· Fachbeitrag · Testamentsauslegung
Unklare Testamente gefährden die Nachfolge
von RA Ernst Sarres, FA Erbrecht und FA Familienrecht, Düsseldorf
| Einzeltestamente oder gemeinschaftliche Verfügungen können nach deutschem Recht privatschriftlich errichtet werden, §§ 2247, 2267 BGB. Das Formprivileg provoziert aber das Risiko ihrer Auslegungsbedürftigkeit oder Unwirksamkeit, wenn sie ohne fachliche Beratung errichtet werden. Eine Auswahl von aktuellen Entscheidungen zeigt, wie die Rechtsprechung mit formell fehlerhaften bzw. rechtlich zweifelhaften Testamenten umgeht. |
1. Untypisches Schriftbild (OLG Bamberg 25.2.19, 1 W 4/19)
Der 2018 verstorbene Erblasser und Vater von sechs Kindern (K1‒K6) setzte durch privatschriftliches Testament vom 15.6.16 eine Tochter (K5) zur Alleinerbin ein. Die anderen Beteiligten beantragten einen Erbschein mit je 1/6 Anteil für jeden der Abkömmlinge, weil das Testament angeblich nicht von dem an Parkinson erkrankten Erblasser stamme. Es wies angeblich Auffälligkeiten beim Schriftbild auf, unter anderem durch große Druckschrift. Das AG verzichtete auf ein Schriftgutachten und erteilte K5 einen Erbschein als Alleinerbin. Hiergegen legten die übrigen Kinder sofortige Beschwerde ein.
Das OLG verneint den Bedarf für ein Gutachten u. a. wie folgt: Es reiche aus, dass einzelne Buchstaben Charakteristika aufweisen, die sich auch aus vorliegendem Vergleichsmaterial ergeben. Zudem begründe die große Druckschrift keinen Zweifel an der Echtheit des Testaments. Es könne dahinstehen, ob Parkinsonerkrankte zu kleinerer Schrift neigen. Insbesondere sei selbst bei Annahme einer Parkinsonerkrankung im Vergleichsmaterial ersichtlich, dass E in der Lage war, ein sauberes Schriftbild zu fertigen.
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