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  • 30.07.2010 | Steuerrecht

    Die 10 häufigsten Steuerfehler im Erbrecht

    von RA Holger Siebert, FA Steuerrecht und Erbrecht, Alsfeld

    Häufig finden erbrechtliche Gestaltungen statt, ohne die hieraus resultierenden steuerlichen Konsequenzen im Auge zu behalten. Dies kommt die Beteiligten oft teuer zu stehen. Die folgende Übersicht zeigt die häufigsten steuerlichen Gestaltungsfehler und ihre Konsequenzen.  

     

    Übersicht: Die 10 häufigsten Steuerfehler im Erbrecht

    Gestaltungs- und Handlungsfehler im Zusammenhang mit dem Berliner Testament: Berliner Testament wird herkömmlicherweise ein gemeinschaftliches Testament von Ehegatten genannt, in dem die Ehegatten sich gegenseitig als Alleinerben und die Kinder als Schlusserben einsetzen. Anders als bei der „Trennungslösung” sind hier, bei der „Einheitslösung”, die Kinder nicht Nacherben des erstversterbenden und Vollerben des überlebenden Ehegatten. Vielmehr sind die Kinder ausschließlich Erben des überlebenden Ehegatten, in dessen Hand sich nach dem Tod des erstversterbenden Ehegatten das gesamte Ehegattenvermögen, mit grundsätzlich unbeschränkter Verfügungsbefugnis unter Lebenden, vereint. Die Kinder sind nach dem Tod des erstversterbenden Ehegatten enterbt, da ihr gesetzliches Erbrecht testamentarisch ausgeschlossen ist.  

     

    • Fehler 1: Nichtausnutzen von Steuerfreibeträgen beim Berliner Testament: Die Steuerfreibeträge in Höhe von 400.000 EUR je Kind (§ 16 Nr. 2 ErbStG) gegenüber dem erstversterbenden Elternteil bleiben bei einer solchen Gestaltung ungenutzt. Deswegen ist das Berliner Testament gerade bei großen Vermögen aus erbschaftsteuerlichen Gesichtspunkten keine ideale Gestaltung.

     

    Darüber hinaus erhöht sich durch die Vereinigung der Vermögen beider Ehegatten die erbschaftsteuerliche Progression im Schlusserbfall.

     

    • Fehler 2: Nichtausschlagung und Doppelbesteuerung: Erbschaftsteuerlich wird das Vermögen des erstversterbenden Ehegatten, da zweimal vererbt, zweimal besteuert. § 27 ErbStG sieht Steuerermäßigungen vor, wenn innerhalb von 10 Jahren dasselbe Vermögen mehrfach an Personen der Steuerklasse I fällt. Dies mildert den Nachteil der grundsätzlich doppelten Besteuerung nur marginal.

     

    § 15 Abs. 3 ErbStG betrachtet beim Berliner Testament, soweit der überlebende Ehegatte an seine Verfügung von Todes wegen gebunden ist, die Schlusserben als Erben des erstversterbenden Elternteils. Voraussetzung ist, dass die Schlusserben mit diesem näher verwandt sind als mit dem letztversterbenden. Diese Vorschrift greift bei der Einsetzung gemeinschaftlicher Kinder als Schlusserben nicht ein. Tritt im Fall des Berliner Testaments der Erbfall bei hoch betagten Eheleuten ein, wird häufig die Möglichkeit außer Acht gelassen, dass der überlebende Ehegatte ausschlägt, um die gemeinsamen Kinder unmittelbar zur Erbfolge gelangen zu lassen. Folge: Das Vermögen des erstversterbenden Ehegatten muss möglicherweise innerhalb kürzester Zeit erneut versteuert werden. Ein Anwalt verletzt die ihm obliegende Beratungspflicht, wenn er seinen Mandanten nicht über die Möglichkeit der Erbausschlagung und der damit verbundenen steuerlichen Vorteile belehrt und deshalb wegen des hohen Alters des Mandanten innerhalb kurzer Zeit sowohl vom Mandanten als auch seinen Kindern Erbschaftsteuer entrichtet werden muss (vgl. LG Köln NJW 81, 351).

