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  • 01.07.2006 | Schenkungsteuer

    So beurteilen Sie einen Erbschaftsvertrag unter steuerlichen Gesichtspunkten richtig

    von Dipl.-Finanzwirt (FH) Dr. Hellmut Götz, RA/StB/FAStR, Freiburg i.Br.

    Künftige Erben können vertragliche Absprachen über die Verteilung oder Berechtigung am erst künftig anfallenden Nachlass treffen. Der folgende Beitrag informiert anhand einer Checkliste über die wesentlichen Bewertungspunkte eines solchen Vertrags auch in schenkungsteuerlicher Hinsicht.  

     

    Beispiel

    Erblasser E schenkt seinem Sohn S zu Lebzeiten wertmäßig mehr als den Töchtern T und B. T und B verlangen von S einen Ausgleich dafür. Wie kann eine solche Ausgleichsleistung rechtssicher gestaltet werden und wie ist diese Leistung steuerlich zu würdigen?  

     

     

    Checkliste: Erbschaftsvertrag
    • Voraussetzungen der Verträge über den Nachlass: Der Erblasser kann mit den künftigen Erben zu Lebzeiten mit erbrechtlich-dinglicher Wirkung neben dem Erbvertrag auch Erb- und Pflichtteilsverzichtsverträge schließen, die die Erbfolge und das Pflichtteilsrecht beeinflussen. Wollen künftige Erben ohne Beteiligung des Erblassers zu dessen Lebzeiten Regelungen über den künftigen Nachlass treffen, müssen sie die Beschränkungen des § 311b Abs. 4und 5 BGB (§ 312 BGB a.F.) beachten:

     

    • Nach § 311b Abs. 4 BGB ist ein Vertrag über den Nachlass eines noch lebenden Dritten oder über ein Vermächtnis oder den Pflichtteil nichtig, auch wenn dieser Vertrag mit Zustimmung des Erblassers erfolgt (Palandt/Grüneberg, BGB, 65. Aufl., § 311b Rn. 69).

     

    • Nach § 311b Abs. 5 BGB ist jedoch ein schuldrechtlicher Vertrag zwischen künftigen gesetzlichen Erben über den gesetzlichen Erbteil oder den Pflichtteil eines von ihnen (sog. Erbschaftsvertrag) wirksam, wenn er notariell beurkundet wird. Nicht möglich ist dagegen ein derartiger Vertrag über ein Vermächtnis, da dieses in § 311b Abs. 5 BGB nicht genannt ist (BGH NJW 56, 1151). Vertragsschließende können also nur künftige gesetzliche Erben sein, wobei es reicht, dass sie nach § 1924 ff. BGB gesetzliche Erben werden können. Ob sie wirklich erben, ist für die Gültigkeit des Vertrags ohne Bedeutung. Allein die abstrakte Stellung als nächster Angehöriger und potenzieller künftiger gesetzlicher Erbe genügt (BGH NJW 95, 448).

     

    Wird der Vertragsschließende im Erbfall nicht als Erbe berufen, wird der Vertrag gegenstandslos. Ist die Gegenleistung bereits erbracht worden, ist er rückabzuwickeln. Denn derartige Verträge nach § 311b Abs. 5 BGB über den gesetzlichen Erbteil, den Pflichtteil sowie einen letztwillig zugewandten Erbteil, begrenzt bis zur Höhe des gesetzlichen Erbteils, stehen unter der Bedingung, dass die Erbfolge tatsächlich eintritt bzw. der Pflichtteilsanspruch wirklich entsteht. Ausreichend ist aber, dass der Vertragsschließende zwar nicht kraft Gesetzes, sondern auf Grund einer letztwilligen Verfügung Erbe wird (BGH NJW 88, 2726).

     

    • Inhalt von Erbschaftsverträgen: Zwischen den künftigen gesetzlichen Erben können ohne Beteiligung des künftigen Erblassers folgende notariell zu beurkundende Verträge geschlossen werden:

     

    • Vertrag über den gesetzlichen Erbteil, den Pflichtteil sowie einen letztwillig zugewandten Erbteil, aber nur bis zur Höhe des gesetzlichen Erbteils;
    • Vertrag über die schuldrechtliche Ausschlagungspflicht zwischen künftigen Miterben (Begrenzung auf die Erbquote beachten);
    • Vertrag über die Abfindung- und Wertfestsetzung (Begrenzung auf die Erbquote beachten);
    • Vertrag über eine von §§ 2050 ff. BGB abweichende Ausgleichungspflicht;
    • schuldrechtlicher Vertrag der Geschwister des Übernehmers eines bestimmten Gegenstands im Übergabevertrag hinsichtlich künftiger Pflichtteilsergänzungsansprüche bezüglich dieses Gegenstands (das Erfordernis der notariellen Beurkundung folgt hier aus § 2348 BGB);
    • antizipierte Abtretungen bzw. Erlassverträge von Pflichtteilsansprüchen zwischen potenziellen gesetzlichen Erben.

