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  • · Fachbeitrag · Erbvertrag

    Erbvertrag zugunsten der Geschäftsführerin eines ambulanten Pflegedienstes unwirksam

    von RA Dr. Gudrun Möller, FA Familienrecht, Münster

    • 1. Die zu § 14 HeimG entwickelten Grundsätze finden auch im Rahmen des diesen ersetzenden § 7 HGBP Anwendung.
    • 2. Für die Erbeinsetzung der Geschäftsführerin eines ambulanten Pflegedienstes durch eine zu pflegende Person in einem Erbvertrag gilt bis zum Beweis des Gegenteils die Vermutung, dass diese Erbeinsetzung mit den Pflegeleistungen im Zusammenhang steht.
     

    Sachverhalt

    Die Beteiligte zu 1) ist die Geschäftsführerin (GF) eines ambulanten Pflegedienstes A GmbH. Dieser hat die Erblasserin (E) bis zu ihrem Tod betreut. Die GF hatte die E anlässlich deren Krankenhausaufenthalts kennengelernt und in der Folgezeit regelmäßig besucht, gemeinsame Ausflüge unternommen sowie regelmäßig mit ihr zusammen Mittag gegessen. Die E war ledig und kinderlos. Sie hatte ein Testament zugunsten ihrer Nichte errichtet. Nach deren Tod schlossen die E und GF einen Erbvertrag, in dem die E die GF zur Alleinerbin einsetzte und die GF das Erbe annahm. Die GF hat erfolgreich einen entsprechenden Erbschein beantragt. Das Regierungspräsidium zeigte dem Nachlassgericht an, dass es einen Verstoß gegen das Verbot des § 7 Abs. 1 HGBP durch die GF prüfe. Nach Anhörung der GF zog das Nachlassgericht mit Beschluss den Erbschein als unrichtig ein. Gegen diesen Beschluss hat die GF Beschwerde eingelegt. Das Nachlassgericht hat der Beschwerde nicht abgeholfen und die Sache dem OLG zur Entscheidung vorgelegt. Die Beschwerde der GF blieb erfolglos.

    Entscheidungsgründe

    Der Erbschein war einzuziehen, da er unrichtig ist, § 2361 BGB. Die GF ist nicht Alleinerbin der E geworden. Der Erbvertrag ist wegen eines Verstoßes gegen § 7 Hessisches Gesetz über Betreuungs- und Pflegeleistungen (HGBP) unwirksam, § 134 BGB. Der Verstoß richtet sich nach § 7 Abs. 2 HGBP und nicht nach Abs. 1, da die E im Erbvertrag nicht die den ambulanten Pflegedienst betreibende A GmbH, sondern die GF als deren Geschäftsführerin als Erbin eingesetzt hat. Zwar ist unter Berücksichtigung des Ergebnisses der Beweisaufnahme davon auszugehen, dass zwischen der GF und der E eine freundschaftliche und insbesondere eine deutlich über eine Geschäftsbeziehung hinausgehende Bindung bestanden hatte. Allerdings konnte der für die Widerlegung der gesetzlichen Vermutung eines Zusammenhangs zwischen Erbeinsetzung und vertraglicher Leistung erforderliche Beweis des Gegenteils nicht zur Überzeugung des Senats erbracht werden.

     

