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  • · Fachbeitrag · Testamentsauslegung

    Was bedeutet „gemeinsamer Tod“ in einemgemeinschaftlichen Testament?

    von RA Uwe Gottwald, VorsRiLG a.D., Vallendar

    | Das KG hatte auf der Grundlage eines formwirksamen, privatschriftlichen gemeinschaftlichen Testaments durch Auslegung zu entscheiden, ob mit dem Wortlaut „für den Fall des gemeinsamen Todes“ auch gemeint war, dass die Ehegatten in einem größeren zeitlichen Abstand versterben. |

     

    Sachverhalt

    Die kinderlosen Ehegatten, die in einem zeitlichen Abstand von mehreren Jahren verstorben sind, hatten am 22.1.92 ein gemeinschaftliches Testament errichtet, welches u. a. folgenden Inhalt hatte:

     

    • Auszug Testament

    Wir ... setzen uns gegenseitig zum alleinigen und ausschließlichen Erben ein. Im Falle eines gemeinsamen Todes setzen wir unser Patenkind C. H. als unseren Alleinerben ein.

     

    Das Patenkind C. H. hat nach dem Tod des Letztversterbenden einen Alleinerbschein beantragt und dazu vorgetragen, die Erblasser hätten bei der Errichtung des Testaments den Willen gehabt, ihn unabhängig vom zeitlichen Abstand ihres Ablebens zum Schlusserben des Längstlebenden einzusetzen. Demgegenüber hat eine Schwester der Letztversterbenden die Erteilungeines gemeinschaftlichen Erbscheins (mit ihren Geschwistern bzw. Kindern von Geschwistern) beantragt und hierzu vorgetragen, dass die auf den Fall des gemeinsamen Todes der Eheleute beschränkte testamentarische Einsetzung nicht eingreife, weil die Eheleute im Abstand von vielen Jahren verstorben seien. Das Testament enthalte mithin keine Schlusserbeneinsetzung.

     

    Das Nachlassgericht hat die zur Begründung des Antrages des C. H. erforderlichen Tatsachen für festgestellt erachtet und den Erbscheinsantrag der Schwester zurückgewiesen. Gegen diese Entscheidung des Nachlassgerichts haben Geschwister der Letztversterbenden Beschwerde eingelegt. Das Nachlassgericht hat den Beschwerden nicht abgeholfen und die Sache dem KG zur Entscheidung vorgelegt, welches die Beschwerden zurückgewiesen hat.

     

    Die Verwendung des Begriffs „gemeinsamer Tod“ ist nach allgemeinem Sprachverständnis ‒ anders als der Begriff „gleichzeitiger Tod“ ‒ nicht notwendig auf einen identischen Todeszeitpunkt oder einen engen zeitlichen Zusammenhang beschränkt; mit ihm kann auch der Tod beider Eheleute nach dem Versterben des länger lebenden Ehegatten als „gemeinsamer“ Zustand verstanden werden.

    (Abruf-Nr. 216364)

     

    Entscheidungsgründe

    Nach Ansicht des KG beinhaltet das Eigenschaftswort „gemeinsam” nach dem allgemeinen Sprachgebrauch keine zeitliche Komponente, sondern es hat die Bedeutung von „zusammen”, „miteinander” oder „gemeinschaftlich”. DieBetonung liegt damit nicht auf einem in einem engen zeitlichen Zusammenhang stehenden Ereignis, sondern kann auch auf einen Sachverhalt hindeuten, der einen „gemeinsamen” Zustand, nämlich den Tod beider Eheleute nach dem Versterben des zunächst überlebenden Ehegatten beschreibt. Dementsprechend kann die Formulierung auch in dem Sinne zu verstehen sein, dass damit der Zeitpunkt gemeint sein soll, in dem beide Eheleute „gemeinsam” tot sind, also im Sinne von „wenn wir beide tot sind”, und dass für diesen Fall die Einsetzung des Alleinerben als Schlusserben des Letztversterbenden erfolgen sollte (OLG Brandenburg FamRZ 19, 1366; KG ZEV 1997, 247).

     

    Diese Auslegung führt zu der Feststellung, dass die Erblasserin wie auch ihr Ehemann die Worte „gemeinsamer Tod“ beim Verfassen ihres Testaments im letzteren Sinne verwendet haben. Dies habe auch die Beweisaufnahme des Nachlassgerichts ergeben, weil außerhalb der Testamentsurkunde liegende Umstände sicher darauf schließen lassen, dass die testierenden Eheleute das Patenkind C. H. unabhängig von dem zeitlichen Abstand ihres Todes jeweils zu ihrem Erben bestimmen wollten.

     

    Relevanz für die Praxis

    Entgegen der Entscheidung des OLG Thüringen (FamRZ 16, 412) ist der Auffassung des KG ‒ insbesondere auch unter der Verwendung der Beweisaufnahme i. S. d. Andeutungstheorie ‒ zu folgen. Klauseln zum „gleichzeitigen Versterben“ sowie ähnliche Klauseln ‒ wie hier ‒ sind in gemeinschaftlichen Testamenten häufig anzutreffen. Grundsätzlich gilt es, solche auslegungsbedürftigen Klauseln tunlichst zu vermeiden.

     

    Die hier vorliegende Klausel „im Falle eines gemeinsamen Todes“ eignet sich zur Abgrenzung zu der Klausel zum „gleichzeitigen Versterben“. Aber auch im letztgenannten Fall ist eine Auslegung vorzunehmen, ob die Anordnungtatsächlich nur für den Fall des gleichzeitigen Versterbens gelten soll. Nach allgemeiner Meinung soll dies wegen des klaren und auch für den Laien verständlichen Wortlautes im Regelfall sein (vgl. KG FamRZ 06, 511; OLG München FamRZ 11, 504), jedenfalls aber nicht für den Fall des Versterbens in einem größeren Abstand (OLG Hamm FamRZ 12, 64; ZEV 11, 427). Eine Ausnahme kann nur angenommen werden, wenn aufgrund besonderer Umstände des Einzelfalls festgestellt werden kann, dass die Testierenden den Begriff des „gleichzeitigen Ablebens“ entgegen dem Wortsinn dahin gehend verstanden haben, dass er auch das Versterben in erheblichem zeitlichem Abstand umfassen soll, und wenn sich darüber hinaus eine Grundlage in der vorliegenden Verfügung von Todes wegen findet (BGH NJW 19, 2317). Ähnlich wie z. B. die Klausel „unserem beider Ableben“ (OLG Frankfurt ErbR 16, 37) spricht der „Fall des gemeinsamen Versterbens“ verbunden mit der Erbeinsetzung für die Schlusserbeneinsetzung nach dem Letztversterbenden (OLG Brandenburg FamRZ 19, 1366).

     

    Weiterführender Hinweis

    • EE 20, 76 zur Formulierung: „Dieses Testament ist nur gültig, wenn wir beide tot sind.“
    Quelle: Ausgabe 07 / 2020 | Seite 111 | ID 46665258