01.07.2006 | Schenkungsteuer
So beurteilen Sie einen Erbschaftsvertrag unter steuerlichen Gesichtspunkten richtig
von Dipl.-Finanzwirt (FH) Dr. Hellmut Götz, RA/StB/FAStR, Freiburg i.Br.
Künftige Erben können vertragliche Absprachen über die Verteilung oder Berechtigung am erst künftig anfallenden Nachlass treffen. Der folgende Beitrag informiert anhand einer Checkliste über die wesentlichen Bewertungspunkte eines solchen Vertrags auch in schenkungsteuerlicher Hinsicht.
Beispiel |
Erblasser E schenkt seinem Sohn S zu Lebzeiten wertmäßig mehr als den Töchtern T und B. T und B verlangen von S einen Ausgleich dafür. Wie kann eine solche Ausgleichsleistung rechtssicher gestaltet werden und wie ist diese Leistung steuerlich zu würdigen? |
Checkliste: Erbschaftsvertrag |
Wird der Vertragsschließende im Erbfall nicht als Erbe berufen, wird der Vertrag gegenstandslos. Ist die Gegenleistung bereits erbracht worden, ist er rückabzuwickeln. Denn derartige Verträge nach § 311b Abs. 5 BGB über den gesetzlichen Erbteil, den Pflichtteil sowie einen letztwillig zugewandten Erbteil, begrenzt bis zur Höhe des gesetzlichen Erbteils, stehen unter der Bedingung, dass die Erbfolge tatsächlich eintritt bzw. der Pflichtteilsanspruch wirklich entsteht. Ausreichend ist aber, dass der Vertragsschließende zwar nicht kraft Gesetzes, sondern auf Grund einer letztwilligen Verfügung Erbe wird (BGH NJW 88, 2726).
Ähnlich stellt sich die Situation dar, wenn im Erbschaftsvertrag geregelt wird, dass ein gesetzlicher Erbe von seinem Ausschlagungsrecht keinen Gebrauch machen darf. Die formwirksam geschlossene Verpflichtung bindet indes nur, wenn der Verpflichtete auch nur in Höhe der gesetzlichen Quote als Miterbe eingesetzt wird. Hat der Erblasser ihm wider Erwarten einen höheren Erbteil zugewiesen, muss er von der Verpflichtung frei kommen und ausschlagen dürfen.
Probleme können aber auch dadurch auftreten, dass sich die Erbquote nach Abschluss des Erbschaftsvertrags ändert. Verstirbt etwa einer der Miterben und wird dadurch der Erbteil der übrigen (z.B. Geschwister) größer, wirft dies die Frage auf, ob der Vertrag dadurch nichtig wird. Zwar könnte man vertreten, es komme nur auf die Verhältnisse im Zeitpunkt des Vertragsschlusses an. Allerdings bleiben zwei Fragen ungeklärt. Zum einen, welchen Erbteil der Verpflichtete nun übertragen muss und zum anderen, welche Gegenleistung geschuldet ist. Hier wird man über die Grundsätze des Wegfalls der Geschäftsgrundlage (§ 313 BGB) den Vertrag anpassen müssen, denn die Parteien mussten mit diesem unerwarteten Geschehensablauf nicht rechnen.
Ist die Erbquote hingegen „unerwartet“ geringer, würde das Risiko einer zutreffenden Bemessung der Abfindung (als „Gegenleistung“ für die Übertragung des Erbteils) nur zu Lasten des Erben gehen. Hier könnte zwar nur der (geringere) Erbteil übertragen werden, allerdings müsste die Bemessung der Gegenleistung nachträglich korrigiert werden. Rechtsgrund dafür dürften ebenfalls die Grundsätze über den Wegfall der Geschäftsgrundlage (§ 313 BGB) sein.
Hat sich der Verpflichtete nicht an die Absprache gehalten, die Erbschaft anzunehmen, würde gerichtliche Hilfe nicht weiterhelfen. Die Anfechtung der erbschaftsvertragswidrig erklärten Ausschlagung wäre mangels Irrtums unmöglich, ein Schadenersatzanspruch ggf. nicht durchsetzbar.
Praxishinweis: Ganz überwiegend wird daher vor einem vorschnellen Abschluss eines Erbschaftsvertrags gewarnt (Damrau, ZErb 04, 206).