    § 7 HGBP tritt an die Stelle von § 14 HeimG

    § 7 HGBP ersetzt § 14 HeimG (LT-Drs. 18/3763 S. 14; BT-Drucksache 16/12409, S. 10). Dabei entspricht § 7 HGBP im Wesentlichen § 14 HeimG und verfolgt insbesondere den gleichen Schutzzweck. Nach der Gesetzesbegründung soll die Regelung verhindern, dass die Hilf- oder Arglosigkeit alter und pflegebedürftiger Menschen in finanzieller Hinsicht ausgenutzt wird. Sie dient auch dazu, die Testierfreiheit der Betroffenen zu sichern. Die Vorschrift soll alte Menschen davor bewahren, dass ihr Recht auf freie Verfügung von Todes wegen durch offenen oder versteckten Druck faktisch gefährdet wird. Sie dient damit dem Schutz der wegen ihrer besonderen Lebenssituation und der daraus folgenden persönlichen Abhängigkeit staatlicher Fürsorge bedürftiger Betreuungs- und Pflegebedürftigen (LT-Drucksache 18/3783, S. 22, 23). Gem. § 7 Abs. 1 S. 2 HGBP erstreckt sich der Anwendungsbereich des Verbots - anders als § 14 HeimG - ausdrücklich auch auf ambulante Betreuungs- und Pflegeeinrichtungen und deren Leitung, § 7 Abs. 2 i.V. mit § 2 Abs. 1 Nr. 2 HGBP.

     

    § 14 HeimG erfasst bezüglich des Versprechens bzw. Gewährenlassens von Geld- oder geldwerter Leistungen grundsätzlich die Einsetzung als Erbe im Testament und im Erbvertrag. Bei einer testamentarischen Erbeinsetzung liegt ein Verstoß aber nur vor, wenn die testamentarische Verfügung dem Begünstigten bekannt gegeben wurde. Bei fehlender Kenntnis des Begünstigten ist die letztwillige Verfügung stets wirksam (BVerfG ZEV 98, 312; BGH ZEV 12, 39; OLG Frankfurt ZEV 01, 364; OLG Stuttgart FamRZ 14, 1492; Kunz/Butz/Wiedemann, HeimG, 10. Aufl., § 14 Rn. 24). Bei der Erbeinsetzung eines Mitarbeiters bzw. Leiters der Einrichtung ist darüber hinaus erforderlich, dass die Erbeinsetzung im Zusammenhang mit der Erfüllung der Pflichten aus dem Vertrag erfolgt. Dabei wird ein solcher Zusammenhang bis zum Beweis des Gegenteils vermutet (BGHZ 110, 235 = FamRZ 90, 616; OLG Frankfurt, a.a.O.). Im Hinblick auf den identischen Schutzzweck des den § 14 HeimG ersetzenden § 7 HGBP sind diese Grundsätze auch im Anwendungsbereich des HGBP anzuwenden.

     

    Hier verstößt die Erbeinsetzung der GF im Erbvertrag gegen § 7 HGBP, sodass der Erbvertrag nichtig ist, § 134 BGB. In der Erklärung der Annahme der Erbschaft im Erbvertrag liegt bereits das „sich versprechen lassen“ einer geldwerten Leistung i.S. des § 7 HGBP. Auch wenn durch den Erbvertrag nur eine Anwartschaft begründet wird, entspricht die Situation der bei einer Erbeinsetzung durch Testament, bei der § 7 HGBP regelmäßig greift (Kunz/Butz, Wiedemann, a.a.O.). Da die GF an dem Erbvertrag mitgewirkt hat, kann sie sich auch nicht auf eine fehlende Kenntnis von der Erbeinsetzung berufen. Unerheblich ist, ob sie Kenntnis von § 7 HGBP hatte, da es sich insoweit um einen unerheblichen Rechtsirrtum handeln würde. Bei § 134 BGB ist ausreichend, wenn der Tatbestand des Verbotsgesetzes objektiv erfüllt ist (Palandt/Ellenberger, BGB, 74. Aufl., § 134 Rn. 12a m.w.N.). Es ist daher auch nicht maßgeblich, ob der - zwischenzeitlich verstorbene - Notar Hinweise hätte erteilen müssen. Ebenso ist nicht entscheidend, ob der Notar aufgrund des Vorgesprächs die uneingeschränkte Testier- und Geschäftsfähigkeit in der Urkunde festgestellt hat. Es war daher nicht erforderlich, eine dienstliche Stellungnahme des Notarverwesers einzuholen, der nicht über eigene Erkenntnisse des damaligen Beurkundungsvorgangs verfügt. Die Notariatsakte musste ebenfalls nicht beigezogen werden.

