· Fachbeitrag · Nichteheliche Lebensgemeinschaft
Bindende Schlusserbenbestimmung im Erbvertrag
von RiOLG Dr. Andreas Möller, Hamm
Der überlebende Vertragspartner kann im Einzelfall an die Erbeinsetzung eines seiner eigenen Kinder gebunden sein, das mehrere Jahre im gemeinsamen Haushalt gelebt und dem vorverstorbenen Vertragspartner besonders nahe gestanden hat (OLG München 3.11.14, 31 Wx 280/14, n.v., Abruf-Nr. 143359). |
Sachverhalt
Die Erblasserin E ist die Mutter von vier Töchtern, der Beteiligen zu 1 bis 3 und einer vorverstorbenen Tochter T. Der Ehemann M der E verstarb 1963. Ab 1968 lebte die E mit dem vorverstorbenen J in nichtehelicher Lebensgemeinschaft. Von den Töchtern lebte nur die jüngste, die Beteiligte zu 3, im Haushalt der beiden. 1973 setzte die E in einem notariellen Testament J zu ihrem Vorerben sowie ihre vier Töchter und den ehelichen Sohn S1 bzw. vorehelichen Sohn S2 des geschiedenen J je zu 1/6 als Nacherben ein. 1980 schlossen J und E einen notariellen Erbvertrag. Sie setzten sich zu alleinigen und unbeschränkten Erben ein. Zu Erben des Längstlebenden bestimmten sie die Beteiligte zu 3. Dem Überlebenden wurde das Recht eingeräumt, hinsichtlich des beiderseitigen Vermögens bzw. Nachlasses Teilungsanordnungen, und zwar auch im Wege der letztwilligen Verfügung zu treffen. Er sollte insbesondere auch ermächtigt sein, den oder die Übernehmer des hinterlassenen Grundbesitzes zu bestimmen sowie Höhe und Fälligkeit eventuell zu leistender Auszahlungen festzulegen. Er durfte hierbei die Erbteile der einzelnen Erben auch verschieden groß bestimmen. Mit notariellem Testament aus 1994 setzte die E die Beteiligen zu 1 und 2 als Erben ein. Mit notariellem Testament aus 2006 setzte sie die Beteiligte zu 2 als Alleinerbin ein und mit notariellem Testament aus 2011 die Beteiligte zu 1. Das AG hat die erforderlichen Tatsachen zur Erteilung des von der Beteiligten zu 3 beantragten Alleinerbscheins für festgestellt erachtet. Dagegen richtet sich erfolglos die Beschwerde der Beteiligten zu 1.
Entscheidungsgründe
Die Beteiligte zu 3 ist durch den Erbvertrag aus 1980 bindend zur Alleinerbin der E eingesetzt worden. Die abweichenden Testamente der E sind unwirksam, § 2289 Abs. 1 S. 2 BGB. Die im Erbvertrag vereinbarte Abänderungsbefugnis umfasst nicht, einen anderen Schlusserben zu bestimmen. Die Auslegung gem. §§ 133, 157 BGB ergibt, dass nicht nur die gegenseitige Erbeinsetzung von E und J vertragsmäßig getroffen ist, sondern auch die Bestimmung der Beteiligten zu 3 zur Erbin des Überlebenden. Bei einer Zuwendung an den Vertragspartner liegt die Annahme einer vertragsmäßigen Verfügung nahe. Desgleichen ist eine Zuwendung an eine mit dem Vertragspartner verwandte oder diesem nahe stehende Person i.d.R. als bindend und vertragsmäßig gewollt, vor allem, wenn ein Vertragsteil ein Interesse an der Bindung des Erblassers hatte (vgl. Palandt/Weidlich, BGB, 73. Aufl., § 2278 Rn. 2-4 m.w.N.).
Für die bindende Einsetzung spricht die nur eingeschränkte Abänderungsbefugnis hinsichtlich der Schlusserbenbestimmung. Dem Überlebenden ist ausdrücklich nur das Recht eingeräumt, Teilungsanordnungen zu treffen oder den Übernehmer des Grundbesitzes zu bestimmen sowie Höhe und Fälligkeit etwaiger Auszahlungen festzulegen und dabei die Erbteile der einzelnen Erben verschieden groß zu bestimmen. Daraus folgt, dass der Überlebende nicht berechtigt ist, einen anderen Erben einzusetzen. Dem steht nicht entgegen, dass die Befugnis zu Teilungsanordnungen und abweichender Bestimmung der Erbteile nur in dem Fall Bedeutung erlangen konnte, dass die eingesetzte Alleinerbin den Erbfall nicht erleben und mehrere Abkömmlinge an ihre Stelle treten würden (vgl. Ziff. 2 S. 2 des Erbvertrags). Das ändert nichts daran, dass eine Abänderungsbefugnis hinsichtlich der Person der eingesetzten Erbin und der Ersatzerben nicht eröffnet wird. Dabei haben die Vertragspartner nicht danach unterschieden, wer von beiden der Überlebende sein würde.
Auch die persönlichen Verhältnisse sprechen dafür, dass eine Bindung der E an die Erbeinsetzung der Beteiligten zu 3 gewollt war. Diese ist zwar nicht mit J verwandt. I.d.R. hat der Vertragspartner kein Interesse daran, den anderen hinsichtlich der Zuwendung an dessen Verwandte zu binden (BGH NJW 61, 120). Hier liegen aber besondere Umstände vor, die ein Interesse des Vertragspartners an der erbvertraglichen Bindung der E an die Erbeinsetzung ihrer eigenen Tochter begründen. Denn der J hatte für diese ab 1968 Vaterstelle eingenommen. Nachdem sie den gemeinsamen Haushalt verlassen hatte, entschlossen sich E und J, die Beteiligte zu 3), zur (alleinigen) Schlusserbin einzusetzen.
Praxishinweis
Gibt es bei Ehegatten erhebliche Unterschiede in den Vermögensverhältnissen ist Folgendes zu prüfen: Zu klären ist, ob derjenige, der geringere Zuwendungen oder gar keinen Vermögensvorteil zu erwarten hat, seine letztwillige Verfügung in ein Abhängigkeitsverhältnis zu der seines Ehegatten stellen und damit eine Bindungswirkung auch für sich eingehen will (OLG Hamm FamRZ 95, 1022). Unterschiedliche Vermögensverhältnisse führen jedoch nicht ohne Weiteres dazu, dass eine Bindung des vermögenden Vertragspartners an die Schlusserbeneinsetzung verneint werden müsste (BGH ZEV 12, 37). Dies gilt insbesondere, wenn z.B. ein Partner Alleineigentümer eines Grundstücks ist, der andere aber sein Einkommen für die Renovierung zur Verfügung stellt.