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  • · Fachbeitrag · Anscheinsverbot

    Bei Testament und notarieller Beurkundung ist Anschein von Parteilichkeit zu vermeiden

    von RA Ernst Sarres, FA Erbrecht und FA Familienrecht, Düsseldorf

    | Mit der Unabhängigkeit als ein Fundament des Notarberufs hat sich der Senat für Notarsachen des BGH befasst. |

     

    Sachverhalt

    Der Erblasser litt aufgrund gesundheitlicher Beeinträchtigungen an Sprachschwierigkeiten. Im März 2017 verlor er seine Lebensgefährtin durch einen von ihm verursachten Unfall. Im April 2017 wandte er sich an den Kläger in dessen Funktion als Notar, um sich wegen der Person des von ihm einzusetzenden Erben informieren zu lassen.

     

    Vom Notar erhielt er namentliche Angaben zu verschiedenen Organisationen und Stiftungen, die als mögliche Erben des Erblassers denkbar erschienen. Darunter befand sich auch der schließlich als Erbe eingesetzte Verein, der 2015 von zehn Personen gegründet worden war. Mitglieder dieses Vereins waren der Kläger, seine Ehefrau und einige Söhne mit Positionen im Vorstand und als Schatzmeister. Seine Ehefrau fungierte bis wenige Wochen vor der Beurkundung als Schriftführerin. Sitz des Vereins war die Privatanschrift des Klägers, Ort für Versammlungen seine Kanzlei.

     

    Der Name des Erben stand zu Beginn der Beurkundung noch nicht fest. Er wurde handschriftlich eingefügt. Wegen Verstoß gegen Amtspflichten nach § 14 Abs. 1 und Abs. 3 BNotO (unzulässige Aufspaltung von Angebot undAnnahme) § 14 Abs. 3 S. 2 BNotO (Verletzung des Anscheins der Abhängigkeit und Parteilichkeit) sowie wegen Verstoß gegen § 18 BNotO (Verschwiegenheitspflicht) wurde gegen den Kläger eine Geldbuße von 5.000 EUR verhängt.

     

    Die gegen diese Disziplinarverfügung erhobene Klage wurde vom OLG abgewiesen und die Berufung nicht zugelassen. Der Kläger beantragte nunmehr die Zulassung der Berufung gegen die Entscheidung des OLG. Diesen Antrag lehnte der BGH ab.

     

    Entscheidungsgründe

    Für den BGH (14.11.22, NotSt(Brfg) 1/22, Abruf-Nr. 233078) bestehen wegen der umstrittenen Vorschläge des Klägers für einen potenziellen Erben des an Sprachschwierigkeiten leidenden Erblassers keine ernsthaften Zweifel an der Richtigkeit der Entscheidung des OLG und damit auch kein Grund zur Zulassung der Berufung. Denn der entscheidungserhebliche Sachverhalt wurde ermittelt und festgestellt.

     

    Demzufolge hatte sich der Erblasser im Frühjahr 2017 vom Kläger auch den später zum Erben eingesetzten Verein nennen lassen, dessen Mitglieder der Kläger, seine Ehefrau und deren Söhne waren. Hieraus folgte zwischen dem Verein und dem Kläger sowie seiner Familie eine ganz besondere Nähe mit dem Schein der Parteilichkeit, die zur Disziplinarverfügung gegen den Notar führte. Besondere tatsächliche und rechtliche Schwierigkeiten verneinte der BGH. Denn dem § 14 Abs. 3 S. 2 BNotO i. V. m. der Richtlinie der Notarkammer lässt sich wegen der vom Gesetzgeber beabsichtigten Sicherung der Unabhängigkeit des Notaramtes mit ausreichender Klarheit entnehmen, welche Verhaltensweisen des Notars dem Anscheinsverbot unterfallen und für den objektiven Beobachter den Anschein der Abhängigkeit und Parteilichkeit entstehen lassen. Hierzu gehören folgende Ereignisse und Umstände: Die Aufgabe des Amtes der Schriftführerin durch die Ehefrau des Klägers wenige Wochen vor der nach § 3 Abs. 1 Nr. 6 BeurkG unvertretbaren Beurkundung, der vom Erblasser verursachte Tod seiner Lebensgefährtin, dessen persönliche und gesundheitliche Verfassung nach dem Schlaganfall sowie die Höhe seines Vermögens.

     

    Daher stehen auch die gesetzgeberischen Wertungen der §§ 3, 6, 7 BeurkG der Annahme eines Verstoßes gegen § 14 Abs. 3 S. 2 BNotO (Anscheinsverbot) nicht entgegen. Die vorgenannten Vorschriften des BeurkG enthalten: Das Mitwirkungsverbot als Notar, Ausschließungsgründe für einen bestimmten Personenkreis; Unwirksamkeit von beurkundeten Willenserklärungen.

     

    Relevanz für die Praxis

    Der Sachverhalt und die ausführliche begründete Entscheidung zeigen auf, welche weitreichenden Pflichten mit der Ausübung des Notarberufs nach deutschem Recht verbunden sind. Allein schon das Beurkundungsgesetz und die Bundesnotarordnung enthalten kardinale Regelungen zu den notariellen Amtspflichten, deren Einhaltung bei Art und Umfang der Sachverhalte sowie den Vorstellungen der Beteiligten an Grenzen stoßen kann. Diese werden noch unterstützt und ergänzt durch die Richtlinien der zuständigen Notarkammern.

     

    PRAXISTIPP | Aufgrund der gesetzlich vorgegebenen strikten einzelfallbezogenen Unparteilichkeit eines Notars, der die Beteiligten unter anderem nach § 17 BeurkG zum Sachverhalt und zur Tragweite des jeweiligen Geschäfts belehren und unerfahrene sowie ungewandte Beteiligte schützen soll, ist mit dem Amt des Notars generell eine hohe Verantwortlichkeit verbunden. Bestehen dann etwa Zweifel an der Gesetzmäßigkeit des Geschäfts, so sollen die Bedenken mit den Beteiligten erörtert werden. Diese und andere Pflichten des Notars drängten sich auch im vorliegenden Fall auf. Trotz hier offensichtlich gegenläufiger Absichten wegen eigener Vereinsinteressen hätte der Notar bei noch verbliebener Selbstkritik mindestens einige Kontrollfragen aufwerfen müssen: Darf und soll ich wegen der Erbeinsetzung überhaupt bestimmte eigene Vorschläge machen? Bedeutet meine aktive Mitwirkung an der Nennung eines (bestimmten) Erben nicht eine eindeutige unzulässige Parteilichkeit? Habe ich die Grenzen notarieller Mitwirkung gegebenenfalls längst überschritten?

     

    Dennoch darf das notarielle Verhalten für den Einzelfall nicht den Blick dafür verstellen, dass vom Notar häufig eine verständliche bis überzogene Mitwirkung verlangt wird. Andererseits muss er dort klare Zurückhaltung und Verzicht üben, wo ‒ wie offenbar im vorliegenden Fall ‒ die Grenze zur beabsichtigten unlauteren Einflussnahme klar überschritten wird. In der Fernwirkung kann es auch um die weitergehende Rechtsfrage gehen, inwieweit wirtschaftliche Vorteile zugunsten des Vereins zu kompensieren sein werden.

     
    Quelle: Ausgabe 03 / 2023 | Seite 43 | ID 49046638