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  • Nachweis der Testierunfähigkeit beim Erblasser mit Pflegestufe 3

    Testierfähigkeit

    | Eine geistige Erkrankung des Erblassers steht der Gültigkeit seiner letztwilligen Verfügung nicht entgegen, wenn diese von der Erkrankung nicht beeinflusst ist. Entscheidend ist, ob die psychischen Funktionen des Urteilens und des kritischen Stellungnehmens durch die Geisteskrankheit oder -schwäche so sehr beeinträchtigt sind, dass der Erblasser nicht mehr fähig ist, die Bedeutung seiner letztwilligen Verfügung einzusehen und nach dieser Einsicht zu handeln, ob krankhafte Empfindungen und Vorstellungen die Bestimmbarkeit des Willens durch normale, vernünftige Erwägungen aufgehoben haben (OLG Düsseldorf 4.11.13, I-3 Wx 98/13, NotBZ 14, 47). |

     

    Die Beteiligten zu 1 und 2 sind die Geschwister der kinderlos verstorbenen Erblasserin (E). Die Beteiligte zu 3 ist eine Stiftung, die die E und ihr vorverstorbener Ehemann mit einem notariellen Ehegattentestament zur Alleinerbin eingesetzt haben. Die Stiftung befand sich zum Zeitpunkt der Errichtung des Testaments noch in Gründung, ist aber inzwischen beim Regierungspräsidenten eingetragen.

     

    Die Stiftung hat Erteilung eines Erbscheins mit dem Inhalt beantragt, dass die E von ihr allein beerbt worden sei. Die Geschwister der E haben die Unwirksamkeit der letztwilligen Verfügung geltend gemacht, weil die E zur Zeit der Unterschrift des Testaments nicht geschäftsfähig gewesen sei. Der beurkundende Notar hat dahin Stellung genommen, die E sei am Tage der Beurkundung des Testaments altersbedingt beeinträchtigt gewesen. Sie habe im Rollstuhl gesessen, habe ihn aber sofort erkannt. Aus dem Gespräch habe sich ergeben, dass sie über den Sachverhalt, insbesondere die Stiftung, informiert gewesen sei, deren Errichtung die Eheleute schon seit Jahren betrieben hätten. Es sei der erkennbare Wille beider Eheleute gewesen, dass das gesamte Vermögen an die Stiftung gehen sollte. Dies habe die E auch verstanden.

     

    Das AG hat mit Beschluss die zur Begründung des Antrags der Stiftung erforderlichen Tatsachen für festgestellt erachtet. Hiergegen richtet sich erfolglos die Beschwerde der Beteiligten zu 2.

     

    Die Stiftung ist durch das notarielle Testament wirksam zur Alleinerbin nach der E eingesetzt. Dass sie zur Zeit der Testamentserrichtung noch nicht als Stiftung rechtsfähig anerkannt war, ist unschädlich, § 84 BGB.

     

    Die genannte letztwillige Verfügung war nicht wegen Testierunfähigkeit der E unwirksam. Hier fehlt es an Anhaltspunkten für konkrete auffällige Verhaltensweisen der E zur Zeit der Testamentserrichtung, insbesondere an solchen, die darauf hindeuten könnten, dass die E (wegen krankhafter Störungen der Geistestätigkeit, wegen Geistesschwäche oder wegen Bewusstseinsstörungen) nicht in der Lage gewesen sein könnte, die Bedeutung der von ihr abgegebenen Willenserklärungen einzusehen und (unbeeinflusst von fremdem Willen) nach dieser Einsicht zu handeln, § 2229 Abs. 4 BGB.

     

    Zeitnahe seelisch geistige Ausfallerscheinungen der E sind nicht ersichtlich. Dass die E Aneurysmen gehabt habe, seit 2 Jahren Pflegestufe 3 und später u.a. kein Gespräch mehr mit ihr möglich gewesen sein soll lässt keine Rückschlüsse auf den geistig seelischen Zustand der E, sprich ihre Testierfähigkeit, im maßgeblichen Zeitpunkt der Beurkundung des Ehegattentestaments, zu. Aus Pflegebedürftigkeit der Stufe 3, einer Skoliose (Deformation der Wirbelsäule), der Rollstuhlbenutzung, 3 oder 4 nicht näher beschriebenen Aneurysmen (Ruptur?) sowie der Behauptung der Beteiligten zu 2, die E sei in den letzten 20 Jahren „in die Demenz abgedriftet“, lassen sich keine auf objektivierbare Tatsachen oder Hilfstatsachen gegründete Zweifel an der Testierfähigkeit der E zum Zeitpunkt der Testamentserrichtung herleiten. Es besteht daher kein Anlass, sie durch Einholung des Gutachtens eines psychiatrischen oder nervenfachärztlichen Sachverständigen zu klären (vgl. KG FamRZ 00, 912).

    Quelle: ID 42543506