· Fachbeitrag · Nachlassverzeichnis
Verweigerung der Amtstätigkeit des Notars zur Aufnahme eines Nachlassverzeichnisses
von RA Uwe Gottwald, VorsRiLG a. D., Vallendar
| Der BGH hat sich in einer Entscheidung auf eine Rechtsbeschwerde mit der Verweigerung der Amtstätigkeit des Notars zur Aufnahme eines Nachlassverzeichnisses befasst. |
Sachverhalt
Die Beschwerdeführerin, die durch Teilurteil des angerufenen LG verurteilt worden war, begehrt als Alleinerbin des Erblassers, dessen Lebensgefährtin sie war, die Anweisung an den Notar, ein notarielles Nachlassverzeichnis aufzunehmen. Sie beauftragte den Notar im Jahre 2021 mit der Aufnahme. Dieser stellte umfangreiche eigene Ermittlungen an. In diesem Zusammenhang reichte die Beschwerdeführerin auch vom Notar angeforderte Unterlagen ein, äußerte jedoch dabei ihre Unsicherheit in Bezug auf die Verlässlichkeit und Vollständigkeit ihrer Angaben betreffend das Vermögen des Erblassers.
Im Juni 2022 hat der Notar die Aufnahme des Nachlassverzeichnisses mit der Begründung abgelehnt, er sei nicht in der Lage, ein den hohen Anforderungen der Rechtsprechung genügendes Nachlassverzeichnis aufzunehmen. Seine Ermittlungsmöglichkeiten betrachte er als ausgeschöpft. Hilfsweise hatte er die Unzumutbarkeit einer weiteren Tätigkeit geltend gemacht.
Gegen die Weigerung des Notars, das Nachlassverzeichnis zu erstellen, hat die Beschwerdeführerin (Notar-)Beschwerde beim zuständigen LG eingelegt. Dies hat die Beschwerde unter Zulassung der Rechtsbeschwerde zurückgewiesen (LG Kreuznach ZEV 24, 239 m. Anm. von Keim). Zur Begründung hat das LG ausgeführt, es liege ein ausreichender Grund i. S. d. § 15 Abs. 1 S. 1 BNotO vor, der den Notar zur Verweigerung des Amtsgeschäfts berechtige.
Mit der Rechtsbeschwerde begehrt die Beschwerdeführerin die Aufhebung der Entscheidung des LG und die Anweisung an den Notar, das Verzeichnis aufzunehmen. Der BGH hat auf die Rechtsbeschwerde die angefochtene Entscheidung des LG aufgehoben und den Notar angewiesen, das begehrte Nachlassverzeichnis aufzunehmen.
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Entscheidungsgründe
Zur Begründung hat der BGH im Wesentlichen angeführt, dass der Notar ‒ entgegen der Auffassung des Beschwerdegerichts ‒ nicht berechtigt sei, die Aufnahme des Nachlassverzeichnisses abzulehnen. Diese Tätigkeit stelle sich gemäß § 10a Abs. 2, § 20 Abs. 1 S. 2 BNotO als Urkundstätigkeit dar, die der Notar nach § 15 Abs. 1 S. 1 BNotO nicht ohne ausreichenden Grund verweigern darf, an dem es hier fehle. Der Notar dürfe im Streitfall die Aufnahme des Nachlassverzeichnisses insbesondere nicht deswegen ablehnen, weil sie mit seinen Amtspflichten nicht vereinbar wäre (§ 14 Abs. 2 BNotO).
Rechtsfehlerhaft meine das Beschwerdegericht, der Notar würde in diesem Fall gegen die Vermutung der Vollständigkeit der notariellen Urkunde eine unvollständige Urkunde errichten. Die von der Rechtsprechung für über ein Rechtsgeschäft aufgenommene notarielle Urkunden entwickelte Vermutung der Vollständigkeit und Richtigkeit sei auf das notarielle Nachlassverzeichnis, das seiner Rechtsnatur nach eine (einseitige) Wissenserklärung darstelle (BGHZ 232, 77; BGH ZEV 22, 84), nicht übertragbar und könne daher nicht zur Begründung einer Verweigerung der Amtstätigkeit herangezogen werden.
Auch aus den Grundsätzen über den Umfang der Auskunftspflicht (§ 2314 BGB) könne nicht auf eine Berechtigung des Notars, bei verbleibenden Unklarheiten die Urkundstätigkeit zu verweigern, geschlossen werden (wird ausgeführt).
Stelle der Notar im Rahmen seiner Ermittlungspflicht die gebotenen Nachforschungen an und wirke der Erbe ‒ die Beschwerdeführerin ‒ bei der weiteren Sachverhaltsaufklärung im erforderlichen und ihr zumutbaren Umfang mit, berechtigten verbleibende Unklarheiten den Notar nicht zur Verweigerung der Amtstätigkeit. Vielmehr habe er den zugrunde liegenden Sachverhalt in das Verzeichnis aufzunehmen und seine Zweifel zum Ausdruck zu bringen.
Keinen ausreichenden Grund im Sinne des § 15 Abs. 1 S. 1 BNotO stelle ferner der mit der Aufnahme des Nachlassverzeichnisses verbundene Zeitaufwand dar. Der Notar habe als Träger eines öffentlichen Amtes die Pflicht zur Amtsbereitschaft, die im allgemeinen Interesse dazu diene, in dem betreffenden Amtsbezirk und -bereich eine ausreichende, geordnete und leistungsfähige vorsorgende Rechtspflege zu gewährleisten. Hiermit sei es in der Regel unvereinbar, wenn er eine gesetzlich vorgesehene Amtstätigkeit unter Verweis auf deren Zeitintensität verweigere.
FAZIT | Nachdem sich der BGH (ZEV 20, 695) im Anschluss an die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (NJW 16, 2943) und die obergerichtliche Rechtsprechung (vgl. u. a.: OLG Hamm, ZEV 20, 295; OLG Frankfurt ErbR 22, 528) ausführlich und grundsätzlich mit den Fragen der Erstellung eines notariellen Nachlassverzeichnisses und den Pflichten des Notars befasst hatte (siehe auch BGH 7.3.24, I ZB 40/23, Abruf-Nr. 240748, vgl. EE 24, 73), hat er nun deutlich aufgezeigt, unter welchen Voraussetzungen ein Notar die Aufnahme eines notariellen Nachlassverzeichnisses verweigern darf. Bedeutsam dabei ist, dass er auch den mit der Aufnahme des Nachlassverzeichnisses verbundenen Zeitaufwand nicht als ausreichenden Grund zur Verweigerung der Amtshandlung (§ 15 Abs. 1 S. 1 BNotO) angesehen hat. |