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  • · Fachbeitrag · Testament

    Widerruf einer Schenkung durch Testament

    von RA Dr. Gudrun Möller, FA Familienrecht, Münster

    | Der BGH hat entschieden, unter welchen Voraussetzungen ein Erblasser ein Schenkungsangebot durch ein Testament widerrufen kann. |

    Sachverhalt

    Die Kläger verlangen als Erben und Testamentsvollstrecker (TV) der Erblasserin (E) die Herausgabe der in einem von der Streithelferin (St) des Beklagten (B) verwalteten Wertpapierdepot der E noch vorhandenen Wertpapiere und ‒ soweit der B über diese in der Zwischenzeit verfügt hat ‒ Erstattung des Werts. Die E, die bei der St ein Wertpapierdepot unterhielt, schloss mit dieser 1976 eine Vereinbarung, nach der mit dem Tod der E das Eigentum an den zu diesem Zeitpunkt noch im Depot verwahrten Wertpapieren auf die St übergehen sollte. Der B sollte mit dem Tod der E das Recht erwerben, von der St die Übertragung der auf diese übergegangenen Wertpapiere auf sich zu fordern. Der B sollte ein von der St zu übermittelndes Schenkungsangebot der E mit dem Empfang der Nachricht über seine Begünstigung stillschweigend annehmen können. Die E behielt sich das Recht vor, die Vereinbarung gegenüber der St einseitig schriftlich aufheben zu können. Den Erben sollte dieses Recht nach dem Tod der E nur bis zur Annahme des Schenkungsangebots durch den B zustehen. Die Vereinbarung wurde dem B zu Lebzeiten der E nicht bekannt gegeben.

     

    Mit privatschriftlichem, in amtliche Verwahrung gegebenem Testament aus 2007 setzte die E die TV zu Erben und Testamentsvollstreckern ein. In Abschnitt 2c des Testaments teilte sie ihr gesamtes bei der St angelegtes Kapitalvermögen auf, ohne den B zu erwähnen. B hat kurz nach dem Tod der E in 2009 Kenntnis vom Testament erlangt.

     

    Die St benachrichtigte den B 2011 und damit gut zwei Jahre nach der Eröffnung des Testaments der E telefonisch von der Vereinbarung aus 1976 und übertrug den Inhalt des Wertpapierdepots auf den B.

     

    Das LG hat den B verurteilt, die noch vorhandenen Wertpapiere herauszugeben und den Wert der von ihm veräußerten Wertpapiere zu erstatten. Die dagegen gerichtete Berufung des B und seine Revision blieben erfolglos.

     

     

    • a) Verfügt ein Erblasser in einem Testament umfassend über sein Vermögen, so kann dies jedenfalls dann als konkludenter Widerruf einer früheren entgegenstehenden rechtsgeschäftlichen Erklärung anzusehen sein, wenn der Erblasser sich von dieser Erklärung auch schon zu Lebzeiten jederzeit hätte einseitig lösen können.
    • b) Das Bewusstsein, in einem Testament die Verteilung des Vermögens umfas-send zu regeln, schließt das Bewusstsein, dass damit etwaige entgegenste-hende frühere Verfügungen widerrufen werden, mit ein. Ein gesondertes Erklärungsbewusstsein, das gezielt auf den Widerruf einer bestimmten Willenserklärung gerichtet ist, ist darüber hinaus nicht erforderlich.
    • c) Eine Willenserklärung in einem in amtliche Verwahrung genommenen Testament ist gegenüber jedem als abgegeben anzusehen, den es angeht, auch wenn er in dem Testament nicht bedacht ist.
     

    Entscheidungsgründe

    Den TV stehen die Ansprüche auf Herausgabe und Erstattung des Werts der aus dem von der St verwalteten Wertpapierdepot der E stammenden Wertpapiere zu, da kein Schenkungsvertrag zwischen der E und dem B zustande gekommen ist und somit im Verhältnis zu ihnen kein Rechtsgrund für das Behaltendürfen der dem B übertragenen Vermögensgegenstände besteht.