     

    • Fehler 3: Nichtgeltendmachung von Pflichtteilsansprüchen beim Berliner Testament: Der Verlust der steuerlichen Freibeträge der Kinder beim Berliner Testament beim Tod des erstversterbenden Ehegatten, kann u.U. dadurch geschmälert werden, dass die Kinder ihren Pflichtteil auf den Tod des Erstversterbenden geltend machen. Sind die Kinder im Rahmen der Trennungslösung zu Nacherben eingesetzt, darf nicht versäumt werden, vor der Geltendmachung von Pflichtteilsansprüchen gemäß § 2306 BGB die Ausschlagung rechtzeitig zu erklären. Ein Anwalt verletzt seine Verpflichtungen aus dem Anwaltsvertrag, wenn er seinen Mandanten nicht hinreichend darüber aufklärt, dass der Nacherbe gem. § 2306 Pflichtteilsansprüche erst nach Ausschlagung der Erbschaft geltend machen kann (OLG Karlsruhe „Die Justiz“ 88, 21).

     

    • Fehler 4: Vermächtnis-Jastrowsche Klausel: Wurde ein Vermächtnis ausgesetzt, welches aber erst beim Tod des Beschwerten fällig wird, ist dieses erbschaftsteuerlich den Nacherbschaften gleichgestellt, § 6 Abs. 4 ErbStG. Das bedeutet, dass die Schlusserben das Vermächtnis als Erwerb vom überlebenden Ehegatten versteuern müssen. Infolgedessen ist weder beim Tod des erstversterbenden Ehegatten noch beim Tod des letztversterbenden Ehegatten eine Vermächtnislast gegeben, die als Nachlassverbindlichkeit gemäß § 10 Abs. 5 Nr. 2 ErbStG abgezogen werden kann (R 13 ErbStR). Das Gleiche gilt für eine Jastrowsche Klausel (R 13 S. 5 ErbStR).

     

    Fehler im Zusammenhang mit dem Familienheim: Erwirbt ein Ehegatte von Todes wegen (z.B. durch Erbfall oder durch Vermächtnis) ein Familienheim, bleibt dieser Erwerb nach § 13 Abs. 1 Nr. 4b ErbStG steuerfrei. Der Erblasser (Ehegatte bzw. eingetragener Lebenspartner) muss die Wohnung zu eigenen Wohnzwecken genutzt haben bzw. war aus zwingenden Gründen an einer Selbstnutzung gehindert. Des Weiteren muss die Wohnung beim Erwerber (überlebender Ehegatte oder eingetragener Lebenspartner) unverzüglich nach dem Erwerb zur Selbstnutzung zu eigenen Wohnzwecken bestimmt sein.  

     

    Erwirbt ein Kind von Todes wegen (z.B. durch Erbfall oder durch Vermächtnis) ein Familienheim, bleibt dieser Erwerb nach § 13 Abs. 1 Nr. 4c ErbStG steuerfrei. Auch hier muss der Erblasser die Wohnung zu eigenen Wohnzwecken genutzt haben und der Erwerber muss sie unverzüglich nach dem Erwerb zu eigenen Wohnzwecken nutzen.  

     

    • Fehler 5: Unkontrollierte Übergaben des Familienheims nach dem Tod des erstversterbenden Ehegatten: Es kommt häufig vor, dass der überlebende Ehegatte nach dem Tod des zuerst versterbenden Teils das Familienheim an Kinder übergibt, meist unter Vorbehalt eines Wohnungsrechts oder eines Nießbrauchs. Auch Kaufverträge über das Familienheim, meist mit Angehörigen, kommen vor, regelmäßig mit Abschluss eines unkündbaren Mietvertrags mit dem Übergeber. Derartige Gestaltungen sind mit besonderer Vorsicht zu handhaben. Der Gesetzestext lässt zwar nicht darauf schließen, dass das Familienheim während der Behaltensfrist im Eigentum des überlebenden Ehegatten verbleiben muss. Gleichwohl verlangt Abschn. 4 Abs. 6 S. 2 Anwendungserlass zu den geänderten Vorschriften des ErbStG (AEErbSt) vom 25.6.09 (BStBl I, 713) die Selbstnutzung der Wohnung als Eigentümer. Das Familienheim muss also Gebrauchsvermögen der Familie bleiben. Wird das Familienheim innerhalb der Behaltensfrist des § 13 Abs. 1 Nr. 4b ErbStG übertragen, entfällt somit die Begünstigung in vollem Umfang. Das Familienheim ist also nachzuversteuern.

     

    Eine Veräußerung des Familienheims innerhalb der Behaltensfrist sollte somit vermieden werden, auch an Kinder und selbst dann, wenn die Immobilie weiterhin vom Veräußerer bewohnt wird, sei es auf Grund Mietvertrags, Wohnungsrechts oder Nießbrauchs. Bei allen Übergabeverträgen wird vorsorglich zu prüfen sein, ob es sich um das Familienheim handelt und dieses innerhalb von 10 Jahren von Todes wegen erworben wurde.

