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  • 04.10.2010 | Steuerrecht

    So wird der Vorbehaltsnießbrauch besteuert

    von RA Holger Siebert, FA Steuerrecht und Erbrecht, Alsfeld

    Bei der Vermögensübertragung im Wege vorweggenommener Erbfolge ist der vorbehaltene Nießbrauch durch den Schenker ein beliebtes Gestaltungsinstrument, dessen Attraktivität sich durch die Erbschaftsteuerreform noch erhöht hat (Aufhebung § 25 ErbStG). Dazu im Einzelnen:  

    Bedeutung für die Besteuerungspraxis

    Der Vorbehaltsnießbrauch ist die in der Besteuerungspraxis wohl am häufigsten anzutreffende Nießbrauchsform. In der Regel handelt es sich um vorweggenommene Erbregelungen, im Rahmen derer sich der Übertragende ein Nießbrauchsrecht am übertragenen Grundstück vorbehält und damit weiterhin nutzungsberechtigt bleibt. Bei einem Vorbehaltsnießbrauch erhält der Erwerber wirtschaftlich gesehen nur das von vornherein mit dem Nießbrauchsrecht belastete Grundstück. Dies gilt auch, wenn der Übertragungsvertrag vorsieht, dass das Recht dem Veräußerer vom Erwerber eingeräumt wird. Die Bestellung des Nießbrauchs ist keine Gegenleistung des Erwerbers (BMF 24.7.98 BStBl 98 I, 914 Rn. 40; der kapitalisierte Nießbrauch stellt eine grunderwerbsteuerliche Gegenleistung dar [gleichlautende Ländererlasse vom 29.1.09, FinMin Baden-Württemberg, 3 - S 450.0/73]).  

     

    Einem Vorbehaltsnießbraucher ist ein Schenker gleichzustellen, der mit dem Beschenkten im Voraus eine klare und eindeutige Schenkungsabrede über den Erwerb eines bestimmten Grundstücks und die Bestellung eines Nießbrauchsrechts an diesem Grundstück trifft (BFH BStBl 92 II, 67). Gleiches gilt für einen vorläufigen Erben, der die Erbschaft mit der Maßgabe ausgeschlagen hat, dass ihm ein Nießbrauchsrecht an den zum Nachlass gehörenden Gegenständen eingeräumt wird (BFH BStBl 98 II, 431).  

    Erbschaftsteuer

    Die Zuwendung eines Nießbrauchs von Todes wegen unterliegt der Erbschaftsteuer, § 3 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG. Der Steuerpflichtige hat dabei das Wahlrecht, entweder einmalig nach dem Kapitalwert des Nießbrauchs oder jährlich wiederkehrend nach dem Jahreswert des Nießbrauchs die Erbschaftsteuer zu entrichten, § 23 Abs. 1 ErbStG.  

     

    • Versteuerung nach dem Jahreswert: Nach § 23 Abs. 2 ErbStG kann die Jahressteuer zum nächsten Fälligkeitstermin mit ihrem Kapitalwert abgelöst werden. Vorteil: Die jährlichen Steuerbeträge sind einkommensteuerlich als dauernde Lasten abzugsfähig (Kapp, ErbStB, 10. Aufl., § 23 Anm. 26?ff.). Nachteil: Ungünstig ist die Ungewissheit der tatsächlichen Lebensdauer des Nießbrauchers. Die Bewertung des Nießbrauchs für die Erbschaftsteuer richtet sich nach §§ 13?ff. BewG jeweils nach der Art des belasteten Gegenstands. Übersteigt dabei der errechnete Jahreswert des Nießbrauchs 1/18 des Steuerwerts (zzgl. eines Aufschlags von 140 Prozent gem. § 121a BewG bei Grundstücken) des nießbrauchsbelasteten Gegenstands, ist der Jahreswert auf diesen Betrag begrenzt. Dieser Jahreswert multipliziert mit den aus den §§ 13, 14 BewG zu entnehmenden Vervielfältigern ergibt den Kapitalwert des Nießbrauchs. Der Steuersatz ergibt sich aus § 19 ErbStG, wobei die Freibeträge gem. § 16 ErbStG zu berücksichtigen sind.

     

    • Demgegenüber ist der Vorbehaltsnießbrauch keine Gegenleistung, sondern als bereicherungsmindernder Faktor mit seinem nach §§ 13 bis 16 ErbStG zu ermittelnden Kapitalwert vom Steuerwert des Zuwendungsgegenstands abzuziehen.

     

    Altregelung (§ 25 ErbStG a.F.)