     

    • Die Abtretung des gesetzlichen Erbteils zu Lebzeiten des Erblassers kann im Gegensatz zur schuldrechtlichen Verpflichtung dazu nicht vereinbart werden. Diese ist frühestens ab dem Erbfall zulässig (Palandt/Grüneberg, a.a.O., § 311b Rn. 75).

     

    • Zivilrechtliche Grenzen des Erbschaftsvertrags: Folgende Grenzen sind zu beachten:

     

    • Änderung der Verhältnisse: Ist Gegenstand des Erbschaftsvertrags die Pflicht, einen Miterbenanteil zu übertragen, kann die durch Verfügung von Todes wegen zugewandte Erbquote größer sein als die gesetzliche Quote. Hier gilt § 139 BGB (Teilnichtigkeit des Vertrags). War Gegenstand des Erbschaftsvertrags die Pflicht, eine Erbschaft auszuschlagen und findet sich später ein Testament, nach dem der Ausschlagungsverpflichtete zu einer höheren Erbquote eingesetzt wird als bei Vertragsschluss angenommen, kann der Vertrag ebenfalls nicht ohne Korrekturen umgesetzt werden. Der Ausschlagungsverpflichtete kann aber nicht dergestalt vorgehen, dass er nur teilweise im Umfang der gesetzlichen Erbquote ausschlägt, da dies gemäß § 1950 BGB unzulässig ist. Gleichwohl muss auch hier der Vertrag als teilweise nichtig eingestuft und an die geänderten Bedingungen angepasst werden (Damrau, ZErb 04, 206).
    Ähnlich stellt sich die Situation dar, wenn im Erbschaftsvertrag geregelt wird, dass ein gesetzlicher Erbe von seinem Ausschlagungsrecht keinen Gebrauch machen darf. Die formwirksam geschlossene Verpflichtung bindet indes nur, wenn der Verpflichtete auch nur in Höhe der gesetzlichen Quote als Miterbe eingesetzt wird. Hat der Erblasser ihm wider Erwarten einen höheren Erbteil zugewiesen, muss er von der Verpflichtung frei kommen und ausschlagen dürfen.

     

    Probleme können aber auch dadurch auftreten, dass sich die Erbquote nach Abschluss des Erbschaftsvertrags ändert. Verstirbt etwa einer der Miterben und wird dadurch der Erbteil der übrigen (z.B. Geschwister) größer, wirft dies die Frage auf, ob der Vertrag dadurch nichtig wird. Zwar könnte man vertreten, es komme nur auf die Verhältnisse im Zeitpunkt des Vertragsschlusses an. Allerdings bleiben zwei Fragen ungeklärt. Zum einen, welchen Erbteil der Verpflichtete nun übertragen muss und zum anderen, welche Gegenleistung geschuldet ist. Hier wird man über die Grundsätze des Wegfalls der Geschäftsgrundlage (§ 313 BGB) den Vertrag anpassen müssen, denn die Parteien mussten mit diesem unerwarteten Geschehensablauf nicht rechnen.

     

    Ist die Erbquote hingegen „unerwartet“ geringer, würde das Risiko einer zutreffenden Bemessung der Abfindung (als „Gegenleistung“ für die Übertragung des Erbteils) nur zu Lasten des Erben gehen. Hier könnte zwar nur der (geringere) Erbteil übertragen werden, allerdings müsste die Bemessung der Gegenleistung nachträglich korrigiert werden. Rechtsgrund dafür dürften ebenfalls die Grundsätze über den Wegfall der Geschäftsgrundlage (§ 313 BGB) sein.

