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  • · Nachricht · Erb- und Pflichtteilsverzicht

    Auslegung eines Verzichts auf testamentarische Zuwendung und Auswirkung eines notariellen Hinweises

    | Weist der beurkundende Notar ausdrücklich darauf hin, dass sich ein Zuwendungsverzicht (§ 2352 BGB) nicht auf die Abkömmlinge der Verzichtenden erstreckt und haben die Vertragsparteien den Vertrag in Kenntnis von diesem Hinweis geschlossen, ist daraus zu schließen, dass sie nicht wollten, dass sich der Zuwendungsverzicht auf ihre Abkömmlinge erstreckt. Das gilt selbst dann, wenn der Hinweis des Notars (nur) der alten Rechtslage (bis 31.12.09) entsprach (OLG Schleswig 15.4.14, 3 Wx 93/13). |

     

    Die Beteiligten zu 1. bis 3. sind die Abkömmlinge des Erblassers E. Die Beteiligte zu 4. ist das Kind des Beteiligten zu 3. E und F errichteten ein gemeinschaftliches Testament. Unklar ist, wie dieses Testament auszulegen ist: Ob u.a. die Beteiligten zu 1 bis 3 oder nur die Beteiligten zu 1 und 3 Schlusserben nach dem Letztversterbenden sein sollten oder ob nur die Beteiligte zu 1 als Schlusserbin berufen sein sollte. Nach dem Tod der F erklärten die Beteiligten zu 2 und 3 einen notariellen Zuwendungs- und Pflichtteilsverzicht. Der Notar wies darauf hin, dass sich der Zuwendungsverzicht nicht auf die Abkömmlinge der Verzichtenden erstreckt. Nachfolgend errichtete E in 2006 ein notarielles Testament. Darin berief die Beteiligte zu 1 zu seiner Alleinerbin. Nach dem Tod des E hat diese erfolglos die Erteilung eines Erbscheins beantragt, der sie als Alleinerbin ausweist.

     

    Die Beteiligte zu 1 ist nicht als Alleinerbin berufen. Das AG hat zu Recht angenommen, dass der Schlusserbenberufung der Beteiligten zu 1 bis 3 oder nur der Beteiligten zu 1 und 3 sowie der Ersatzschlusserbeneinsetzung der Beteiligten zu 4 (anstelle des Beteiligten zu 3) Bindungswirkung nach § 2271 Abs. 2 BGB zukommt. Diese Bindungswirkung geht dahin, dass eine neue letztwillige Verfügung in entsprechender Anwendung des § 2289 BGB unwirksam ist, soweit damit die Rechte des wechselbezüglich Bedachten beeinträchtigt sein würden (Palandt/Weidlich, BGB, 73. Aufl., § 2271 Rn. 12 ff). Hier ist das notarielle Testament aus 2006 unwirksam. Denn es beeinträchtigt die Rechte der Beteiligten zu 4. als diejenige, die möglicherweise anstelle des Beteiligten zu 3. als Ersatzerbin berufen ist.

     

    E ist von dieser Bindung durch den mit den Beteiligten zu 2. und 3. vereinbarten notariellen Zuwendungs- und Pflichtteilsverzicht (§ 2352 BGB) in entsprechender Anwendung des § 2346 Abs. 1 S. 2 BGB frei geworden (BayObLG FamRZ 01, 319). Entscheidend ist, ob diese Wirkung sich auch auf die Beteiligte zu 4 als Abkömmling des Beteiligten zu 3 erstreckt. § 2352 BGB (in seiner seit 1.1.10 geltenden Fassung) verweist in S. 3 auch auf § 2349 BGB, d.h. ordnet dessen entsprechende Anwendung an. Nach der neuen, ab 1.1.10 geltenden Fassung des § 2352 BGB gilt, dass sich ein Zuwendungsverzicht grundsätzlich auch auf die Abkömmlinge des Verzichtenden erstreckt, es sei denn, es ist von den Vertragsparteien des Verzichtsvertrags etwas anderes bestimmt. Die neue Fassung gilt für alle Erbfälle ab 1.1.10 (Art. 229 § 23 Abs. 4 EGBGB), d.h. auch für diesen Fall (Staudinger/Schotten, BGB, Neubearbeitung 2010, § 2352 Rn. 45). Aber aus dem Umstand, dass der den Vertrag beurkundende Notar ausdrücklich darauf hingewiesen hat, dass sich der Zuwendungsverzicht nicht auf die Abkömmling erstreckt, muss - zusammen mit dem Umstand, dass die Vertragsparteien den Vertrag in Kenntnis von diesem Hinweis geschlossen haben - der Schluss gezogen werden, dass sie keine Erstreckung des Zuwendungsverzichts auf Abkömmlinge wollten. Der Hinweis des Notars entsprach zwar (nur) der damaligen Rechtslage. Aber der Umstand, dass der Notar bei der Beurkundung ausdrücklich den Hinweis gegeben hat, hat dazu geführt, dass nach dem übereinstimmenden Willen der Vertragsparteien das Nichterstrecken-Sollen des Verzichts auf die Abkömmlinge der Verzichtenden Inhalt ihrer vertraglichen Regelung geworden und beachtlich ist (Kanzleiter, ErbR 13, 206, 2011). Der Zuwendungsverzicht des Beteiligten zu 3 erstreckt sich nicht auf seine Tochter, die Beteiligte zu 4. Diese ist neben der Beteiligten zu 1 als Erbin berufen.

    Quelle: ID 42835515