur Beurkundung zu beschaffen (BayObLG DNotZ 93, 471, 473).
Bei außergewöhnlichen wirtschaftlichen Verhältnissen und besonderem Gestaltungsinteresse des Vollmachtgebers ist es oft zweckmäßig, sich anwaltlich beraten und den „Entwurf“ anschließend notariell beurkunden zu lassen. Bei sog. Standardvollmachten ohne weiteren Beratungsbedarf sollte der Anwalt im Einzelfall nach Hinweis an den Vollmachtgeber diesem den direkten Weg zum Notar empfehlen.
Praxishinweis: Eine zusätzliche Aufklärungspflicht des Anwalts, den Mandanten auf die kostengünstigere Inanspruchnahme des Notars zu verweisen, besteht nicht, wenn die Bearbeitung durch einen Notar nicht zwingend vorgeschrieben ist (LG Hannover ZEV 06, 224 [zur Testamentsberatung]). Vergleichbare Überlegungen drängen sich auch für die Vorsorgevollmacht (Generalvollmacht) auf. Denn für die Erstellung einer Vorsorgevollmacht (Generalvollmacht) besteht grundsätzlich kein Formzwang (Milzer, FPR 07, 69, 73). Der Anwalt muss den Mandanten darauf hinweisen, dass durch eine notarielle Tätigkeit zusätzliche Kosten entstehen.
Geschäftswert und Kosten der Vorsorgevollmacht:
Praxishinweis: Bei einer Honorarvereinbarung gilt eine Abrechnung nach Stunden, die die gesetzlichen Gebühren um mehr als das Siebzehnfache überschreiten, nicht mehr als gerechtfertigt (BGH AnwBl. 03, 721). Bei schwierigen Angelegenheiten können aber Stundensätze von 400 EUR/Stunde angemessen sein (AG Hamburg AGS 00, 81). Bei der Gebührenfrage ist auch von Bedeutung, dass der Notar für seine Tätigkeit subsidiär haftet, § 19 Abs. 1 S. 2 BNotO. Beurkundet der Notar eine Vollmacht nach den Vorgaben des Anwalts bzw. dessen Mandanten, liegt das alleinige Haftungsrisiko grundsätzlich und primär beim Anwalt (BGH WM 92, 1533, 1537; NJW 03, 202, 203). |