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  • 01.07.2006 | Wegfall des Erbrechts

    Wie erlöschen Erbrechte und Pflichtteilsrechte?

    Erbrechte können erlöschen. Die folgenden Übersichten zeigen typische Fälle auf, die zum Verlust von Erb- und Pflichtteilsrechten führen.  

     

    Übersicht: Erlöschen von Erbrechten
    • Neues Testament – anderer Erbe: Erblasser E hatte 1999 zunächst M testamentarisch zur Alleinerbin eingesetzt und in einem späteren Testament den T. Mit diesem Testament hat E das Testament von 1999 widerrufen, § 2253 BGB, so dass M nicht zur Alleinerbin berufen ist.

     

    • Kein Testamentsnachweis – keine Erbschaft: R ist angeblich gemäß letztwilliger Verfügung Alleinerbe nach Erblasser E. Als R beim Erbscheinsantrag das Testament nicht vorlegen kann, verlangt das Gericht andere Beweise für das Testament. Da R jedoch keinerlei Beweismittel für die Errichtung des Testaments erbringen kann, kann er Ansprüche aus dem Testament nicht mit Erfolg geltend machen (OLG Hamm NJW 74, 1827).

     

    Praxishinweis: In den Fällen des „verlorenen Testaments“ kann der Antragsteller mit sämtlichen ihm verfügbaren Beweismitteln, z.B. Zeugen, eidesstattliche Versicherung, Fotokopien, beweisen, dass er als testamentarischer Erbe berufen ist (Damrau/Uricher, Praxiskommentar Erbrecht, §2356 Rn. 9).

     

    • Erbschaftsvertrag gemäß § 311b Abs. 5 BGB: Bereits zu Lebezeiten können potenzielle gesetzliche Erben des Erblassers sich verpflichten, ihren Erbteil zu übertragen. Normzweck des § 311b Abs. 5 BGB ist eine vorgezogene Verpflichtung zur Auseinandersetzung. Solche Verträge haben nur schuldrechtliche Wirkung (Palandt/Grüneberg, BGB, 65. Aufl., § 311b Rn. 75). Der endgültige Verlust tritt ein, wenn nach dem Erbfall der Erbteil übertragen wird, § 2033 BGB.

     

    • Erbverzicht gemäß § 2346 BGB: Den notariellen Erbverzichtsvertrag schließen der Erblasser und Verwandte oder Ehepartner, so dass der Verzichtende endgültige von der gesetzlichen Erbfolge ausgeschlossen ist. Der Verzicht erfasst nur den Erbfall, der durch den Tod des Vertragspartners des Verzichtenden entstanden ist (Palandt/Edenhofer, a.a.O., Vorbem. 3 zu § 2346).

     

    • Testierunfähigkeit: Diese verhindert bereits, dass das Erbrecht entsteht. Das Testament ist nichtig, § 2229 Abs. 4 BGB. Es tritt gesetzliche Erbfolge ein. Die Beweislast (Feststellungslast) für die Testierunfähigkeit trägt derjenige, der sich auf sie beruft (BGH ZEV 01, 399 mit Anm. Jörg Mayer).
     

     

    Übersicht: Erlöschen / Reduzierung von Pflichtteilsrechten

    Verjährung: A ist von V enterbt worden und nach den gesetzlichen Vorschriften pflichtteilsberechtigt. Alleinerbe ist der E. Der A könnte nunmehr einen Pflichtteilsanspruch gegen E geltend machen. Der Erbfall war Januar 02. E kümmert sich um dieses „Erbrecht“ erst wieder im Oktober 05. Hinderungsgründe sind nicht bekannt. Der Pflichtteilsanspruch des A ist hier verjährt.  

     

    • Pflichtteilsentziehung – das Kapitaldelikt: Die auf die schiefe Bahn geratene Tochter T der E, jahrelang in Anstalten, erwürgt ihre Mutter in schuldfähigem Zustand. T kann gemäß § 2339 Abs. 1 Nr. 1, § 2342 BGB für erbunwürdig erklärt werden und verliert damit den Pflichtteil.

     

    • Pflichtteilsentziehungstatbestände sind:
    • Misshandlung des Erblassers, § 2333 Nr. 2 BGB,
    • Misshandlung des Ehegatten des Erblassers, § 2333 Nr. 2 BGB,
    • Vergehen des Abkömmlings, § 2333 Nr. 3 BGB,
    • Unterhaltspflichtverletzung, § 2333 Nr. 4 BGB,
    • ehrloser oder unsittlicher Lebenswandel, § 2333 Nr. 5 BGB, und
    • Entziehung des Ehegattenpflichtteils, § 2335 BGB.