    § 25 ErbStG a.F. sah ein Abzugsverbot für bestimmte wiederkehrende Leistungen vor, wenn bei Erwerben von Todes wegen der Ehegatte des Erblassers anspruchsberechtigt war und bei Schenkungen der Schenker und/oder dessen Ehegatte. Dieses Abzugsverbot galt bei wiederkehrenden Nutzungen (z.B. Nießbrauch, Wohnrecht) und bei Erwerben von Todes wegen zusätzlich auch bei Renten- oder Versorgungsleistungen.  

     

    Wegfall § 25 ErbStG a.F.

    Durch den Wegfall des § 25 ErbStG kann nun die Nießbrauchslast mit ihrem Kapitalwert zum Zweck der Erbschaftbesteuerung vom Wert der Zuwendung abgezogen werden. Dagegen konnte nach altem Recht lediglich die auf den Kapitalwert des Nießbrauchs entfallende Steuer zinslos gestundet und mit einem Barwert abgelöst werden, § 25 ErbStG a.F. Da die Möglichkeit des Abzugs des Kapitalwerts des Nießbrauchs - insbesondere für junge Schenker - zu einer nicht unerheblichen Steuerentlastung nach neuem Recht führen wird, ist damit zu rechnen, dass in Zukunft vermehrt Gegenstände unter Nießbrauchsvorbehalt auf die nächste Generation übertragen werden. Dies gilt insbesondere auch für Übertragungen von Betriebsvermögen, zumal der einkommensteuerliche Vorteil der Übertragung zu Lebzeiten gegen Versorgungsleistungen (Renten und dauernde Lasten) eingeschränkt worden ist, § 10 Abs. 1 Nr. 1a EStG.  

     

    Bewertung

    Der bisherigen Anlage 9 zu § 14 BewG a.F. lag die allgemeine Sterbetafel für die Bundesrepublik Deutschland 1986/88 zugrunde. Seitdem hat die Lebenserwartung deutlich zugenommen, wie die vom Statistischen Bundesamt jährlich herausgegebenen Sterbetafeln belegen. Das führt dazu, dass sowohl Ansprüche als auch Lasten aus Nutzungen und Leistungen auf Lebenszeit bei einer Bewertung nach § 14 Abs. 1 BewG unangemessen niedrig bewertet werden (Begründung RegE, BT-Drucksache 16/7918, 39). Der neue § 14 BewG nimmt nun Bezug auf die jeweils aktuelle Sterbetafel des Statistischen Bundesamts. Das BMF wird ermächtigt, die sich aus der jeweils aktuellen Sterbetafel ergebenden Vervielfältiger für den Kapitalwert einer lebenslänglichen Nutzung oder Leistung nach Lebensalter und Geschlecht in einer Tabelle zu veröffentlichen. Dabei soll unverändert von einem Zinssatz von 5,5 Prozent und dem Mittelwert zwischen dem Kapitalwert für jährlich vorschüssige und jährlich nachschüssige Zahlungsweise ausgegangen werden. Die ab dem 1.1.09 anzuwendende Tabelle wurde mit Schreiben des BMF vom 20.1.09 als Anlage zu § 14 Abs. 1 BewG bekannt gegeben (BStBl I 09, 271).  

     

    Von der Reform nicht betroffen ist § 16 BewG, mit welcher der Jahreswert von Nutzungen auf den 18,6-Teil (5,37 Prozent) des nach den Vorschriften des Bewertungsrechts ermittelten Steuerwerts begrenzt wird. Infolge der Anhebung der Steuerwerte durch ihre Ermittlung anhand der Verkehrswerte tritt nun aber eine Erhöhung dieser „Deckelung“ ein.  

     

    Beispiel nach Gemmer (EE 09, 109)

    Vater V beabsichtigt ein vermietetes Mehrfamilienhaus seinem Sohn S im Wege der vorweggenommenen Erbfolge zu übertragen. Das Objekt erwirtschaftet einen jährlichen Überschuss über den Werbungskosten von 56.000 EUR. V möchte auf diese Einnahmen bis zu seinem Tod nicht verzichten. Zum Zeitpunkt der vorgesehenen Übertragung ist V 56 Jahre alt. Die Beteiligten wollen wissen, ob es unter schenkungsteuerlichen Gesichtspunkten empfehlenswert ist, das Haus unter Nießbrauchsvorbehalt auf S zu übertragen. Der Verkehrswert des Objekts beträgt 1.150.000 EUR.  