     

    Verfügung zugunsten Dritter auf den Todesfall

    Bei der Vereinbarung zwischen der E und der St handelt es sich um eine Verfügung unter Lebenden zugunsten Dritter auf den Todesfall. Hierbei ist zu unterscheiden zwischen

    • dem Deckungsverhältnis des Verfügenden zum Versprechenden, das die Voraussetzungen für den Leistungsanspruch des Begünstigten gegenüber dem Versprechenden regelt, und

     

    • dem Valutaverhältnis zwischen dem Verfügenden und dem Begünstigten, nach dem sich bestimmt, ob der Begünstigte die Zuwendung im Verhältnis zu den Erben des Verfügenden behalten darf.

     

    Beide Rechtsverhältnisse unterliegen allein dem Schuldrecht; erbrechtliche Bestimmungen greifen nicht (BGH NJW 13, 3448).

     

    Im Deckungsverhältnis liegt ein Vertrag zugunsten Dritter vor, durch den der B als Begünstigter gegenüber der St einen Anspruch auf die Übertragung der mit dem Tod der E zunächst in das Eigentum der St übergegangenen Wertpapiere erhalten hat, §§ 328, 331 BGB.

     

    Ob der B das auf diese Weise Erlangte im Verhältnis zu den TV behalten darf oder nach den Vorschriften über die ungerechtfertigte Bereicherung herausgeben muss, richtet sich nach dem Valutaverhältnis. Im Streitfall liegt dem Valutaverhältnis eine Schenkung (§ 516 BGB) zugrunde. In der Vereinbarung ist von einem Schenkungsangebot der E die Rede. Der Schenkungsvertrag sollte wie folgt zustande kommen: Die St sollte als Botin das Schenkungsangebot der E an B übermitteln. Dieser sollte es ggf. stillschweigend mit dem Empfang der Nachricht der St annehmen. Dass eine wirksame Schenkung auch noch nach dem Tod des Verfügenden zustande kommen kann, folgt aus § 130 Abs. 2 BGB. Der Tod des Erklärenden beeinflusst die Wirksamkeit seiner Willenserklärung nicht. Aus § 153 BGB folgt, dass das Zustandekommen eines Vertrags nicht dadurch gehindert wird, dass der Antragende vor der Annahme seines Angebots stirbt. Der Formmangel wird dadurch geheilt, dass die Leistung bewirkt wird, § 518 Abs. 2 BGB (BGHZ 91, 288, 291 = FamRZ 84, 766).

     

    Kein wirksamer Schenkungsvertrag zwischen der E und dem B

    Zu dem Zeitpunkt, als die St den B über die Vereinbarung aus 1976 benachrichtigt hat, lag kein wirksames Schenkungsangebot mehr vor. Eine empfangsbedürftige Willenserklärung, die in Abwesenheit des Empfängers abgegeben wird, wird nach § 130 Abs. 1 S. 2 BGB nicht wirksam, wenn dem anderen vorher oder gleichzeitig ein Widerruf zugeht. Dabei kann ein Schenkungsangebot auch durch Testament widerrufen werden. Dies ist hier geschehen. Dieser Annahme steht nicht entgegen, dass die Vereinbarung über die Begünstigung des B nur durch schriftliche Erklärung gegenüber der St hätte aufgehoben werden können. Diese in der Vereinbarung vorgesehene Form der Aufhebung betrifft nur das Deckungsverhältnis zwischen der E oder ihren Erben und der St. Dadurch war nicht ausgeschlossen, dass die E ihr Schenkungsangebot im Valutaverhältnis gegenüber dem Begünstigten widerrief.