     

    • Fehler 6: Nießbrauch und Wohnungsrecht können die Steuerbefreiung verhindern: In der Praxis sind erbrechtliche Gestaltungen häufig, in denen sich Ehegatten zwar gegenseitig zu Erben einsetzen, aber der längerlebende Ehegatte durch Vermächtnis verpflichtet wird, das Familienheim an Abkömmlinge zu übergeben, oft unter Nießbrauchs- bzw. Wohnrechtsvorbehalt für den längerlebenden Ehegatten. Ist der überlebende Ehegatte aufgrund letztwilliger Verfügung (Vermächtnis, Auflage, Teilungsanordnung) verpflichtet, das Familienheim an Abkömmlinge zu übergeben, sind die Vorschriften über den Begünstigungstransfer in § 13 Abs. 1 Nr. 4b ErbStG anzuwenden. Die Steuerbefreiung steht nicht mehr dem längerlebenden Ehegatten zu, sondern dem Abkömmling, sofern die Voraussetzungen (Selbstbezug auf die Dauer von 10 Jahren) vorliegen. Die Wohnflächenbegrenzungen des § 13 Abs. 1 Nr. 4c ErbStG können allenfalls zu einer Einschränkung der Steuerbefreiung führen. Die Begünstigung des Ehegatten wie auch des Kindes entfällt jedoch, wenn die Nutzung dem längerlebenden Elternteil durch Wohnungsrecht, Nießbrauch oder Mietvertrag vorbehalten bleibt.

     

    Gestaltungsfehler in Zusammenhang mit Gesellschaftsverträgen: Scheidet ein Gesellschafter aus und erhält er eine Abfindung, die unter dem Verkehrswert seiner Beteiligung liegt, oder erhält er sogar überhaupt keine Abfindung, entsteht eine vermögensmäßige Bereicherung der verbleibenden Gesellschafter. Diese Bereicherung wurde bereits nach altem Recht erbschaftsteuerlich erfasst, indem das Gesetz in § 3 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG (Ausscheiden eines Gesellschafters durch Tod) bzw. in § 7 Abs. 7 ErbStG (Ausscheiden eines Gesellschafters unter Lebenden) einen Erbschaftsteuertatbestand fingierte. Diese Regelung hatte bisher in der Praxis keine große Bedeutung, da eine Steuerpflicht nur anzunehmen war, wenn der Abfindungsbetrag unter dem steuerlichen Wert der Beteiligung lag. Da aus zivilrechtlichen Gründen die zu zahlende Abfindung zumeist über den niedrigen Steuerwerten lag, ergab sich für die verbleibenden Gesellschafter keine Erbschaftsteuerpflicht.  

     

    Dies ändert sich jetzt mit der Anhebung der steuerlichen Bewertung der Gesellschaftsanteile auf die Verkehrswerte.  

     

    • Fehler 7: Fehlende Koordination bei qualifizierter Nachfolgeklausel: Bei den Nachfolgeklauseln ist wie folgt zu differenzieren:

     

    • Bei der eingeschränkten Nachfolgeklausel ist vorgesehen, dass nur testamentarisch vorgesehene Erben Gesellschafter werden.
    • Die qualifizierte Nachfolgeklausel sieht vor, dass nur einer oder mehrere der Erben in den Gesellschaftsanteil nachfolgen können (vgl. Dittmann/Reimann/Bengel, Testament und Erbvertrag, 3. Aufl., Syst. Teil E, Rn. 133).

     

    Versäumt es der Gesellschafter, die erbrechtliche Verfügung mit dem gesellschaftsrechtlichen Faktum abzustimmen, kann die gesamte Nachfolgeregelung scheitern.

     

    Beispiel: Gemäß der Nachfolgeklausel im Gesellschaftsvertrag sind nur die Abkömmlinge A 1 bis A 3 nachfolgeberechtigt, laut Testament wird aber die Ehefrau E Alleinerbin. In einem solchen Fall kann E nicht in die Gesellschafterstellung des Erblassers einrücken. Sie erbt nur Abfindungsansprüche, die in der Höhe meist unter dem Verkehrswert festgelegt sind.
    Gehören die verbleibenden Gesellschafter im Verhältnis zum Ausscheidenden nicht zur Familie im engen Sinne des § 15 Abs. 1 ErbStG, stehen ihnen wegen der Zuordnung zur Steuerklasse II und III nur geringe Freibeträge (20.000 EUR, § 16 Abs. 1 Nrn. 5, 7 ErbStG) zu. Ferner kommt es bei einer verbleibenden Bereicherung bis einschließlich 6.000.000 EUR zur Anwendung eines Steuersatzes von 30 %. Bei darüber hinausgehenden Bereicherungen gilt sogar ein Steuersatz in Höhe von 50 %.

