· Fachbeitrag · Rechte und Pflichten bezüglich des Nachlasses
Wichtige Regelungspunkte beim digitalen Nachlass
von lic. jur. Regula Heinzelmann, Zürich
| Der digitale Nachlass wird immer bedeutsamer. Deswegen sollte der Erblasser Anordnungen dazu treffen. |
1. Regelungsbedarf
Stirbt jemand, können Versteigerungen und sonstige Internetgeschäfte in Gang sein. Je nach Vertrag muss das Geschäft storniert werden, sonst haften die Erben. Daher sollte der Erblasser testamentarisch regeln, wie die Erben mit digitalen Verbindungen wie sozialen Webseiten und E-Mail-Konten verfahren sollen und wie Geschäfte abzuwickeln sind. Nach dem Tod gehören der Computer und sein Inhalt zum Nachlass. Der Erbe kann sich einen Erbschein (§ 2353 BGB) erteilen lassen, um z.B. gegenüber Webseiten-Hostern oder E-Mail-Anbietern Zugang zu den Accounts des Verstorbenen zu erlangen. Sind die Mitglieder einer Erbengemeinschaft uneinig darüber, wie vorgegangen werden soll, greift in eiligen Angelegenheiten das Notverwaltungsrecht des § 2038 Abs. 1 S. 2, HS. 2 BGB. Müssen z.B. eilige Geschäftsmails des Verstorbenen abgerufen werden, kann dies ein Miterbe allein erledigen.
PRAXISHINWEIS | Es gibt auch Unternehmen, die professionell Internetkonten, soziale Netzwerke und Festplatten nach dem Tod bearbeiten. Manchmal wird sogar empfohlen, Passwörter in einer verschlüsselten Cloud zu platzieren. Davon raten IT-Fachleute aber ab. |
2. Fernmeldegeheimnis
Im Bundesdatenschutzgesetz (BDSG) gibt es keine Regelung über Daten von Verstorbenen. Dem Fernmeldegeheimnis unterliegen nach § 88 Telekommunikationsgesetz (TKG) der Inhalt der Telekommunikation und ihre Umstände, insbesondere die Tatsache, ob jemand an einem Telekommunikationsvorgang beteiligt ist oder war. Die Pflicht zur Geheimhaltung besteht auch nach dem Ende der Tätigkeit fort, durch die sie begründet worden ist. Einem Dienstleister ist untersagt, sich oder anderen Kenntnis vom Inhalt oder den näheren Umständen der Telekommunikation zu verschaffen. Eine Verwendung dieser Kenntnisse für andere Zwecke, insbesondere die Weitergabe an andere, ist nur zulässig, soweit ein Gesetz dies vorsieht und sich dabei ausdrücklich auf Telekommunikationsvorgänge bezieht. Nach allgemeiner Ansicht gelten auch Arbeitgeber als Telekommunikationsanbieter gegenüber den Angestellten, wenn sie die private Nutzung des Internets mit den Geräten des Arbeitgebers erlauben (http://www.datenschutzbeauftragter-info.de/ueberwachung-am-arbeitsplatz-internetnutzung-vs-datenschutz/). Die Arbeitgeber müssen gegenüber ihren Angestellten das Fernmeldegeheimnis beachten, § 88 TKG. Das Zugriffsverbot der Arbeitgeber auf private Daten besteht weiter nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses, also auch beim Tod der Angestellten. Für Erben bedeutet das: Ohne eine ausdrückliche Vollmacht ist über den Provider kaum Zugang zu Mails eines anderen zu erhalten. Da bei Kommunikation normalerweise Dritte beteiligt sind, ist fraglich, ob eine Vollmacht wirksam ist. Wenn der Dienstleister Bevollmächtigten oder Erben Zugang zu Mails gewährt, wird das Telekommunikationsgeheimnis gegenüber den Kontaktpartnern des Verstorbenen verletzt. Und u.U. haben diese Kontaktpartner ein Interesse daran, dass Drittpersonen von dem Inhalt ihrer Nachrichten nichts erfahren.
