01.02.2007 | Testament
Großzügige Rechtsprechung verhilft teilfehlerhaften Testamenten zur Wirksamkeit
Viele Testamente werden geändert, weil die Verfasser sich nicht abschließend entscheiden können, wer ihr Erbe sein und wie ihr Vermögen verteilt werden soll. Streichungen, Abwandlungen, Ergänzungen und Nachträge in letztwilligen Verfügungen führen dazu, dass beim Erbfall Testamente durch die Rechtsprechung auszulegen sind und lange offen bleibt, ob der Erblasserwille durchgesetzt wird oder wer aufgrund gesetzlicher Erbfolge Erbe wird. Der folgende Beitrag zeigt an zwei praktischen Fällen auf, dass umfangreiche individuelle Testaments- und Nachfolgeberatung mit Hinweisen auf bestimmte Formerfordernisse unabdingbar ist, um dem Erblasser den „sichersten Weg“ zu empfehlen und Erben vor bösen Überraschungen zu bewahren (vgl. auch den Rechtsprechungsüberblick bei Sarres, EE 03, 10).
Der nicht unterschriebene Nachtrag im Testament (BayObLG FamRZ 05, 1012) |
Sachverhalt: Im Jahr 1997 verfasste die verwitwete und kinderlose Erblasserin E ein notarielles Testament, mit dem sie ihre Neffen A und B zu Miterben einsetzte. Später verfasste E ein privatschriftliches Testament das mit „Testament vom 17.9.1998“ überschrieben war. Darin setzte sie B zum Haupterben ein, da er drei Kinder habe. Am Rand des Schriftstücks hat E bei dem Satz: „Bis zur Vollendung des 20. Lebensjahres sollen die Eltern die Aufsicht über das geerbte Geld für ihre Kinder haben“ ein Kreuz gemacht. Ihre Eigentumswohnung wies sie A und B zu je ½ zu. E hat die Verfügung ordnungsgemäß mit Datumsangabe (5.10.99) unterzeichnet. E hat nachträglich bei der Verfügung über die Eigentumswohnung A gestrichen und dafür B eingesetzt. Das Blatt war unterhalb des Datums 17.9.98 bis auf einen Rest von ca. 5 cm Höhe nahezu vollständig mit Text ausgefüllt. Auf dem Blatt unterhalb des Datums 5.10.99 und dem Namenszug verfügte E, dass die drei Kinder von B je einen Betrag von 20.000 DM, insgesamt 60.000 DM, erhalten sollten. Der Nachtrag ist nicht von E unterschrieben. Das AG kündigte an, einen Erbschein zu erteilen, der A und B als Miterben ausweist. Die Beschwerde blieb erfolglos. Die erfolgreiche weitere Beschwerde führte zur Aufhebung der Entscheidungen der Vorinstanzen.
Entscheidungsgründe: Das privatschriftliche Testament, mit dem das notarielle Testament widerrufen wurde, ist für die Rechtsnachfolge maßgeblich:
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Privatschriftliches Testament mit Überschrift in Maschinenschrift (BayObLG ZEV 05, 348) |
Sachverhalt: Die verwitwete Erblasserin E hatte vier eheliche Kinder. Mit ihrem eigenhändig geschriebenen und unterschriebenen Testament aus Oktober 00, das die maschinenschriftliche Überschrift „Testament“ ausweist, formuliert sie ihren letzten Willen wie folgt: „ Zum alleinigen Erben meines gesamten Vermögens bestimme ich meinen Sohn B.“ Die beantragte Erteilung eines Erbscheins für B, der ihn als alleinigen Erben von E ausweisen soll, scheitert in allen Instanzen, da zahlreiche schriftliche Stellungnahmen zur Testierfähigkeit der E von behandelnden Ärzten sowie ein psychiatrisches Gutachten zur Feststellung gelangten, dass E bei Testamentserrichtung testierunfähig war. Demzufolge wurden die vier Kinder Miterben zu je ¼ Anteil.
Entscheidungsgründe: Das Testament ist – unabhängig von der Frage einer möglichen Testierunfähigkeit der Erblasserin – i.S. des § 2247 BGB formwirksam: Die nicht handschriftliche formulierte Überschrift „Testament“ führt nicht zur Nichtigkeit der Verfügung, die im Übrigen handschriftlich errichtet worden ist. Denn der eigenhändig verfasste Teil des Testaments gilt als selbstständige Verfügung. Er ergibt für sich einen abgeschlossenen Sinn. |
Praxishinweis: In beiden Entscheidungen gelten die privatschriftlichen Testamente zwar im Ergebnis noch als formwirksam. Dies ist aber nur der Abschluss von auch gesetzesabweichenden Begründungen, mit denen die formellen Voraussetzungen des § 2247 BGB abgemildert werden und Rechtsunsicherheit erzeugen können. Bei Trennung oder Scheidung sowie in der sonstigen Testamentsberatung sind die Mandanten auf die Fehlerquellen bei der Testamentserrichtung nachhaltig hinzuweisen, um langwierige Erbscheinserteilungsverfahren zu vermeiden.
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