     

    Praxishinweis: Die Entziehung des Pflichtteils erfolgt durch letztwillige Verfügung, § 2336 BGB. Schon zu Lebzeiten kann der Pflichtteilsberechtigte durch Feststellungsklage die Feststellung verfolgen, dass kein Pflichtteilsentziehungsgrund des Erblassers besteht (BGH FamRZ 04, 944).

     

    • Pflichtteilsreduzierung/Pflichtteilsergänzungsverlust durch Schenkung: Durch rechtzeitige lebzeitige Schenkung kann der spätere Nachlass vermindert werden. Dadurch können Pflichtteilsergänzungsansprüche entstehen, wenn die Schenkung innerhalb der Zehnjahresfrist des § 2325 BGB liegt.

     

    Beispiel: Erblasser E hat von den Kindern K und L den K zum Alleinerben eingesetzt. Dem K übertrug E schenkungsweise im Jahr 1994 ein Grundstück, das am 10.1.94 ins Grundbuch eingetragen worden ist. E stirbt im Oktober 06. L verlangt Pflichtteilsergänzung. Hier ist ein Ergänzungsanspruch aber ausgeschlossen, da die Schenkung zehn Jahre vor dem Erbfall erfolgte, vgl. § 2325 Abs. 3 BGB. Hierdurch reduzieren sich die Rechte des L.

     

    Praxishinweis: Die Rechte von Pflichtteilsberechtigten werden nicht tangiert, wenn z.B. Rechtspositionen noch nicht gänzlich aus dem Vermögen des Erblassers ausgegliedert sind, also die Schenkung noch nicht vollzogen ist. Streitig ist dies z.B. in den Fällen, bei denen der Erblasser ein Grundstück übertragen, sich aber ein umfassendes Wohnrecht an der Immobilie vorbehalten hat (zu den streitigen Fragen der Schenkung i.S.d. § 2325 bei Vorbehalt eines Wohnrechts EE 06, 36).

     

    • Anrechnung, § 2315 BGB: Erblasser E schenkt dem Sohn S den Betrag von 50.000 EUR mit dem eindeutigen Hinweis bei der Zuwendung, dass diese Zuwendung auf den Pflichtteil anzurechnen ist. S ist damit einverstanden. Hierdurch vermindern sich Pflichtteilsrechte des S, gleichzeitig die Pflichtteilslast des späteren Erben.

     

    Praxishinweis: Die Anrechnungsbestimmung ist zwar formlos gültig. Aus Beweisgründen ist eine schriftliche Bestätigung des Empfängers aber sinnvoll. Andernfalls wäre eine Anrechenbarkeit nur noch durch einen Pflichtteilsverzichtsvertrag möglich, §§ 2346 Abs. 2, 2348 BGB (vgl. Weirich, Erben und Vererben, 5. Aufl., S. 370).

     

    • Erlassvertrag, § 397 BGB: Nach dem Tod ihres Vaters nehmen die Söhne S und T ihre Mutter wegen ihrer Pflichtteile in Anspruch. Während S seine Rechte unbedingt durchsetzen möchte, ist T sich nicht sicher. Ein Jahr nach dem Erbfall erklärt T bei einem Abendessen mit seiner Mutter „Ich habe mich entschieden. Von meinem Pflichtteil trete ich vollständig zurück. Allerdings würde ich mich freuen, wenn ich die alte Aktentasche aus dem Nachlass haben könnte.“

     

    Diese Äußerung ist nach Beweislage und den sonstigen Umständen als Erlass des Pflichtteilsanspruchs durch T einzustufen (vgl. Palandt-Edenhofer, a.a.O., § 2317 Rn. 2).

     

    Praxishinweis: Der gemäß § 2317 BGB mit dem Erbfall entstandene Pflichtteilsanspruch kann also nach dem Erbfall durch formlosen Erlassvertrag erlöschen. Im Gegensatz hierzu steht der lebzeitige Pflichtteilsverzicht, der gemäß §§ 2346, 2348 BGB der notariellen Beurkundung bedarf.
     

    Quelle: Ausgabe 07 / 2006 | Seite 120 | ID 86923