     

    Die E hat ihr Schenkungsangebot durch Testament widerrufen. Zwar leitet sie auch dessen Abschnitt 2, in dem sie die Verteilung ihres Kapitalvermögens regelt, mit den Worten ein: „Über die bei meinem Tod noch vorhandenen Sparbücher, Wertpapiere sowie sonstige Vermögensgegenstände (Beteiligungen etc.) bei den einzelnen Kreditinstituten verfüge ich wie folgt: i…“. Unter Abschnitt 2c, der sich auf das Kapitalvermögen bei der St bezieht, heißt es aber: „Mein gesamtes Kapitalvermögen bei der … (Konten, Sparbücher und Depots) teile ich wie folgt auf: …“. Danach zählte die E auch das in Rede stehende Wertpapierdepot zu dem bei ihrem Tod noch vorhandenen Vermögen. Auch der Aufbau des Testaments spricht dafür, dass die E eine umfassende Regelung bezüglich ihres gesamten Vermögens treffen wollte. Es ist in drei Abschnitte gegliedert: Abschnitt 1 betrifft das Immobilienvermögen, Abschnitt 2 das Kapitalvermögen und Abschnitt 3 die restlichen Gegenstände wie Mobiliar, Schmuck und persönliche Gebrauchsgegenstände und deren Zuweisung an die Erben und sonstigen Begünstigten. Bei dieser Gestaltung wäre zu erwarten gewesen, dass die E das Wertpapierdepot gesondert erwähnte, wenn es nicht von der unter Abschnitt 2c getroffenen Verfügung hätte erfasst werden sollen.

     

    Auch wenn das Eigentum an den Wertpapieren mit dem Tod der E auf die St übergehen und damit nicht in den Nachlass fallen sollte, solange die E gegenüber der St nicht die Vereinbarung aufhob, war nicht ausgeschlossen, dass die E darüber testamentarisch verfügte. Denn trotz der ‒ im Übrigen jederzeit frei widerruflichen ‒ Vereinbarung mit der St standen die Wertpapiere im Eigentum der E, als diese ihr Testament errichtete. Es ist fernliegend, dass die E diese nicht mehr als Bestandteil ihres Vermögens betrachtete.

     

    Es handelt sich um einen konkludenten Widerruf

    Die Verfügung unter Abschnitt 2c des Testaments ist als stillschweigender Widerruf des Schenkungsangebots zu sehen. Verfügt ein Erblasser im Testament umfassend über sein Vermögen, widerruft er damit im Zweifel konkludent eine entgegenstehende rechtsgeschäftliche Erklärung, wenn er sich davon jederzeit einseitig lösen kann. Die E hat verfügt, dass sie ihr „gesamtes Kapitalvermögen“ bei der St aufteile, und angegeben, dass es sich dabei um „Konten, Sparbücher und Depots“ handle. Sie hat u. a. die Namen der Bedachten aufgelistet. Dagegen hat sie weder den B noch die Vereinbarung mit der St erwähnt. Ebenso wenig ist der B bei den weiteren Verfügungen über das Immobilienvermögen und die sonstigen Vermögenswerte (Abschnitte 1 und 3 des Testaments) aufgeführt, bei denen die E eine detaillierte Aufteilung unter namentlicher Benennung der jeweils Bedachten, auch der Frau und der Töchter des B, vorgenommen hat. Die umfassende Regelung der Verteilung ihres Kapitalvermögens bei der St sowie ihres sonstigen Vermögens lässt damit den Willen der E erkennen, dass sie sich von entgegenstehenden Verfügungen, unabhängig davon, ob es sich dabei um testamentarische Verfügungen oder Erklärungen anderer Art handelte, insgesamt lösen wollte.

     

    Dazu war die E auch in der Lage, denn sie konnte die Vereinbarung mit der St jederzeit einseitig aufheben und das Schenkungsangebot, das die St dem B übermitteln sollte, jederzeit ohne Weiteres widerrufen. Dass der E die Vereinbarung mit der St im Zeitpunkt der Errichtung ihres Testaments möglicherweise nicht mehr gegenwärtig war, ändert daran nichts. Es fehlte der E nicht das dafür erforderliche Erklärungsbewusstsein. Bei den testamentarischen Verfügungen der E handelt es sich anders als im Fall des von der Revision in Bezug genommenen Urteils des BGH nicht um ein bloß tatsächliches Verhalten, das nur unter bestimmten Voraussetzungen als Willenserklärung behandelt werden kann (BGH ZEV 95, 190), sondern um Regelungen, denen nach dem Willen der E eine Rechtswirkung zukommen sollte, auch wenn sie diese jederzeit hätte frei widerrufen können, § 2253 BGB. Das Bewusstsein, in einem Testament die Verteilung des Vermögens umfassend zu regeln, schließt das Bewusstsein regelmäßig mit ein, dass damit etwaige entgegenstehende frühere Erklärungen, die gegenüber dem Bedachten noch nicht bindend geworden sind, widerrufen werden. Ein weitergehendes Erklärungsbewusstsein, das auf den Widerruf einer bestimmten, mit der testamentarischen Verfügung nicht in Einklang stehenden Erklärung gerichtet ist, ist darüber hinaus nicht erforderlich.