     

    Lösung: Unter schenkungsteuerlichen Gesichtspunkten ist eine Übertragung des Hauses unter Nießbrauchsvorbehalt sinnvoll:  

     

     

     

    Mit Nießbrauch  

    Ohne Nießbrauch  

    Verkehrswert des Grundstücks abzüglich Abschlag 10 % (§ 13c ErbStG)  

     

    1.150.000 EUR  

    ./. 115.000 EUR  

    1.035.000 EUR  

    1.150.000 EUR  

    ./. 115.000 EUR  

    1.035.000 EUR  

    Ermittlung Nießbrauchswert  

     

     

     

    Kapitalwert im Jahresbetrag von 1 EUR (Schenker 56 Jahre)  

    13,508  

     

     

    Durchschnittlicher Jahreswert  

    56.000 EUR  

     

     

    Maximaler Jahreswert (18,6tel von 1.150.000 EUR (§ 16 BewG)  

    61.828  

     

     

    Tatsächlicher Wert des Nießbrauchs  

    756.448 EUR  

    ./. 756.448 EUR  

     

    ./. persönlicher Freibetrag‚ (§ 16 Abs.1 Nr. 2 ErbStG)  

     

     

    ./. 400.000 EUR  

     

    ./. 400.000 EUR  

    Steuerpflichtiger Erwerb  

     

    0 EUR  

    635.000 EUR  

    Schenkungsteuer 19 % (§ 19 Abs. 1 ErbStG)  

     

    0 EUR  

    120.650 EUR  

     

     

    Erlöschen des Nießbrauchs

    Erlischt der Nießbrauch mit dem Tod des Berechtigten, führt dies weder nach altem noch nach neuem Recht zu einem weiteren Steuertatbestand (Zimmermann, BeraterBrief Erben und Vermögen [BBEV] 08, 56, 60). Anders stellt sich dies beim Verzicht insbesondere bei Fällen des Nießbrauchs dar. Die sich nach altem Recht durch die Nichtabzugsfähigkeit der Nießbrauchlast nach § 25 Abs. 1 ErbStG a.F. und dem späteren Verzicht an sich ergebende Doppelbelastung beseitigte die Rechtsprechung nach früherem Recht durch einen Abzug des ursprünglich unberücksichtigt gebliebenen Kapitalwerts der Belastung vom Kapitalwert zum Zeitpunkt des Verzichts (BFH ZEV 04, 211; so auch die Finanzverwaltung, H 85 Abs. 4 ErbStR). In aller Regel ergab sich durch einen späteren Verzicht keine weitere Steuerlast, da der Kapitalwert der Nutzungslast zum Zeitpunkt des Verzichts meist niedriger war als derjenige zum Zeitpunkt der Übertragung (Zimmermann, BBEV 08, 56, 60; Moench, ZEV 08, 227, 228). Zur Festsetzung einer Steuer kam es nur, wenn der aufgrund des gestiegenen Lebensalters des Schenkers geringere Faktor für die Kapitalisierung durch eine andere Entwicklung, wie z.B. dadurch, dass das Objekt deutlich höhere Erträge erbrachte, überkompensiert wurde (Moench, a.a.O.). Nach neuem Recht mit seinen höheren Steuerwerten ist es unter Berücksichtigung der Begrenzungsregelung des § 16 BewG und der Benutzung erhöhter Vervielfältiger auf Grundlage der nun jeweils anzuwendenden aktuellen Sterbetafeln allerdings nicht unwahrscheinlich, dass der Kapitalwert zum Zeitpunkt des Verzichts höher ist als zu dem der ursprünglichen Übertragung, sodass es zu einer Besteuerung kommen kann (Zimmermann, a.a.O.). Der Kapitalwert des Nießbrauchs zur Zeit der Schenkung wird vom Kapitalwert des Nießbrauchs im Zeitpunkt des Verzichts abgezogen. Ergibt sich ein positiver Wert, ist dieser Bemessungsgrundlage für eine weitere Besteuerung.  

     

    Übertragung von Betriebsvermögen unter Nießbrauchsvorbehalt

    Die Übertragung von Betriebsvermögen unter Nießbrauchsvorbehalt ist in der Praxis weit verbreitet. Bei der Erbschaft- und Schenkungsteuer geht es dabei häufig um die Frage, ob der Erwerber Mitunternehmer geworden ist. Denn nur dann kann der Erwerber die Vergünstigungen des § 13a ErbStG in Anspruch nehmen. Der BFH geht in ständiger Rechtsprechung davon aus, dass die steuerlichen Verschonungen für Betriebsvermögen nur gewährt werden können, wenn sowohl der Veräußerer als auch der Erwerber durchgehend Mitunternehmer waren (BFH ZEV 09, 149 mit Anm. Götz, DStR 09, 321). Die Finanzverwaltung folgt dieser Auffassung (H 51 (1) Abs. 2 a.E. ErbStR 03 unter Hinweis auf BFH BStBl II 95, 241), wenngleich die Erlasse zum neuen ErbStRG zu dieser Frage keine ausdrückliche Stellungnahme enthalten (vgl. Abschn. 20 Abs. 3 AEErbSt).  