     

    Ohne eine abweichende Regelung müssen im Innenverhältnis - im Außenverhältnis sind alle Gesamtschuldner - die Beschenkten, hier die verbleibenden Gesellschafter, die Steuer tragen (s. hierzu auch Jülicher, ZErb 08, 346, 348 f.). Die verbleibenden Gesellschafter werden mithin zwar nicht mit einem dem Verkehrswert entsprechenden Abfindungsanspruch aber gleichwohl - wenn auch betragsmäßig zwangsläufig geringer - mit Schenkungsteuer belastet.

     

    • Fehler 8: Wegfall von Sonderbetriebsvermögen: Zum Sonderbetriebsvermögen gehört ein Wirtschaftsgut, das ein Mitunternehmer der Personengesellschaft für deren Betrieb überlässt (SBV I), § 15 Abs. 1 Nr. 2 S. 1 2. HS. EStG.

     

    • Zivilrechtlich gehört es allein dem Gesellschafter und fällt nicht in das Gesamthandsvermögen der Personengesellschaft.

     

    • Ertragsteuerlich wird das Sonderbetriebsvermögen als Betriebsvermögen und nicht als Privatvermögen behandelt. Kommt es durch einen Erbfall zu einem Auseinanderfallen der Inhaberschaft am Mitunternehmeranteil und des Eigentums am Sonderbetriebsvermögen, werden stille Reserven aufgedeckt und sind als Entnahmegewinn des Erblassers zu versteuern.

     

    Fällt etwa das Sonderbetriebsvermögen an eine Erbengemeinschaft, an der neben dem qualifizierten Nachfolger weitere Nichtgesellschafter-Erben beteiligt sind, wird das Sonderbetriebsvermögen in Höhe der Anteilsquote der Nichtgesellschafter an der Erbengemeinschaft zu steuerlichem Privatvermögen mit der Folge, dass ein Entnahmegewinn entsteht und eine Gewinnrealisierung erfolgt.

     

    • Fehler 9: Wegfall einer Betriebsaufspaltung: Eine Betriebsaufspaltung ist ein steuerliches Konstrukt (oder auch Rechtsinstitut), bei dem ein wirtschaftlich gesehen einheitliches Unternehmen in zwei oder mehrere rechtlich selbstständige Einheiten unterteilt (“aufgespalten”) wird, wobei jedoch die beteiligten rechtlich selbstständigen Einheiten personell und wirtschaftlich aneinandergebunden bleiben (BFH BStBl II 72, 63).

     

    Entfallen durch Erbfall die persönlichen Verflechtungen zwischen Betriebsgesellschaft und Besitzunternehmen führt dies ertragsteuerlich zu einer Betriebsaufgabe mit der Konsequenz, dass sämtliche stille Reserven aufzudecken und als Aufgabegewinn zu versteuern sind.

     

    Fehler im Zusammenhang mit der Auseinandersetzung einer Erbengemeinschaft: Unter Erbauseinandersetzung versteht man die Abwicklung einer Erbschaft, insbesondere Verteilung des Nachlasses, vor allem unter Miterben einschließlich der Erfüllung von Vermächtnissen, Pflichtteils- und Erbersatzansprüchen.  

     

    • Fehler 10: Teilung und Spitzenwertausgleich bei Betriebsvermögen: Wird im Rahmen einer Erbauseinandersetzung ein Nachlass real geteilt und erhält ein Miterbe wertmäßig mehr, als ihm nach seiner Erbquote zusteht, und zahlt er für dieses „Mehr” an seine Miterben einen Spitzen- oder Wertausgleich (Abfindung), liegt insoweit ein Anschaffungs- und Veräußerungsgeschäft vor. In Höhe der Abfindungszahlung liegen Anschaffungskosten vor. Derjenige, der die Abfindung erhält, erzielt einen Veräußerungserlös. Werden die bei der Aufteilung erworbenen Wirtschaftsgüter in ein anderes Betriebsvermögen der Miterben übertragen, ist der sich aus dem Veräußerungsgeschäft ergebende Veräußerungsgewinn nicht nach §§ 16 und 34 EStG begünstigt, sondern als laufender Gewinn zu besteuern.

     

     

     

    Quelle: Ausgabe 08 / 2010 | Seite 135 | ID 137497