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  • 01.11.2005 | Testament

    Anforderungen an den Testierwillen

    von Ri Andreas Möller, Bochum

    In der Praxis kommt es häufig vor, dass Erblasser mehrfach testieren und dabei die Erbeinsetzung neu regeln. Fraglich ist dabei, welche Verfügung von Todes wegen wirksam ist. Der Beitrag zeigt die Problematik anhand eines Falls des BayObLG auf.  

     

    Der Fall des BayObLG 2.8.04, 1 Z BR 56/04

    Leitsatz: Prüfung des Testierwillens bei eigenhändiger geschriebener und unterschriebener Erklärung und erfolglose Anfechtung eines Testaments wegen unberücksichtigt gebliebener Beisetzungswünsche (BayObLG 2.8.04, 1 Z BR 56/04, n.v., Abruf-Nr. 053007). 

     

    Sachverhalt: Die Erblasserin hatte 1981 ein eigenhändiges Testament errichtet, in dem sie ihren Ehemann zum Alleinerben einsetzte und weitere Verfügungen traf. Sie hatte auch die Beteiligten zu 1, 4, 5, 6 und 7 bedacht. Für die Zeit nach dem Tod ihres Ehemanns ordnete sie u.a. an, dass die nach Erfüllung der anderen Verfügungen verbleibenden Sach- und Vermögenswerte der Beteiligte zu 4 zu 2/5 und der Beteiligte zu 5 zu 3/5 erhalten sollte.  

     

    Nach dem Tod ihres Ehemanns verfasste sie 1992 ein eigenhändig geschriebenes und unterschriebenes Schriftstück, in dem sie anordnete, dass ihre Urnen-Beisetzung im Grab ihres Mannes erfolgen solle. Die Beteiligten zu 2 und 3 sollten das Grab pflegen und das Vermögen erhalten. Die Beteiligten zu 4 und 5 sind dem mit der Begründung entgegengetreten, bei dem Testament von 1992 handele es sich nicht um ein rechtswairksames Testament. Das Nachlassgericht holte darauf hin das Gutachten eines Schriftsachverständigen ein und kündigte anschließend an, einen Erbschein zu erteilen, der die Beteiligten zu 2 und 3 zu je ½ als Erben ausweist. Dagegen legte der Beteiligte zu 5 Beschwerde ein. Nach Zurückweisung der Beschwerde durch das LG erließ das Nachlassgericht den angekündigten Erbschein. Hiergegen legte der Beteiligte zu 5 erfolglos weitere Beschwerde ein.  

     

    Entscheidungsgründe: Das Testament aus dem Jahr 1992 ist formgültig errichtet und echt. Die Feststellungen des LG sind insoweit für das Gericht der weiteren Beschwerde bindend, da sie rechtsfehlerfrei getroffen wurden, § 27 Abs. 1 S. 2 FGG, § 559 Abs. 2 ZPO. Das LG hat insbesondere den maßgeblichen Sachverhalt ausreichend erforscht, § 12 FGG, § 2358, Abs. 1 BGB. Denn es ist den Zweifeln über die Echtheit des Testaments durch Einholung eines Gutachtens eines Schriftsachverständigen nachgegangen und hat sich diesem Gutachten nachvollziehbar angeschlossen.  

     

    Das Testament vom September 1992 entspricht auch den Formerfordernissen des § 2247 BGB. Denn § 2247 Abs. 2 BGB, nach der der Erblasser angeben soll, zu welcher Zeit (Tag, Monat und Jahr) und an welchem Orte er sie niedergeschrieben hat, ist eine reine Sollvorschrift. Fehlende Angaben berühren die Gültigkeit des Testaments nicht (Palandt/Edenhofer, BGB, 64. Aufl., § 2247, Rn. 17).  