     

    • Probleme der Durchsetzung bei vertragswidrigem Verhalten: Weitgehende Einigkeit besteht, dass der Erbschaftsvertrag nach § 311b Abs. 5 BGB, anders als der Erbvertrag, weder dingliche noch erbrechtliche Wirkung entfalten kann. Er hat nur verpflichtenden Charakter. Werden die Ansprüche aus dem Erbschaftsvertrag infolge des Erbfalls fällig, stellt sich das Problem der zwangsweisen Erfüllung. Hat etwa der Miterbe sich zur Ausschlagung verpflichtet, kommt er dem jedoch innerhalb der sechswöchigen Frist nicht nach, ist der Verpflichtete wirksam Erbe geworden. Helfen kann angesichts der Eilbedürftigkeit nur die einstweilige Verfügung i.V. mit § 894 ZPO. Denn mit Eintritt der Rechtskraft gilt die Erklärung als abgegeben.

     

    Hat sich der Verpflichtete nicht an die Absprache gehalten, die Erbschaft anzunehmen, würde gerichtliche Hilfe nicht weiterhelfen. Die Anfechtung der erbschaftsvertragswidrig erklärten Ausschlagung wäre mangels Irrtums unmöglich, ein Schadenersatzanspruch ggf. nicht durchsetzbar.

     

    Praxishinweis: Ganz überwiegend wird daher vor einem vorschnellen Abschluss eines Erbschaftsvertrags gewarnt (Damrau, ZErb 04, 206).

     

    • Schenkungsteuerliche Folgen eines Erbschaftsvertrags: Werden hierbei Grundstücke oder Miteigentumsanteile daran bzw. Wohnungs-/Teileigentum übertragen, erlangt das Finanzamt von der Übertragung Kenntnis. Da sich die Beteiligten vor allem über die schenkungsteuerlichen Folgen oft keine Gedanken machen, sind sie über den Erhalt eines Schenkungsteuerbescheids überrascht.

     

    Verpflichtet sich die Partei eines Erbschaftsvertrags bereits unter Lebenden eine Gegenleistung zu erbringen, weil z.B. der Vertragspartner auf sein künftiges Pflichtteilsrecht verzichtet, gilt nach Ansicht des BFH Folgendes: Ein unter künftigen gesetzlichen Erben gemäß § 311b Abs. 5 BGB geschlossener Vertrag, in dem der eine auf seine künftigen Pflichtteilsansprüche gegen Zahlung eines Geldbetrags verzichtet, stellt zwar eine freigebige Zuwendung i.S. des § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG dar (BStBl. II 01, 456). Die Steuerklasse richtet sich jedoch nicht nach dem Verhältnis der Vertragsparteien, sondern nach dem Verhältnis des Verzichtenden (Zuwendungsempfängers) zum künftigen Erblasser.

     

    Konsequenz: Schließen z.B. Geschwister einen Vertrag, in dem die eine Vertragspartei eine Gegenleistung dafür erbringt, dass die andere darauf verzichtet, beim Tod eines Elternteils Pflichtteilsergänzungsansprüche geltend zu machen, wird die Erfüllung dieses Vertrags als freigebige Zuwendung i.S. des § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG angesehen und fällt in die Steuerklasse I. Obwohl die Geschwister an sich zur Steuerklasse II gehören, ist die günstigere Steuerklasse I anwendbar, weil sich der Vertrag auf den künftigen Nachlass eines Elternteils bezieht. Für die Besteuerung von Zuwendungen von Eltern an die Kinder greift die Steuerklasse I, § 15 Abs. 1 ErbStG.

     

    • Ertragsteuerliche Folgen eines Erbschaftsvertrags: Aus ertragsteuerlicher Sicht hat die Entscheidung des BFH (BStBl. II 01, 456) zur Folge, dass die anlässlich eines Erbschaftsvertrags bezahlte Abfindung, die nicht in Geld, sondern durch Hingabe von Betriebsvermögen (z.B. Mitunternehmeranteil) oder eines Grundstücks erfolgt, ebenfalls als unentgeltlich anzusehen ist. Es käme also weder zu einer Steuerpflicht nach § 16 EStG noch wäre § 23 EStG zu prüfen. Nichts anderes würde bei der Hingabe von Anteilen i.S. des § 17 EStG oder § 21 Umwandlungssteuergesetz (UmwStG) gelten. Das Finanzgericht München (ZEV 98, 237) hatte in seiner später vom BFHaufgehobenen Entscheidung noch argumentiert, der Vorgang unterfalle nicht der Schenkungsteuer, da er als entgeltliches Geschäft zu werten sei. Folge dieser finanzgerichtlichen Beurteilung wäre, dass z.B. der im Erbschaftsvertrag erklärte Pflichtteilsverzicht als entgeltlich angesehen werden müsste. Dies hätte wiederum zur Folge, dass der Abfindende u.U. einen Veräußerungsgewinn zu versteuern hätte. Für den Empfänger der Leistung hätte dies bedeutet, dass in seiner Person Anschaffungskosten für den erlangten Gegenstand vorliegen.

