· Fachbeitrag · Nachlassverbindlichkeiten
Grabpflegekosten sind keineNachlassverbindlichkeiten im Sinne des § 2311 BGB
von RA Uwe Gottwald, VorsRiLG a.D., Vallendar
| Der BGH hat entschieden, dass Grabpflegekosten keine Nachlassverbindlichkeiten im Sinne von § 1968 BGB sind. Auch eine letztwillige Verfügung des Erblassers mit Auflage an die Erben zur Grabpflege führe nicht zu einer Kürzung des Pflichtteilsanspruchs. |
Sachverhalt
Die Erblasserin hatte ein eigenhändiges Testament errichtet, in dem sieTestamentsvollstreckung und eine Auflage zur Grabpflege für die Dauer von 20 Jahren angeordnet und mehrere Personen zu Miterben eingesetzt hat.
Der Kläger machte gegen die Beklagten einen Anspruch auf Zusatzpflichtteil geltend, der sich gegen die Erben und die Testamentsvollstreckerin wandte. Dabei hat er die Auffassung vertreten, die Grabpflegekosten seien beim Zusatzpflichtteil nicht zu berücksichtigen.
AG und LG haben die Klage abgewiesen. Die Abweisung hat das LG damit begründet, die Kosten für die Grabpflege seien als Nachlassverbindlichkeiten anzusehen. Zwar handele es sich dabei nicht um Beerdigungskosten im Sinne des § 1968 BGB, da die Beerdigung mit der erstmaligen Herrichtung der Grabstätte abgeschlossen sei. Es sei jedoch die Anordnung im Testament, dass der „Rest“ des Vermögens für die 20-jährige Grabpflege aufzuwenden sei, so auszulegen, dass den Erben testamentarisch die Pflicht auferlegt worden sei, für eine solche Grabpflege zu sorgen. Dem Erblasserwillen könne deshalb nur zur Geltung verholfen werden, wenn die Kosten der Grabpflege als Nachlassverbindlichkeiten abgezogen wurden. Das LG hat die Revision zugelassen. Mit der Revision verfolgte der Kläger seinen Anspruch weiter.
Entscheidungsgründe
Der BGH (26.5.21, IV ZR 174/20, Abruf-Nr. 222867) hat das Urteil des LG aufgehoben, die Sache an das Berufungsgericht zurückverwiesen und dazu ausgeführt:
Die Kosten für die Grabpflege seien im Rahmen der Berechnung des Pflichtteilsanspruchs gemäß § 2311 BGB nicht als Nachlassverbindlichkeiten abzuziehen. Zwar trage gemäß § 1968 BGB der Erbe die Kosten der Beerdigung des Erblassers. Hiervon erfasst würden aber nur die eigentlichen Kosten der Beerdigung, also des Bestattungsaktes selbst, der seinen Abschluss mit der Errichtung einer zur Dauereinrichtung bestimmten und geeigneten Grabstätte findet. Kosten der Instandhaltung und Pflege der Grabstätte und des Grabmals zählen nicht mehr zu den Kosten der Beerdigung, sondern entspringen allenfalls einer sittlichen Verpflichtung des Erben. Auch die Möglichkeit, erbschaftsteuerlich Grabpflegekosten abzusetzen (§ 10 Abs. 5 Nr. 3 ErbStG), vermöge an dieser fehlenden rechtlichen Verpflichtung des Erben zur Grabpflege nichts zu ändern, da die steuerliche Berücksichtigungsfähigkeit von Aufwendungen nichts über die zivilrechtliche Verpflichtung desErben zur Kostentragung besagt (BGH, a. a. O., Rn. 14).
Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts vermöge auch die Anordnung im Testament der Erblasserin, den Rest ihres Vermögens für die Beerdigung sowie für 20 Jahre Grabpflege zu verwenden, keine dem Kläger als Pflichtteilsberechtigten entgegenzuhaltende Nachlassverbindlichkeit zu begründen. Zu den Nachlassverbindlichkeiten gehörten gemäß § 1967 Abs. 2 BGB außer den vom Erblasser herrührenden Schulden die den Erben als solchen treffenden Verbindlichkeiten, insbesondere die Verbindlichkeiten aus Pflichtteilsrechten, Vermächtnissen und Auflagen (BGH, a. a. O., Rn. 16).
Eine Nachlassverbindlichkeit könne zwar durch eine Erwähnung der Grabpflege in der letztwilligen Verfügung begründet werden, wenn bereits der Erblasser zu Lebzeiten einen Grabpflegevertrag geschlossen hatte, der sodann die Erben als dessen Rechtsnachfolger gemäß § 1922 BGB binde (u. a.: OLG Schleswig ZEV 10, 196). Ein solcher Fall liege hier aber nicht vor, da die Erblasserin zu ihren Lebzeiten keinen derartigen Vertrag geschlossen hatte.
Zu Unrecht nehme das Berufungsgericht an, die testamentarische Anordnung, dass der Rest des Vermögens für eine 20-jährige Grabpflege zu verwenden sei, begründe bereits eine Nachlassverbindlichkeit in Form einer Erbfallschuld, die im Rahmen der Berechnung des Zusatzpflichtteils gemäß § 2305 BGB zu berücksichtigen sei. Die Bestimmung eines Erblassers ineiner letztwilligen Verfügung hinsichtlich Art und Umfang der nach seinem Tod durchzuführenden Grabpflege sei als Auflage gemäß §§ 1940, 2192 BGB (BayObLG ZEV 03, 241) oder ‒ je nach Ausgestaltung ‒ als Zweckvermächtnis gemäß §§ 1939, 2156 BGB anzusehen. Eine auf einer Auflage beruhende Nachlassverbindlichkeit führe nicht zu einer Kürzung eines Pflichtteils- oder Zusatzpflichtteilsanspruchs. Nach einhelliger Auffassung ist der Pflichtteilsanspruch gegenüber den Ansprüchen aus Auflagen und Vermächtnissen vorrangig. Dieser Vorrang des Pflichtteilsanspruchs gelte auch dann, wenn der Erblasser ‒ wie hier ‒ Grabpflege in Form einer Auflage angeordnet habe.
Relevanz für die Praxis
Der Berater wird bei der Testamentsgestaltung darauf hinweisen müssen, dass der Erblasser zu seinen Lebzeiten einen Grabpflegevertrag abschließt, der für den Fall seines Todes die Erben gemäß § 1922 BGB bindet.
Für die Praxis hat der BGH weiterhin bestätigt, dass die Klage zulässig sei, obwohl der Kläger nicht alle Miterben verklagt hat, da er eine Gesamtschuld (§ 2058 BGB) und nicht eine Gesamthandsklage, die sich auch nur gegen einzelne Miterben als Gesamtschuldner richte, erhoben habe. Ferner stellt er in ständiger Rechtsprechung fest, dass ein Pflichtteilsanspruch gemäß § 2213 Abs. 1 S. 3 BGB, auch wenn dem Testamentsvollstrecker die Verwaltung des Nachlasses zusteht, nur gegen die Erben geltend gemacht werden kann. Diese Klage kann mit einem Anspruch gegen den Testamentsvollstrecker auf Duldung der Zwangsvollstreckung verbunden werden, um gemäß § 748 Abs. 3 ZPO eine Vollstreckung in den der Testamentsvollstreckung unterliegenden Nachlass zu ermöglichen.