     

    Gesetzliche Vermutung nicht widerlegt

    Die GF konnte auch nicht widerlegen, dass zwischen der Erbeinsetzung und der Pflegeleistung ein Zusammenhang bestanden hat. Um die Vermutung zu widerlegen, ist der Beweis des Gegenteils erforderlich (BGH FamRZ 90, 616; BayOblG FamRZ 05, 142). Dieser konnte nach dem Beweisergebnis nicht erbracht werden. Aufgrund der Aussagen der Zeuginnen ist zwar davon auszugehen, dass die GF und die E bereits vor Beginn der Pflegeleistung befreundet waren. Es kann aber nicht mit der erforderlichen Sicherheit festgestellt werden, dass kein Zusammenhang zwischen dem Erbvertrag und der Pflegeleistung bestanden hätte. Die GF hat ausgeführt, dass sie z.B. die Pflegekräfte ausgetauscht hatte, wenn die E diese nicht mochte. Sie hat die E zu Arztterminen begleitet oder im Krankenhaus besucht. Wenn sie die E gefahren hat, hat sie ihre dienstliche Parkberechtigung gebraucht. Die Zeugin Z1 hat bekundet, dass die GF die E als ihre „Oma“ bezeichnet, ihr aber auch noch von zwei weiteren „Omas“ erzählt. Es kann nicht eindeutig zwischen dienstlicher und freundschaftlicher Beziehung getrennt werden. Dies dürfte in einer solchen Konstellation unmöglich sein. Auch ist zu beachten, dass die E die GF erst nach dem Tod ihrer Nichte als Erbin eingesetzt hat. Bis dahin hatte die E ihr Testament nicht geändert, obwohl sie u.a. nach dem Vortrag der GF diese adoptieren wollte. In dem Testament hatte die E u.a. der Nichte die Eigentumswohnung vermacht. Nach dem Vortrag der GF soll kein besonderes Näheverhältnis zu ihrer Nichte bestanden haben.

     

    Hier ist gem. dem Schutzzweck des den § 14 HeimG ersetzenden § 7 HGBP die Vermutung eines Zusammenhangs nicht als widerlegt anzusehen. Es bleiben Zweifel, ob die Erbeinsetzung der GF nicht zumindest auch darauf beruhte, dass die Pflegeleistungen durch ihr Unternehmen erbracht wurden. In Fällen unklarer Beweislage, in denen die Motive und Gründe sowie die Zusammenhänge der Zuwendung offenbleiben, muss das Verbot im Interesse des Schutzes der Testierfreiheit eingreifen (BayOblG, a.a.O.).

    Praxishinweis

    Seit der Föderalismusreform 2006 hat der Bund die Gesetzgebungskompetenz für die zivilrechtlichen, die Bundesländer für ordnungsrechtliche Regelungen des Heimrechts (BT-Drucksache 16/813; Zimmermann/G. Möller, Erbrechtliche Nebengesetze, § 14 HeimG Rn. 1). Der Bund hat die zivilrechtlichen Vorschriften des HeimG durch das am 1.10.09 in Kraft getretene Wohn- und Betreuungsvertragsgesetz (WBVG) fortentwickelt (BGBl I 09, 2319; Zimmermann/G. Möller, Erbrechtliche Nebengesetze, a.a.O., Rn. 2). Die ordnungsrechtlichen Vorschriften des HeimG werden durch Regelungen der Länder ersetzt. Inzwischen haben alle Bundesländer Gesetze und Rechtsverordnungen dazu erlassen.

     

    Bei der Gestaltung letztwilliger Verfügungen mit Mitarbeitern oder Leitern von Heimen und jetzt auch ambulanten Pflegediensten müssen die Anwälte und Notare umfassend über § 14 HeimG bzw. die die Vorschrift ersetzenden landesrechtlichen Regelungen belehren. Der Fall zeigt, wie schwierig es ist, die gesetzliche Vermutung eines Zusammenhangs zwischen Erbeinsetzung und vertraglicher Leistung durch den Beweis des Gegenteils zu widerlegen.

    Quelle: Ausgabe 07 / 2015 | Seite 113 | ID 43432931