04.12.2008 | Sozialrecht
Geldvermächtnis: Keine Sittenwidrigkeit bei berechtigter Fürsorgeabsicht des Erblassers
von RA Ernst Sarres, FA Familienrecht und Erbrecht, Düsseldorf
Wegen der grundsätzlichen Subsidiarität (Nachrangigkeit) staatlicher Leistungen ist häufig problematisch, ob Leistungen aus Erbschaft oder insbesondere Vermächtnis verwertbares Vermögen im Sinne von § 12 Abs. 2 SGB II sein können. Verwertbares Vermögen hätte zur Folge, dass Ansprüche zur Sicherung des Lebensunterhalts gemäß SGB II entfielen. Ein durch Testamentsvollstreckung beschränktes Geldvermächtnis muss nicht vorrangig angegriffen werden, wenn hiermit neben den normalen Einnahmen Rücklagen gebildet oder Sonderausgaben (besondere Anschaffungen oder nicht gedecktes Arzthonorar) bestritten werden sollen (LSG Baden-Württemberg 9.10.07, L7AS 3528/07, Abruf-Nr. 083611). |
Sachverhalt
Der alkoholkranke Antragsteller erhielt im Wege einstweiliger Anordnung Leistungen des Antragsgegners (Träger der Grundsicherung für Arbeitsuchende und Sozialhilfe) zur Sicherung des Lebensunterhalts zugesprochen. Die dagegen gerichtete Beschwerde blieb auch mit dem Einwand erfolglos, das Geldvermächtnis müsse der Antragsteller zum Lebensunterhalt einsetzen. Seine Mutter hatte ihm im notariellen Testament durch Vorvermächtnis Geld zugewandt und Testamentsvollstreckung angeordnet. Der Testamentsvollstrecker hatte gemäß Verwaltungsanordnung der Erblasserin dem Sohn nur die jährlichen Reinerträge auszuzahlen und sollte ihm darüber hinaus nach seinem billigen Ermessen für die Lebensführung nur die notwendigen Beträge überlassen.
Entscheidungsgründe/Praxishinweis
Der vermächtnisweise zugewandte Geldbetrag soll nicht dazu dienen, die laufenden Kosten für den Lebensunterhalt zu bestreiten. Wäre es darum gegangen, hätte es nicht des Testaments, des Vermächtnisses und der Anordnung der Testamentsvollstreckung bedurft. Hiermit wollte die Erblasserin eine Verfügung des Sohns über den Vermächtnisgegenstand selbst (Vermächtnissubstanz) verhindern (vgl. z.B. § 2216 Abs. 2 BGB analog).
Das LSG beruft sich auf die BGH-Rechtsprechung zum sog. Behindertentestament, nach der der Erblasser aufgrund seiner Testierfreiheit nicht verpflichtet ist, die Interessen des Bedachten zugunsten des Leistungsträgers zu vernachlässigen (BGH MDR 90, 906). Der Mutter ging es um die berechtigte Fürsorge für ihren alkoholkranken Sohn. Daher hat das LSG das Testament mit der Vermächtnisanordnung zulasten des Grundsicherungsträgers nicht als sittenwidrig (§ 138 BGB) eingestuft. Mit Recht weist das LSG auch darauf hin, dass erbrechtliche Normen fürsorgerische Maßnahmen befürworten, z.B. § 2338 BGB (Pflichtteilsbeschränkung in guter Absicht) und § 2197 ff. BGB (Schutz des Vermögens durch Testamentsvollstreckung).
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