Verpflichtet sich die Partei eines Erbschaftsvertrags bereits unter Lebenden eine Gegenleistung zu erbringen, weil z.B. der Vertragspartner auf sein künftiges Pflichtteilsrecht verzichtet, gilt nach Ansicht des BFH Folgendes: Ein unter künftigen gesetzlichen Erben gemäß § 311b Abs. 5 BGB geschlossener Vertrag, in dem der eine auf seine künftigen Pflichtteilsansprüche gegen Zahlung eines Geldbetrags verzichtet, stellt zwar eine freigebige Zuwendung i.S. des § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG dar (BStBl. II 01, 456). Die Steuerklasse richtet sich jedoch nicht nach dem Verhältnis der Vertragsparteien, sondern nach dem Verhältnis des Verzichtenden (Zuwendungsempfängers) zum künftigen Erblasser.
Konsequenz: Schließen z.B. Geschwister einen Vertrag, in dem die eine Vertragspartei eine Gegenleistung dafür erbringt, dass die andere darauf verzichtet, beim Tod eines Elternteils Pflichtteilsergänzungsansprüche geltend zu machen, wird die Erfüllung dieses Vertrags als freigebige Zuwendung i.S. des § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG angesehen und fällt in die Steuerklasse I. Obwohl die Geschwister an sich zur Steuerklasse II gehören, ist die günstigere Steuerklasse I anwendbar, weil sich der Vertrag auf den künftigen Nachlass eines Elternteils bezieht. Für die Besteuerung von Zuwendungen von Eltern an die Kinder greift die Steuerklasse I, § 15 Abs. 1 ErbStG.
Folgerungen: Die Entscheidung des BFH zur Schenkungsteuer (BStBl. II 01, 456) betraf zwar den Sonderfall, dass einer der künftigen gesetzlichen Erben sich im Erbschaftsvertrag verpflichtete, gegen Abfindung den Pflichtteilsergänzungsanspruch nicht geltend zu machen. Die Entscheidung bedeutet jedoch nicht, dass die anderen zivilrechtlich ebenfalls unter § 311b Abs. 5 BGB fallenden Erbschaftsverträge schenkungsteuerlich anders zu behandeln wären. Auch wenn z.B. ein Vertrag über eine von §§ 2050 ff. BGB abweichende Ausgleichungspflicht nach § 311b Abs. 5 BGB geschlossen wird, ist eine hierbei zugesagte „Gegenleistung“ als Schenkung an den Verzichtenden anzusehen. Bei der Ermittlung der relevanten Steuerklasse ist nicht das Verhältnis zwischen den Vertragsparteien (z.B. Geschwister), sondern dasjenige zwischen dem Verzichtenden (Zuwendungsempfänger) und dem späteren Erblasser maßgebend.
Höchstrichterlich nicht geklärt ist, ob die Zahlung einer Abfindung auf Grund eines Vertrags nach § 311b Abs. 5 BGB dazu führt, dass der Leistende den Zahlbetrag später als Nachlassverbindlichkeit von seinem Erwerb von Todes wegen nach § 10 Abs. 5 ErbStG abziehen kann. Dafür könnte sprechen, dass er sonst schlechter gestellt wäre als derjenige, der erst nach dem Erbfall eine solche Ausgleichszahlung an einen Pflichtteilsberechtigten für seinen Verzicht leistet. Denn die Zahlung eines Erben als Gegenleistung für einen Pflichtteilsverzicht wird als Nachlassverbindlichkeit und damit als Abzugsposten anerkannt (BFH BStBl. II 81, 473). Zudem ist allgemein anerkannt, dass z.B. der Bruder an seine Schwester einen Geldbetrag zahlen kann, wenn diese zu Lebzeiten gegenüber dem Vater auf den Pflichtteil verzichtet. Wird der Bruder später Erbe, wirkt sich die Abfindungszahlung bei ihm bereicherungsmindernd aus (Schuck in Viskorf/Glier/Hübner/Knobel/Schuck, ErbStG, 2. Aufl., § 7 Rn. 144). Somit müsste derjenige, der auf Grund eines Vertrags nach § 311b Abs. 5 BGB eine Abfindung zu Lebzeiten des Erblassers leistet, diese später als Nachlassschuld abziehen können.
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