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  • · Nachricht · Testamentswiderruf

    Widerruf des Widerrufs einer letztwilligen Verfügung führt zum rückwirkenden Inkrafttreten des ursprünglichen Testaments

    | Welche Rechtsfolgen hat der Widerruf eines Widerrufstestaments? Und ist trotz späteren Verlöbnisses oder einer Eheschließung auf die Einsetzung des Partners einer nicht ehelichen Lebensgemeinschaft durch Testament § 2077 BGB anzuwenden, wenn ein Widerruf des Einsetzungstestaments während der Ehe wiederum widerrufen wird? Mit diesen Fragen hat sich das OLG Schleswig im Rahmen einer Beschwerde im Erbscheinsverfahren befasst (30.1.23, 3 Wx 37/22, Abruf-Nr. 235321 ). |

     

    Der Erblasser errichtete im Jahr 1989 ein Testament, in dem er die Antragstellerin, die er später heiratete, zu seiner Erbin berief. Im Jahr 2005 schlossen sie notariell beurkundet u. a. einen Erbvertrag, in dem sie zunächst alle ihre früheren Verfügungen von Todes wegen widerriefen und wechselseitig Vermächtnisse bestimmten. Nachdem die Ehe scheiterte, schlossen die Antragstellerin und der Erblasser im Jahr 2009 u. a. erneut einen Erbvertrag. In diesem Zuge erklärten sie, dass sie alle ihre bisher gemeinsam errichteten Verfügungen von Todes wegen widerrufen, insbesondere den Erbvertrag von 2005, jedoch ihre bisher einzeln errichteten Verfügungen von Todes wegen ausdrücklich ihre Wirksamkeit behalten sollten. Nach dem Tod des Erblassers beantragte die Antragstellerin einen Erbschein als Alleinerbin.

     

    In der lesenswerten ausführlich begründeten Entscheidung hat das OLG festgestellt, dass der Widerruf eines Widerrufstestaments wie die Anfechtung dazu führt, dass das ursprüngliche Testament rückwirkend wieder in Kraft tritt. Das Gericht stützt sich im Wesentlichen auf folgende Begründung: In der Kommentarliteratur werde die Frage der Wirkungen des Widerrufs des Widerrufstestaments unterschiedlich behandelt und „eher unklar“ formuliert (vgl. Lauck: in Burandt/Rojahn, Erbrecht, 4. Aufl. 2022, § 2257 Rn. 3; Staudinger/Baumann, BGB (2022), § 2257 Rn. 13 - 15; Grüneberg/Weidlich, BGB, 82. Aufl. § 2257 Rn. 1). Da der Gesetzgeber mit dem Widerruf Wirkungen wie bei der Anfechtung habe erzeugen wollen, führe der Widerruf dazu, dass das ursprüngliche Testament rückwirkend in Kraft trete.

     

    Da der Anwendungsbereich der Vermutungsregel des § 2077 Abs. 1 BGB nicht erfüllt sei, könne diese Vorschrift trotz späteren Verlöbnisses oder Eheschließung auch dann nicht auf die Einsetzung des Partners einer nicht ehelichenLebensgemeinschaft durch Testament angewandt werden, wenn ein Widerruf des Einsetzungstestaments während der Ehe wiederum widerrufen worden wäre.

     

    PRAXISTIPP | Der Entscheidung des OLG ist zu folgen. Es bleibt darauf hinzuweisen, dass der Widerruf von Testamenten auch in weiteren Formen möglich ist (§§ 2255, 2256, 2258 BGB). Beim Widerruf des Widerrufstestaments ist Voraussetzung, dass ein solches nach § 2254 BGB vorliegt. Nur dies kann nach § 2257 BGB widerrufen werden (vgl. BayObLG Rpfleger 73, 170; FamRZ 96, 1112). Die Rücknahme eines vor einem Notar oder nach § 2249 BGB errichteten Testaments nach § 2256 BGB wirkt zwar wie ein Widerruf, ist aber kein Testament und kann deshalb nicht nach § 2257 BGB widerrufen werden. Auch der Widerruf durch Vernichtung einer Urkunde nach § 2255 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 BGB kann nicht widerrufen werden (vgl. Staudinger/Baumann, a. a. O., Rn. 4).

     
    Quelle: Ausgabe 06 / 2023 | Seite 91 | ID 49464461