· Fachbeitrag · Nachlassvollstreckung
Vollstreckbare Ausfertigung für Miterben als Titelgläubiger eines Nachlassanspruchs
von Dipl.-Rechtspfleger Peter Mock, Koblenz
| Der BGH hat entschieden, dass ein Miterbe, der allein oder zusammen mit weiteren Miterben Titelgläubiger eines zum Nachlass gehörendenAnspruchs ist, die Erteilung einer vollstreckbaren Ausfertigung des Titels verlangen kann, die nur ihn als Vollstreckungsgläubiger ausweist. |
Sachverhalt
In einem Zwangsversteigerungsverfahren hatte einer der Miterben zum Zwecke der Aufhebung einer Gemeinschaft (Teilungsversteigerung) den Zuschlag auf sein Gebot erhalten, wodurch er zum Alleineigentümer des Grundstücks der ehemaligen Gemeinschaft wurde. Nach Abschluss des Verteilungsverfahrens stellte das AG durch Beschluss fest, dass der Erbengemeinschaft gegen diesen Miterben (Antragsgegner) noch eine Forderung in Höhe von 152.306,60 EUR zusteht. Über diese Forderung hat das AG dem Antragsteller als Miterbe und ehemaligem Miteigentümer des Grundstücks eine vollstreckbare Ausfertigung des Zuschlagsbeschlusses mit folgender Vollstreckungsklausel erteilt:
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„Vorstehende Ausfertigung wird dem ehemaligen Miteigentümer D. (Antragsteller) zum Zwecke der Zwangsvollstreckung gegen den Ersteher W. (Antragsgegner) … wegen folgender Forderung erteilt:
152.306,60 EUR den ehemaligen Miteigentümern Dr. H. W., D. W. und Di. zustehender unverteilt gebliebener Erlösüberschuss.“ |
Gegen die Erteilung dieser Vollstreckungsklausel hat der AntragsgegnerErinnerung eingelegt und beantragt, die Vollstreckung aus der vollstreckbaren Ausfertigung für unzulässig zu erklären. Das AG hat die Erinnerung zurückgewiesen. Die dagegen gerichtete sofortige Beschwerde des Antragsgegners ist ohne Erfolg geblieben. Der BGH wies die Rechtsbeschwerde des Antragsgegners zurück (BGH 4.11.20, VII ZB 69/18, Abruf-Nr. 219320).
Entscheidungsgründe
Nach dem BGH kann jeder Miterbe als Gläubiger eine vollstreckbare Titelausfertigung für sich selbst verlangen, die aber nur diesen als Vollstreckungsgläubiger ausweist. Es soll nämlich jedem Miterben möglich sein, unabhängig von den weiteren Miterben einen zum Nachlass gehörenden Anspruch einzufordern, einzuklagen und im Wege der Zwangsvollstreckung durchzusetzen. Letzteres würde erheblich erschwert bzw. verhindert, könnte ein Miterbe nur eine vollstreckbare Ausfertigung erlangen, die nicht ausschließlich ihn, sondern alle Miterben als Vollstreckungsgläubiger ausweisen würde.
Beachten Sie | Werden in einer vollstreckbaren Ausfertigung mehrere Personen als Vollstreckungsgläubiger bezeichnet, so ist der Vollstreckungsantrag (vgl. für die Zwangsvollstreckung durch den Gerichtsvollzieher § 753 ZPO) grundsätzlich durch alle als Vollstreckungsgläubiger bezeichneten Personen gemeinsam zu stellen, so der BGH. Etwas anderes gelte dann, wenn sich aus dem dem Titel zugrunde liegenden Rechtsverhältnis materiell-rechtlich ergibt, dass jeder Vollstreckungsgläubiger die Leistung an alle fordern kann. Allerdings gilt im formellen Zwangsvollstreckungsrecht, dass es nicht die Aufgabe des Vollstreckungsorgans ist, materiell-rechtliche Prüfungen vorzunehmen.
Die Vollstreckungsorgane haben deshalb eine titulierte Forderung nicht dahin gehend zu bewerten, ob es sich um einen von einem Miterben geltend gemachten Nachlassanspruch handelt und deshalb die Voraussetzungen des § 2039 S. 1 BGB erfüllt sind. Das Vollstreckungsorgan kann daher auf den Vollstreckungsantrag eines von mehreren Vollstreckungsgläubigern nurtätig werden, wenn sich aus dem Titel unabhängig von einer materiell-rechtlichen Prüfung eindeutig das Recht dieses Vollstreckungsgläubigers ergibt, losgelöst von den anderen den titulierten Anspruch zu vollstrecken. Diese Voraussetzung wird im Regelfall nicht vorliegen, mit der Folge, dass kein zulässiger Antrag auf Durchführung der Zwangsvollstreckung gestellt wird und das Vollstreckungsorgan ein Tätigwerden zu Recht ablehnt.
Die Gefahr einer mehrfachen Vollstreckung in das Vermögen des Schuldners ist nach Auffassung des BGH nicht gegeben. Dieser kann vielmehr mittels Vollstreckungsabwehrklage (§ 767 Abs. 1, § 775 Nr. 1, § 776 S. 1 ZPO) und ggf. im Rahmen eines einstweiligen Rechtsschutzes nach §§ 769, 775 Nr. 2 ZPO geltend machen, der titulierte Anspruch sei bereits durch eine erfolgreiche Vollstreckung eines anderen Miterben ganz oder teilweise erfüllt. Die Richter weisen jedoch klar darauf hin, dass Voraussetzung der Klauselerteilung ist, dass die beabsichtigte Zwangsvollstreckung zugunsten aller Miterben durchgeführt wird, der Erlös der Zwangsvollstreckung somit allen Miterben zugutekommt. Dies muss unzweifelhaft aus dem Wortlaut der durch das Gericht zu erteilenden Vollstreckungsklausel hervorgehen.
Relevanz für die Praxis
Die Entscheidung erleichtert für Miterben zugunsten der Gemeinschaft die Vollstreckung einer der Gemeinschaft zustehenden Forderung. Gehört ein Anspruch zum Nachlass, kann jeder Miterbe von dem Verpflichteten (hier: Ersteher als Miterbe) die Leistung an alle Erben nach § 2039 S. 1 BGB fordern. Dadurch ist gewährleistet, dass jeder Miterbe die durch Untätigkeit einzelner Miterben drohenden Nachteile abwenden kann, ohne selbst einen unberechtigten Sondervorteil zu haben und ohne erst umständlich auf Zustimmung der übrigen Miterben klagen zu müssen (BGH NJW 06, 1969).
PRAXISTIPP | Grundsätzlich bedarf es bei der Erteilung einer Vollstreckungsklausel zugunsten eines Miterben keines besonderen Hinweises, dass Leistungen an alle Miterben erfolgen müssen. Denn dies hat sich bereits aus dem Titel selbst zu ergeben, mit dem die Vollstreckungsklausel eine Einheit bildet (§ 725 ZPO). |