     

    Die Erblasserin hat auch mit dem erforderlichen ernstlichen Testierwillen verfügt. Eine schriftlich niedergelegte Erklärung des Erblassers kann nur als letztwillige Verfügung gelten, wenn sie auf einem ernstlichen Testierwillen beruht. Dies gilt selbst, wenn die Erklärung den formalen Anforderungen des § 2247 BGB genügt. Entscheidend ist, dass sich aus dem Schriftstück der Wille der Erblasserin ergibt, die Folgen ihres Todes ernsthaft und endgültig zu regeln (BayOblG FamRZ 99, 534). Dieser Wille ist aus dem Testament von 1992 ersichtlich. Allein das Fehlen einer ausdrücklichen Bezeichnung als „Testament“, „Mein letzter Wille“ oder eines ähnlichen Ausdrucks ist unschädlich. Dasselbe gilt für den Umstand, dass dieses Testament wesentlich kürzer ist als das Testament aus dem Jahr 1981. Auch dies rechtfertigt keine Zweifel an der Ernstlichkeit der Verfügung.  

     

    Auch die Verwendung des Begriffs „unser Vermögen“ in der Verfügung kann plausibel damit erklärt werden, dass die bei Abfassung des Testaments erst seit weinigen Wochen verwitwete Erblasserin damit sowohl ihr eigenes als auch das vom Ehemann ererbte Vermögen gemeint hat.  

     

    Ferner greift auch die Anfechtung der im Testament von 1992 erfolgten Erbeinsetzung der Beteiligten zu 2 und 3 durch die anfechtungsberechtigten Beteiligten zu 4 und 5 nicht durch, § 2078 Abs. 2, § 2080 Abs. 1, § 2081 Abs. 1, § 2082 Abs. 1und 2 BGB.  

     

    Erforderlich für eine erfolgreiche Anfechtung gemäß § 2078 Abs. 2 BGB ist, dass der Erblasser zu der Verfügung durch die irrige Annahme oder Erwartung des Eintritts oder Nichteintritts eines Umstands bestimmt worden ist. Diese Umstände müssen der bewegende Grund für den letzten Willen gewesen sein. Das heißt, diese Umstände hätten den Erblasser mit Sicherheit dazu bringen müssen, anders zu testieren, wenn er die tatsächliche Entwicklung gekannt hätte (Palandt/Edenhofer, a.a.O., § 2078 Rn. 4). Das LG ist zutreffend zu dem Ergebnis gekommen, dass bestimmender Beweggrund für die Erbeinsetzung der Beteiligten deren vorangegangenes Verhalten gewesen sei. Die zur Beisetzung geäußerten Wünsche sind nicht das bestimmende Motiv gewesen. Dies ergibt sich auch daraus, dass die Beisetzungswünsche im Testament ohne Adressaten geäußert wurden (im Gegensatz zur Grabpflege).  

     

    Konsequenzen für die Praxis: Für ein Gutachten eines Schriftsachverständigen ist es von Vorteil, wenn umfangreiche Vergleichsschriftproben vorliegen, die aus derselben Zeit stammen. Nur wenn solche Vergleichsschriftproben vorliegen, kann ein Schriftsachverständiger mit einem hohem Wahrscheinlichkeitsgrad zu dem Ergebnis kommen, dass das streitige Schriftstück vom Erblasser stammt.  

     

    Der Anwalt sollte daher seinem Mandanten raten, bei der Ordnung des Nachlasses handschriftliche Aufzeichnungen des Erblassers nicht zu entsorgen, wenn die Frage der Erbschaft noch nicht geklärt ist.  

     

    Sofern ein Testament mit einem Datum versehen ist und dieses Datum von der Unterschrift gedeckt ist, besteht die tatsächliche Vermutung, dass das Testament an diesem Datum errichtet wurde. Selbst wenn aber diese Vermutung widerlegt wird, berührt dies die Gültigkeit des Testaments nicht (BayObLG FamRZ 01, 1329).  

     

    Quelle: Ausgabe 11 / 2005 | Seite 185 | ID 86973