     

    • Grunderwerbsteuerliche Folgen eines Erbschaftsvertrags: Rechtsfolge dieser vom BFH aus schenkungsteuerlicher Sicht vorgenommenen Beurteilung des Übertragungsvorgangs als unentgeltlich ist ferner, dass bei einer auf Grund eines Erbschaftsvertrags erfolgten Grundstücksübertragung keine Grunderwerbsteuer entstehen kann. Wird also die Abfindung z.B. für einen Verzicht nicht in Geld, sondern durch Hingabe eines Grundstücks geleistet, ist diese wegen § 3 Nr. 2 GrEStG grunderwerbsteuerfrei. Der BFH hat ausdrücklich darauf hingewiesen, dass eine Gegenleistung bei einem Erbschaftsvertrag deshalb nicht vorliegen könne, weil dem gegen Abfindung Verzichtenden im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses noch kein in Geld bewertbarer Vermögenswert zustehe. Der Anspruch, auf den verzichtet werde, stelle eine bloße Erwerbschance dar, „die als solche nicht geeignet ist, Gegenstand einer die Freigebigkeit ausschließenden Gegenleistung zu sein“. Damit können sich bei einem Erbschaftsvertrag richtigerweise keine grunderwerbsteuerlichen Fragen ergeben.

     

    Folgerungen: Die Entscheidung des BFH zur Schenkungsteuer (BStBl. II 01, 456) betraf zwar den Sonderfall, dass einer der künftigen gesetzlichen Erben sich im Erbschaftsvertrag verpflichtete, gegen Abfindung den Pflichtteilsergänzungsanspruch nicht geltend zu machen. Die Entscheidung bedeutet jedoch nicht, dass die anderen zivilrechtlich ebenfalls unter § 311b Abs. 5 BGB fallenden Erbschaftsverträge schenkungsteuerlich anders zu behandeln wären. Auch wenn z.B. ein Vertrag über eine von §§ 2050 ff. BGB abweichende Ausgleichungspflicht nach § 311b Abs. 5 BGB geschlossen wird, ist eine hierbei zugesagte „Gegenleistung“ als Schenkung an den Verzichtenden anzusehen. Bei der Ermittlung der relevanten Steuerklasse ist nicht das Verhältnis zwischen den Vertragsparteien (z.B. Geschwister), sondern dasjenige zwischen dem Verzichtenden (Zuwendungsempfänger) und dem späteren Erblasser maßgebend.

     

    Höchstrichterlich nicht geklärt ist, ob die Zahlung einer Abfindung auf Grund eines Vertrags nach § 311b Abs. 5 BGB dazu führt, dass der Leistende den Zahlbetrag später als Nachlassverbindlichkeit von seinem Erwerb von Todes wegen nach § 10 Abs. 5 ErbStG abziehen kann. Dafür könnte sprechen, dass er sonst schlechter gestellt wäre als derjenige, der erst nach dem Erbfall eine solche Ausgleichszahlung an einen Pflichtteilsberechtigten für seinen Verzicht leistet. Denn die Zahlung eines Erben als Gegenleistung für einen Pflichtteilsverzicht wird als Nachlassverbindlichkeit und damit als Abzugsposten anerkannt (BFH BStBl. II 81, 473). Zudem ist allgemein anerkannt, dass z.B. der Bruder an seine Schwester einen Geldbetrag zahlen kann, wenn diese zu Lebzeiten gegenüber dem Vater auf den Pflichtteil verzichtet. Wird der Bruder später Erbe, wirkt sich die Abfindungszahlung bei ihm bereicherungsmindernd aus (Schuck in Viskorf/Glier/Hübner/Knobel/Schuck, ErbStG, 2. Aufl., § 7 Rn. 144). Somit müsste derjenige, der auf Grund eines Vertrags nach § 311b Abs. 5 BGB eine Abfindung zu Lebzeiten des Erblassers leistet, diese später als Nachlassschuld abziehen können.