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  • 03.07.2008 | Sozialhilferegress

    Auslegung eines Überlassungsvertrags

    von RA Gudrun Möller, FA Familienrecht, Münster
    Übertragen Eheleute ihr Hausgrundstück auf ihre Kinder bei Einräumung eines lebenslangen Wohnrechts, so hat der überlebende Ehegatte nach Auszug in ein Pflegeheim wegen Eintritts dauernder Pflegebedürftigkeit keinen Anspruch gegen die Übernehmer auf Zahlung einer Geldrente, wenn für diesen Fall eine Regelung im Überlassungsvertrag nicht getroffen worden ist und keine ausreichenden Anhaltspunkte bestehen, welche Regelung die Vertragsparteien getroffen hätten, wenn sie die Regelungslücke erkannt hätten (OLG Schleswig 7.12.07, 14 U 57/07, n.v., Abruf-Nr. 081771).

     

    Entscheidungsgründe

    Dem Kläger steht aus nach § 93 SGB XII übergeleitetem Recht gegen die Beklagten als Gesamtschuldner kein Anspruch auf Geldrente zu. Ein solcher ergibt sich auch nicht im Wege ergänzender Auslegung des Überlassungsvertrags nach §§ 157, 242 BGB. Bei dessen Abschluss hatten die Beteiligten den Einzug der Übertragenden in ein Pflegeheim nicht bedacht. Damit liegt eine Regelungslücke i.S. einer planwidrigen Unvollständigkeit des Vertragswerks vor. Daher ist der hypothetische Parteiwille Grundlage für die Ergänzung des Vertrags. Es ist darauf abzustellen, was die Parteien bei Abwägung ihrer Interessen nach Treu und Glauben als redliche Vertragspartner vereinbart hätten, wenn sie dies bedacht hätten. Dabei ist auf den Zeitpunkt des Vertragsschlusses abzustellen. Im Übrigen sind die im Vertrag enthaltenen Regelungen und Wertungen zum Ausgangspunkt der Vertragsergänzung zu nehmen (Palandt/Heinrichs, BGB, 67. Aufl., § 157 Rn. 7).  

     

    Es ist nicht feststellbar, dass die Beteiligten die Zahlung einer Geldrente durch die Übernehmer vereinbart hätten, wenn sie die Heimunterbringung und Sozialhilfebedürftigkeit der Überlasser bedacht hätten. Denn das Wohnungsrecht wurde auf Lebenszeit eingeräumt. Daran ändert auch die eingetretene Sozialhilfebedürftigkeit nichts. Eine Regelung, die die Übernehmer in diesem Fall von Rentenleistungen freistellt, wäre kein unzulässiger Vertrag zulasten der öffentlichen Hand. Eine solcher Vertrag wäre auch mangels konkret bevorstehender Pflegebedürftigkeit nicht sittenwidrig i.S. von § 138 BGB. Es gibt auch keine Anhaltspunkte dafür, dass es ihnen darum gegangen wäre, den Eintritt der Sozialhilfebedürftigkeit der Überlasser zu verhindern. Dagegen spricht, dass die Vertragsschließenden kein umfassendes Nießbrauchsrecht und auch keinen umfassenden Pflege- und Versorgungsvertrag vereinbarten. Es ging ihnen um den Verbleib der Übertragenden in vertrauter Umgebung so lange wie möglich. Dies gilt umso mehr, als die Überlasser weiterhin Zins- und Tilgungslasten für das Haus tragen mussten. Dies deutet darauf, die Übernehmer von laufenden Geldleistungen freizuhalten. Damit sprechen gewichtige Umstände dafür, dass die Vertragschließenden auch für den Fall, dass bei Vertragsschluss eine spätere Heimunterbringung der Überlasser und eine Sozialhilfebedürftigkeit bedacht worden wären, keine ersatzweise Rentenzahlung vereinbart und einer Sozialhilfebedürftigkeit z.B. nur im Wege der Übernahme der Zins- und Tilgungslasten durch die Übernehmer Rechnung getragen hätten.  

     

    Kann die Regelungslücke in verschiedener Weise geschlossen werden und bestehen keine Anhaltspunkte dafür, für welche Alternative sich die Parteien entschieden hätten, ist eine ergänzende Vertragsauslegung ausgeschlossen (Palandt/Heinrichs, a.a.O., § 157 Rn. 10).