     

    Der Widerruf ist dem B 2009 zugegangen, bevor ihm 2011 die St das Schenkungsangebot der E übermittelte. Damit war das Angebot nach § 130 Abs. 1 S. 2 BGB zu diesem Zeitpunkt nicht mehr wirksam. Der B konnte mit der der St gegenüber erklärten Annahme keine Schenkungsvereinbarung mehr abschließen. Er musste das Testament spätestens mit der Benachrichtigung durch die St 2011 als Widerruf seiner Begünstigung in der Vereinbarung aus 1976 verstehen.

     

    Der B kann sich weder mit Erfolg darauf berufen, er habe nach dem Wortlaut der Vereinbarung aus 1976 davon ausgehen können, dass das Wertpapierdepot nicht zu dem vom Testament erfassten „vorhandenen“ Vermögen gehöre, noch kann er geltend machen, er habe das Testament nicht als Widerruf des Schenkungsangebots verstehen müssen, weil seine Begünstigung nur schriftlich gegenüber der St habe widerrufen werden können. Insoweit handelt es sich um einen unbeachtlichen Irrtum des B hinsichtlich der rechtlichen Beurteilung des von der E geschlossenen Vertrags zugunsten Dritter auf den Todesfall, der nichts daran ändert, dass Absprachen im Deckungsverhältnis nicht notwendig auch für das Valutaverhältnis gelten.

     

    Die Widerrufserklärung ist dem B auch wirksam zugegangen. Für das Wirksamwerden einer empfangsbedürftigen Willenserklärung ist ‒ außer dem Zugang an den Erklärungsgegner ‒ erforderlich, aber auch ausreichend, dass die Erklärung mit Willen des Erklärenden in den Verkehr gelangt ist und der Erklärende damit rechnen konnte, dass sie (sei es auch auf Umwegen) den richtigen Empfänger erreichen werde (BGH NJW 79, 2032, 2033). Diese Voraussetzung ist hier erfüllt. Die E hat das Testament in amtliche Verwahrung gegeben (§ 2248 BGB) und damit eine Verwahrungsart gewählt, die das Auffinden der Verfügung von Todes wegen und die Unterrichtung der Betroffenen hierüber sicherstellte. Eine in einem derartigen Testament abgegebene Erklärung gilt als gegenüber jedem abgegeben, den es angeht. Dies bedeutet Folgendes: Adressaten einer Willenserklärung in einem in amtliche Verwahrung gegebenen Testament sind nicht nur diejenigen Personen, die in dem Testament ausdrücklich erwähnt werden, sondern auch solche, die aufgrund ihrer Beziehung zum Erblasser zum Kreis der möglicherweise Betroffenen gehören, auch wenn sie in dem Testament nicht bedacht worden sind.

    Relevanz für die Praxis

    Bei einem Vertrag zugunsten Dritter besteht ein Drei-Personen-Verhältnis: Zwischen dem Versprechensempfänger (Gläubiger) und dem Versprechenden (Schuldner) besteht das Deckungs- oder Grundverhältnis, hier zwischen der E und der St. Zwischen dem Versprechensempfänger und dem Dritten besteht das Valuta- oder Zuwendungsverhältnis, hier zwischen der E und dem B. Aus dem Valutaverhältnis ergibt sich der Rechtsgrund für die Zuwendung an den Dritten. Es ist maßgeblich dafür, ob der Dritte die Leistung behalten darf (BGHZ 91, 290). Hier sollte das Valutaverhältnis gem. § 331 BGB erst nach dem Tod der E zustande kommen.

     

    Quelle: Ausgabe 02 / 2019 | Seite 22 | ID 45244178