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  • · Fachbeitrag · Insolvenzverwaltung

    Zulässigkeit der Anfechtung von Rechtshandlungen des Erblassers durch den Insolvenzverwalter?

    von RA Uwe Gottwald, VorsRiLG a. D., Vallendar

    | Das LG München hatte über einen Streit zu entscheiden, ob der Insolvenzverwalter des Erben Rechtshandlungen des Erblassers nach § 134 InsO anfechten kann. |

     

    Sachverhalt

    Über das Vermögen des Schuldners hatte das zuständige Insolvenzgericht beim Amtsgericht München das Insolvenzverfahren eröffnet. Der Insolvenzschuldner war der Ehemann und ist der Erbe der Erblasserin. Der Verfügungskläger, der Insolvenzverwalter über das Vermögen des Erben, begehrte die Eintragung einer Vormerkung zur Sicherung eines Insolvenzanfechtungsanspruchs aus § 143 Abs. 1 S. 1 InsO i. V. m. § 134 Abs. 1 InsO betreffend eines bestimmten Grundstückes.

     

    Der Verfügungskläger meint, dass er aufgrund der Gesamtrechtsnachfolge des Insolvenzschuldners (Erben) nach § 1922 Abs. 1 BGB zur Anfechtung von Rechtshandlungen der Erblasserin berechtigt sei. Als Insolvenzverwalter könne er auch die Rechtshandlungen der nicht mehr existierenden Vorgängerin (Erblasserin) anfechten, da er nun für das gesamte Vermögen einheitlich verantwortlich sei. Die Voraussetzungen der Anfechtung lägen im Übrigen sämtlich vor.

     

    Das Amtsgericht hat dem Antrag auf Erlass der beantragten einstweiligen Verfügung durch Beschluss stattgegeben. Die Verfügungsbeklagte legte gegen diesen Beschluss Widerspruch ein mit der Begründung, ein insolvenzrechtlicher Anfechtungsanspruch des Verfügungsklägers bestehe nicht.

     

    Auf den Widerspruch hat das LG München die erlassene einstweilige Verfügung aufgehoben, weil ein insolvenzrechtlicher Anfechtungsanspruch nicht bestehe (LG München 17.4.24, 27 O 3771/24, Abruf-Nr. 244381).

     

    Entscheidungsgründe

    Ein Anfechtungsanspruch nach § 143 Abs. 1 S. 1 InsO i. V. m. § 134 InsO setze voraus, dass eine unentgeltliche Leistung des Insolvenzschuldners vorliege. Hieran fehle es vorliegend, da es sich bei dem notariellen Kaufvertrag nicht um eine Leistung des Insolvenzschuldners handele. Der Kaufvertrag sei zwischen der Erblasserin und der Antragsgegnerin geschlossen worden und der Insolvenzschuldner hieran nicht beteiligt gewesen.

     

    Der Insolvenzschuldner sei zwar nach § 1922 Abs. 1 BGB Gesamtrechtsnachfolger der Erblasserin geworden. Dies führe indessen nicht dazu, dass hierdurch etwaige unentgeltliche Handlungen der Erblasserin nach § 134 InsO angefochten werden könnten. Dagegen sprächen der Wortlaut und der Sinn und Zweck der insolvenzrechtlichen Anfechtungsregeln, denn

    • die in Rede stehende Verfügung könne nicht das Vermögen des Insolvenzschuldners, sondern allenfalls dasjenige der Erblasserin geschmälert haben;

     

    • zum Zeitpunkt des vorgenommenen Rechtsgeschäfts seien die vorhandenen und ggf. später hinzukommenden Gläubiger des Insolvenzschuldners nicht beeinträchtigt worden, da sie auf das Vermögen der Erblasserin keinen Zugriff hatten;

     

    • reichten die Vermögenswerte des Nachlasses aus, um die Nachlassverbindlichkeiten zu befriedigen, würden die Gläubiger nicht benachteiligt;

     

    • reichten die Vermögenswerte des Erblassers nicht aus, um dessen Gläubiger zu befriedigen, sei der Nachlass überschuldet und in diesem Fall der Erbe nach § 1980 Abs. 1 BGB verpflichtet, unverzüglich einen Antrag auf Eröffnung des Nachlassinsolvenzverfahrens zu stellen. Diese Pflicht trifft auch den Insolvenzverwalter des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Erblassers.

     

    Die Zulassung einer Anfechtung von Rechtshandlungen des Erblassers durch den Insolvenzverwalter im Verfahren über das Vermögen des Erben würde dem Sinn der Nachlassinsolvenz widersprechen, welche ein geordnetes Verfahren für den Fall vorsieht, dass die Nachlassverbindlichkeiten den Nachlass übersteigen. Es besteht keinerlei Notwendigkeit und keine gesetzliche Grundlage dafür, neben dem Nachlassinsolvenzverfahren noch ein zweites ‒ weiteres ‒ Verfahren, wie die hier infrage stehende Anfechtung von Rechtsgeschäften der Erblasserin durch den Insolvenzverwalter des Erben (Insolvenzschuldners), zuzulassen. Dies widerspräche dem gesetzgeberischen Zweck des Nachlassinsolvenzverfahrens.

     

    Relevanz für die Praxis

    Der Entscheidung ist zu folgen, da sie strikt und zutreffend Sinn und Zweck von Insolvenzverfahren über das Vermögen des Schuldners (als Erben) und Nachlassinsolvenzverfahren (§§ 315 ff. InsO) gegeneinander abgrenzt.

     

    PRAXISTIPPS | Das Nachlassinsolvenzverfahren (§§ 315ff. InsO) dient dem Zweck, die Haftung der Erben für die Nachlassverbindlichkeiten zu begrenzen und eine geordnete Abwicklung des Nachlasses sicherzustellen. Es wird auf den Antrag eines Erben, Nachlassverwalters, Testamentsvollstreckers, dem die Verwaltung des Nachlasses obliegt, und eines Nachlassgläubigers eröffnet, wenn Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung des Nachlasses vorliegt (§ 320 S. 1 InsO). Beantragt ein Erbe, Nachlassverwalter oder ein Testamentsvollstrecker die Eröffnung, so ist auch die drohende Zahlungsunfähigkeit ein Eröffnungsgrund (§ 320 S. 2 InsO). Die Haftungsbeschränkung stellt sicher, dass die Erben nur mit dem Nachlassvermögen und nicht mit dem Eigenvermögen für die Verbindlichkeiten des Erblassers haften. Der Nachlassinsolvenzverwalter verwaltet das Nachlassvermögen, prüft die Forderungen der Nachlassgläubiger und verteilt die vorhandenen Mittel nach der gesetzlich bestimmten Rangfolge mit dem Ziel einer gleichmäßigen Befriedigung. Die Eigengläubiger des Erblassers können am Nachlassinsolvenzverfahren nicht teilnehmen.

     
    Quelle: Ausgabe 11 / 2024 | Seite 183 | ID 50092973