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  • · Fachbeitrag · Gemeinschaftliches Testament

    Gemeinschaftliches Testament nur wirksam, wenn beide Ehegatten testierfähig sind

    von RA Uwe Gottwald, VorsRiLG a. D., Vallendar

    | Das OLG Celle hat entschieden, dass zur Errichtung eines wirksamen gemeinschaftlichen Testaments beide Ehegatten testierfähig sein müssen. Zudem kommt eine Umdeutung des unwirksamen gemeinschaftlichen Testaments nach § 140 BGB nur für denjenigen Ehegatten in Betracht, der die Verfügung von Todes wegen eigenhändig geschrieben und unterschrieben und damit die Voraussetzungen des § 2247 Abs. 1 BGB eingehalten hat. |

     

    Sachverhalt

    Unter Aufhebung eines zuvor errichteten gemeinschaftlichen Testaments setzten sich die beiden Ehegatten durch gemeinschaftliches Testament gegenseitig als Alleinerben ein. Dieses Testament wurde von der Ehefrau eigenhändig geschrieben und unterschrieben sowie vom Erblasser eigenhändig unterschrieben (§§ 2265, 2267 BGB). Mit einer Ergänzung dieses Testaments, errichtet in gleicher Weise, ordneten die Ehegatten nunmehr eine Vor- und Nacherbschaft dergestalt an, dass der überlebende Ehegatte befreiter Vorerbe und ihre gemeinsame Tochter Nacherbin sein sollte. Bereits zwei Jahre vor der Ergänzung des Testaments wurde die Ehefrau wegen einer Demenzerkrankung in einem Pflegeheim untergebracht. Ein Jahr vor der Ergänzung des gemeinschaftlichen Testaments tötete der Erblasser seine Schwester und wurde in geschlossener Psychiatrie, in der er sich das Leben nehmen wollte, untergebracht.

     

    Nach dessen Tod beantragte die überlebende Ehefrau, vertreten durch ihre Tochter, einen Erbschein des Inhalts, dass sie alleinige befreite Vorerbin des Erblassers geworden sei und die Nacherbfolge der Tochter nach ihrem Tod als Vorerbin eintrete. Sie hat sich zur Begründung ihres Antrags auf die beiden letzten gemeinschaftlichen Testamente gestützt. Der gemeinsame Sohn der Ehegatten ist dem Antrag entgegengetreten mit der Begründung, sowohl der Erblasser als auch die Antragstellerin seien zum Zeitpunkt der Errichtung beider Testamente testierunfähig gewesen. Das Nachlassgericht ist nach Einholung eines Sachverständigengutachtens zur Überzeugung gelangt, dass die Antragstellerin testierunfähig gewesen sei. Bezogen auf den Erblasser hat sich hingegen nicht die Überzeugung von einer Testierunfähigkeit zum Zeitpunkt der Errichtung der vorgenannten Testamente gebildet. Die Testamente könnten jeweils in ein Einzeltestament des Erblassers umgedeutet werden, weshalb es die für die Erteilung des Erbscheins erforderlichen Tatsachen für festgestellt erachtet hat. Gegen diese Entscheidung wandte sich der Sohn der Ehegatten mit der Beschwerde und begehrte die Zurückweisung des Erbscheinsantrages.

     

    Das OLG Celle (14.3.24, 6 W 106/23, Abruf-Nr. 242166) hat den Antrag auf Erteilung des Erbscheins zurückgewiesen und ausgeführt, dass die zur Erteilung des Erbscheins erforderlichen Tatsachen nicht für festgestellt zu erachten seien, § 352e Abs. 1 S. 1 FamFG.

     

    Entscheidungsgründe

    Zur Begründung hat das OLG im Wesentlichen ausgeführt: Ein wirksames gemeinschaftliches Ehegattentestament nach §§ 2265, 2267 S. 1 BGB setze voraus, dass beide Ehegatten bei der Testamentserrichtung testierfähig sind. Ein Testament könne nicht errichten, wer nach § 2229 Abs. 4 BGB wegen krankhafter Störung der Geistestätigkeit, Geistesschwäche oder wegen Bewusstseinsstörungen nicht in der Lage ist, die Bedeutung einer von ihm abgegebenen Willenserklärung einzusehen und nach dieser Einsicht zu handeln. Da ein gemeinschaftliches Testament vom Willen beider Eheleute getragen sei, erfordere eine wirksame Verfügung von Todes wegen die Testierfähigkeit eines jeden Ehegatten. Daran fehle es bei einem Ehegatten, weshalb der Antrag auf Erteilung des Erbscheins zurückzuweisen sei.

     

    Eine Umdeutung (§ 140 BGB) des unwirksamen gemeinschaftlichen Testaments in ein Einzeltestament des Erblassers komme hier nicht in Betracht, weil der Erblasser die getroffenen Anordnungen nicht eigenhändig geschrieben, sondern den von der Antragstellerin geschriebenen Text nur unterschrieben habe. Die Umdeutung als Einzeltestament komme hier nur für den Teil in Betracht, der die Verfügung eigenhändig niedergelegt (Antragstellerin) und somit die in § 2247 BGB genannten Voraussetzungen erfüllt habe.

     

    Relevanz für die Praxis

    Der Grundsatz, dass ein gemeinschaftliches Testament nur dann wirksam ist, wenn beide Ehegatten zum Zeitpunkt der Errichtung desselben testierfähig waren, wird in der Praxis oft übersehen und die Problematik der Wirksamkeit erst beim Tod des Letztversterbenden geprüft. Zu Recht und mit zutreffender Begründung hat das OLG auch die Rechtsbeschwerde in Ermangelung der Voraussetzungen des § 70 Abs. 2 FamFG nicht zugelassen.

     

    MERKE | Ist einer der Ehegatten/Lebenspartner bei der Errichtung des gemeinschaftlichen Testaments testierunfähig gewesen, muss bereits beim Tod des Erstversterbenden die Wirksamkeit des gemeinschaftlichen Testaments sowie die Möglichkeit der Umdeutung nach § 140 BGB geprüft werden. Folgende Konstellationen können in der Praxis auftreten:

     

    • Schreibt und unterschreibt jeder der Ehegatten/Lebenspartner jeweils seine Verfügungen, sind beide formwirksam. Ist einer der beiden oder sind beide Ehegatten/Lebenspartner testierunfähig gewesen, sind eine oder beide Verfügungen unwirksam. Eine Umdeutung kommt nicht in Betracht.
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    • War derjenige Ehegatte/Lebenspartner, der das gemeinschaftliche Testament geschrieben und unterschrieben hat, testierunfähig, ist das gemeinschaftliche Testament unwirksam und eine Umdeutung in ein Einzeltestament kommt für den Teil, der das gemeinschaftliche Testament lediglich unterschrieben hat, nicht in Betracht. Bei ihm liegen die Voraussetzungen des § 2247 Abs. 1 BGB gerade nicht vor.
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    • War derjenige Ehegatte/Lebenspartner, der das gemeinschaftliche Testament lediglich unterschrieben hat, testierunfähig, kommt eine Umdeutung als Einzeltestament allein für den anderen Ehegatten, der die Verfügung eigenhändig geschrieben und unterschrieben, also die Voraussetzungen des § 2247 Abs. 1 BGB erfüllt hat, in Betracht.
     
    Quelle: Ausgabe 07 / 2024 | Seite 113 | ID 50070038