     

    In der Praxis scheitert die steuerliche Verschonung des Erwerbs von Betriebsvermögen trotz dieser an sich klaren Vorgaben gleichwohl immer wieder an der fehlenden Mitunternehmerstellung des Erwerbers (statt vieler Jülicher, in: Troll/Gebel/Jülicher, ErbStG, 2010, § 13b Rn. 142 m.w.N.). Die Veräußerer behalten sich typischerweise „zu viel” vom überlassenen Mitunternehmeranteil vor, sodass der Erwerber nicht über die für einen Mitunternehmer charakteristische Mitunternehmerinitiative bzw. das entsprechende Mitunternehmerrisiko verfügt (s. nur Wacker, in: Schmidt, EStG, 29. Aufl., § 15 Rn. 250 ff.).  

     

    In seiner aktuellen Entscheidung vom 23.2.10 hat der BFH diese Handhabung erneut bestätigt (ZEV 10, 320). Die Besonderheit des vorliegenden Falls bestand darin, dass der Erwerber bereits vor der Anteilsschenkung Mitunternehmer der Gesellschaft war.  

     

    Steuerrechtlich stelle sich in diesem Fall die Frage, ob die bereits vor der Schenkung bestehende Mitunternehmerstellung den neu erworbenen Mitunternehmeranteil derart prägt, dass der Erwerber insgesamt als Mitunternehmer anzusehen ist, obwohl der geschenkte Anteil für sich genommen keine Mitunternehmerstellung vermittelt. Der BFH hat dies nun verneint, da die Mitunternehmerstellung des Erwerbers gerade durch den erworbenen Anteil begründet werden muss (offen gelassen noch von BFH ZEV 08, 611).  

    Ertragsteuerliche Behandlung des Nießbrauchs

    Das zentrale Problem im Bereich des Einkommensteuerrechts ist die Frage, wem die Einkünfte aus dem nießbrauchsbelasteten Vermögen persönlich zuzurechnen sind:  

     

    Ist der Nießbraucher aufgrund der ihm bei Bestellung des Nießbrauchs vorbehaltenen Rechte in der Lage, den (neuen) Eigentümer von der Verfügung über den Gegenstand des Nießbrauchs auszuschließen, bleibt er wirtschaftlicher Eigentümer desselben, § 39 Abs. 2 Nr. 1 AO. Schon deshalb wären ihm daher Erträge und Aufwendungen zuzurechnen. So bleibt der Nießbraucher z.B. wirtschaftlicher Eigentümer, wenn er den Nießbrauchsgegenstand unter jederzeit ausübbarem freiem Widerrufsvorbehalt auf den jetzigen (rechtlichen) Eigentümer und Nießbrauchbesteller übertragen hat (BFH BStBl II, 89, 877).  

     

    Gezielte Vorbehalte für besondere Zwecke führen dagegen nicht zur Begründung wirtschaftlichen Eigentums (BFH BStBl II, 95, 241, 246; vgl. auch BFH DStR 99, 372). Sonst muss, um die Einkünfte dem Nießbraucher zuzurechnen, dessen Rechtsstellung es ihm gestatten, die Tatbestandsmerkmale zu verwirklichen, die für die jeweils betroffene Einkunftsart charakteristisch sind. Darüber hinaus ist es erforderlich, dass er seine Rechtsstellung auch tatsächlich in dieser Weise nutzt, um Einkünfte zu erzielen (BFH BStBl II 80, 432; BMF BStBl I, 98, 914 Rn. 1).  

     

    Fazit: Es ist somit jede Einkunftsart für sich daraufhin zu betrachten, ob der Nießbraucher die notwendigen Voraussetzungen erfüllt. Wird der Vertrag mit Familienangehörigen geschlossen, muss er zivilrechtlich wirksam sein und nach außen erkennbar durchgeführt werden (sog. Klarheitsgebot). Wichtig ist in diesen Fällen, dass sich äußerlich tatsächlich auch etwas ändert und nicht alles beim Alten bleibt.  

    Grunderwerbsteuer

    Zu beachten ist jedoch, dass die Aufhebung des § 25 ErbStG a.F. grunderwerbsteuerliche Folgen hat. Auf den Kapitalwert des Nießbrauches fällt bei der Übertragung von Grundbesitz Grunderwerbsteuer an, soweit nicht die persönlichen Befreiungen (§ 3 Nr. 4 und Nr. 6 GrEStG) eingreifen, wie etwa bei Übertragungen zwischen Verwandten in gerader Linie oder Ehegatten.  

     

    Quelle: Ausgabe 10 / 2010 | Seite 176 | ID 139012