01.05.2006 | Vor- und Nacherbschaft
Ist der Eigenerwerb des Vorerben zulässig?
Will der Nacherbe dem Vorerben zur unbeschränkten Erbschaft („Vollerbschaft“) verhelfen, kommen als Mittel die Erbschaftsausschlagung (§ 2142 Abs. 2 BGB) oder die Übertragung des Nacherbenanwartschaftsrechts auf den Vorerben in Betracht (Ivo, EE 04, 129). Beides wirkt jedoch nicht gegenüber etwa eingesetzten Ersatznacherben. Daher kann die gewünschte Befreiung des Vorerben von der Nacherbenbindung oft nicht erreicht werden, oder dieses Ergebnis steht erst mit dem Tod des Vorerben (Nacherbfall) fest. Der folgende Beitrag erläutert die Alternative des Eigenerwerbs des Vorerben.
Nacherbenbindung einzelner Gegenstände soll „beseitigt“ werden
Bei dieser Alternative geht es um die Frage, ob nicht die Nacherbenbindung zumindest für einzelne Nachlassgegenstände „beseitigt“ werden kann, diese Nachlassgegenstände also unter Aufrechterhaltung der Nacherbfolge im Übrigen in das nicht nacherbengebundene Eigenvermögen des Vorerben überführt werden können. Man spricht hierbei von dem „Eigenerwerb des Vorerben“, dessen Zulässigkeit in Rechtsprechung und Literatur zunehmend anerkannt wird. Ein solcher Eigenerwerb ist selbstverständlich auch zu erwägen, wenn Vor- und Nacherben von vornherein eine „Beseitigung“ der Nacherbenbindung nur für einzelne Nachlassgegenstände wollen.
Beispiel |
Eheleute M und F sind jeweils in zweiter Ehe verheiratet. M hat aus erster Ehe die Kinder A und B, F aus erster Ehe die Kinder C und D. Gemeinsame Kinder haben F und M nicht. Den Eheleuten gehört eine Immobilie zu Bruchteilen von je ½. F und M haben ein gemeinschaftliches Testament errichtet, in dem sie sich gegenseitig zu (befreiten) Vorerben und die jeweils erstehelichen Kinder, ersatzweise deren Abkömmlinge, zu Nacherben berufen haben. Nach dem Tod des M möchte F den ererbten ½-Miteigentumsanteil an der Immobilie frei von der Nacherbenbindung erhalten und die erstehelichen Kinder des M insoweit „auszahlen“. Damit sind A und B einverstanden. Ist der Eigenerwerb möglich? |
Vorerbe kann mit Zustimmung des Nacherben endgültig wirksam verfügen
Gemäß § 2113 Abs. 1 BGB ist u.a. die Verfügung des Vorerben über ein zur Erbschaft gehörendes Grundstück im Fall des Eintritts der Nacherbfolge insoweit unwirksam, als sie das Recht des Nacherben vereiteln oder beeinträchtigen würde. Das Gleiche gilt gemäß § 2113 Abs. 2 S. 1 BGB grundsätzlich von einer Verfügung über einen Erbschaftsgegenstand, die unentgeltlich oder zum Zwecke der Erfüllung eines von dem Vorerben erteilten Schenkungsversprechens erfolgt. Wichtig: Von den Beschränkungen des § 2113 Abs. 1 BGB kann der Erblasser den Vorerben befreien, nicht aber von denjenigen des § 2113 Abs. 2 BGB, wie sich aus § 2136 BGB ergibt.
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