Für Domainnamen muss der Domaininhaber laut den DENIC-Domainrichtlinien einen administrative Ansprechpartner (Admin-c) benennen. Dieser ist eine natürliche Person, die als sein Bevollmächtigter berechtigt und gegenüber DENIC auch verpflichtet ist, sämtliche die Domain betreffenden Angelegenheiten verbindlich zu entscheiden. Für jede Domain kann nur ein Admin-c benannt werden, das kann auch der Domaininhaber selber sein. Ein technischer Ansprechpartner (Tech-c) betreut die Domain. Er kann eine namentlich benannte natürliche Person oder eine abstrakt bezeichnete Personengruppe sein. Es ist zu empfehlen, für die Funktionen des Admin-c und des Tech-c verschiedene Personen zu benennen. Für Todesfälle enthalten die Domainrichtlinien noch keine Regelung.
3. Urheberrecht für digitalen Nachlass
Das Urheberrecht für Werke eines Verstorbenen gilt 70 Jahre nach seinem Tod, § 64 UrhG. In Bezug auf Werke, die noch nicht publiziert sind, ist der Wille des Urhebers zu respektieren. Man muss herausfinden, ob jemand die im Computer gespeicherten Werke publizieren wollte. Gibt es Miturheber müssen die Erben sich mit diesen verständigen. Das Urheberrecht ist zu Lebzeiten nicht übertragbar, § 29 Abs. 1, 1. HS. UrhG. Übertragen werden können nur Nutzungs- und Verwertungsrechte. Hingegen ist das Urheberrecht vererblich, §§ 28, 29 UrhG. Der Urheber kann durch letztwillige Verfügung die Ausübung des Urheberrechts einem Testamentsvollstrecker übertragen. Ordnet der Erblasser eine Dauervollstreckung nach § 2209 BGB an, wird diese gemäß § 28 UrhG nicht bereits nach 30 Jahren unwirksam. Urheber sollten testamentarisch regeln, wie mit ihrem Nachlass zu verfahren ist und wer dafür zuständig sein soll. Man kann die betreffenden Personen auch mit der Verwaltung der sozialen Webseiten beauftragen, sodass sie diese i.S. des Verstorbenen weiterführen.
4. Recht am eigenen Bild
Das Recht am eigenen Bild gilt auch für hinterlassene Fotos. Nach dem Gesetz betreffend das Urheberrecht an Werken der bildenden Künste und der Photographie (§ 22 KunstUrhG) dürfen Bildnisse nur mit Einwilligung des Abgebildeten verbreitet oder veröffentlicht werden. Die Einwilligung gilt im Zweifel als erteilt, wenn der Abgebildete dafür honoriert wurde. Nach dem Tod des Abgebildeten benötigt man bis zum Ablauf von zehn Jahren die Einwilligung seiner Angehörigen, § 22 S. 3 KunstUrhG. Dazu zählen der überlebende Ehe- oder Lebenspartner und die Kinder oder die Eltern des Abgebildeten, § 22 S. 4 KunstUrhG.
5. Verfügungen über den digitalen Nachlass
Verfügungen über den digitalen Nachlass kann man in einem Testament treffen. In eine Vorsorgevollmacht gehören Bestimmungen über digitale Angelegenheiten für den Fall, dass man handlungsunfähig würde. Ggf. ist für laufende Geschäfte eine spezielle Vollmacht zu erteilen. Es kann sinnvoll sein, einer zweiten Vertrauensperson einen Kontrollauftrag zu erteilen. Es ist notwendig, die Vertrauenspersonen über wichtige Abläufe zu informieren. Am besten stellt man eine Liste zusammen, die man immer wieder aktualisiert. Diese kann man auf einem USB-Stick speichern und diesen in einem versiegelten Umschlag an einem Ort aufbewahren, z.B. im Banksafe. Wenn nötig kann man so auch Passwörter deponieren, z.B. zum Mailkonto. Zu regeln ist auch, ob Beiträge in sozialen Netzwerken geschrieben werden sollen, wofür man nötigenfalls einen geeigneten Ghostwriter engagieren muss.
Checkliste / Digitaler Nachlass |
Verfügung über digitalen Nachlass
Vorgehen bei Tod oder Handlungsunfähigkeit eines Angehörigen
Vorgehen beim Tod oder Handlungsunfähigkeit eines Angestellten
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Weiterführender Hinweis
- Haar, iX 13, 94, dazu, wer beim Tod von Nutzern deren Daten erbt (http://www.heise.de/ix/artikel/Post-mortem-1936985.html)