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  • · Fachbeitrag · Testament

    „Auffangtestament“ als Rettungsanker beim Widerruf wechselseitiger Verfügungen

    von RA Holger Siebert, FA Erbrecht und Steuerrecht, Alsfeld

    | Die Bindungswirkung wechselbezüglicher Verfügungen bedeutet, dass die Ehegatten nach dem Tod des jeweils anderen gehindert sind, ohne Weiteres einseitig abweichende Verfügungen von Todes wegen zu treffen. Dagegen können alle Verfügungen eines Ehegattentestaments von jedem einzelnen Ehegatten widerrufen werden, solange beide Ehegatten noch leben. Etwas anderes gilt nur, wenn ein Ehegatte testierunfähig wird. |

    1. Widerrufsmöglichkeit wechselbezüglicher Verfügungen

    Der Widerruf (§ 2271 BGB) erfolgt bei wechselbezüglichen Verfügungen und auch beim nur privatschriftlich errichteten gemeinschaftlichen Testament nach dem für den Rücktritt vom Erbvertrag geltenden § 2296 BGB. Erforderlich ist eine notariell beurkundete Widerrufserklärung, die in Urschrift oder Ausfertigung dem anderen zu dessen Lebzeiten zugehen muss (BGHZ 31, 5 = NJW 60, 33; BGHZ 36, 201). Hierbei kann sich der Widerruf auch lediglich auf eine einzelne wechselbezügliche Verfügung beziehen, vgl. § 2253 BGB. Der Widerruf einer oder mehrerer wechselbezüglicher Verfügungen bewirkt nicht nur die Unwirksamkeit der betreffenden wechselbezüglichen Verfügungen des Widerrufenden, sondern hat auch die Unwirksamkeit der korrespondierenden Verfügungen des Widerrufsempfängers zur Folge, § 2270 Abs. 1 BGB.

    2. Testierunfähigkeit des Widerrufsempfängers

    Fraglich ist, ob und bejahendenfalls unter welchen Voraussetzungen beim gemeinschaftlichen Testament ein Widerruf zu Lebzeiten der Testatoren möglich ist, wenn einer der Ehegatten bzw. Lebenspartner nicht mehr geschäftsfähig oder testierfähig ist oder dies sogar für beide Testatoren zutrifft. Gemäß § 10 Abs. 4 S. 1 LPartG können auch Lebenspartner ein gemeinschaftliches Testament errichten. Die Widerrufsvorschrift des § 2271 BGB gilt entsprechend, § 10 Abs. 4 S. 2 LPartG. Grundsätzlich können gemäß § 2253 BGB Testatoren eines gemeinschaftlichen Testaments sämtliche ihrer wechselbezüglichen Verfügungen i.S. des § 2270 BGB oder einzelne davon widerrufen.