· Fachbeitrag · Totenfürsorge
Gesetzliche Bestattungspflicht: Ausnahmefälle sind eng begrenzt
von RA und VRiLG a.D. Uwe Gottwald, Vallendar
Die - weder zu rechtfertigende noch zu bagatellisierende - häusliche Gewalt zwischen Eheleuten lässt nach dem Ableben eines Ehegatten die Totenfürsorge für den hinterbliebenen Ehegatten nicht als eine schlechthin unerträgliche und unverhältnismäßige Verpflichtung erscheinen, die eine ungeschriebene Ausnahme von der gesetzlich auferlegten Bestattungspflicht und eine daran anknüpfende Kostenverlagerung auf die Allgemeinheit rechtfertigen könnte (OVG Lüneburg 9.7.13, 8 ME 86/13, Abruf-Nr. 132942). |
Sachverhalt
Der Ehemann E der Klägerin K ist am 20.1.13 verstorben. Sein Leichnam wurde am 6.2.13 eingeäschert. Mit Bescheid vom 7.2.13 hat die zuständige Behörde, die Beklagte B, die K unter Anordnung der sofortigen Vollziehung zur Beisetzung der Urne mit der Asche des E aufgefordert. K wandte sich gegen diese Anordnung. Das zuständige VG hat daraufhin die aufschiebende Wirkung der Klage gegen den Bescheid vom 7.2.13 wiederhergestellt, soweit sich diese gegen die für sofort vollziehbar erklärte Aufforderung zur Urnenbeisetzung und die Anordnung der Ersatzvornahme richtete. B hat sich gegen die Entscheidung nach § 80 Abs. 3, 5 VwGO mit der Beschwerde gewandt.
Entscheidungsgründe
Das OVG hat den Beschluss des VG über die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes abgeändert. Die Klage gegen den Bescheid, mit dem K unter Anordnung der sofortigen Vollziehung zur Beisetzung der Urne mit der Asche des E bis zum 6.3.13 durch Beauftragung eines Bestattungsunternehmens aufgefordert worden ist, habe offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg. Der Ehegatte der verstorbenen Person ist verpflichtet, die Urne mit der Asche innerhalb eines Monats nach der Einäscherung auf einem Friedhof beisetzen zu lassen, soweit die allgemeine Pflicht zur Bestattung einer Leiche durch eine Feuerbestattung erfüllt werden soll und die verstorbene Person bereits eingeäschert und die Asche in einer Urne aufgenommen wurde. Dies ergibt sich aus § 11 Nds. SOG in Verbindung mit §§ 8 Abs. 1 S. 1, Abs. 3 Nr. 1, § 10 Abs. 1 S. 1 Alt. 2, § 12 Abs. 5, § 9 Abs. 2 S. 4 BestattG Nds. Die Pflicht darf durch die für den Sterbe- oder Auffindungsort zuständige Gemeinde in einem auf § 11 Nds. SOG gestützten (Grund-) Verwaltungsakt konkretisiert und im Wege des Verwaltungszwangs durchgesetzt werden (OVG Lüneburg FamRZ 12, 1093).
Die Anordnung ist zu Recht erfolgt. Der Senat hält die Auffassung des VG für irreführend, wenn es annimmt, aufgrund jahrelanger Bedrohungen und gewalttätiger Angriffe des E bestehe eine Ausnahme von der grundsätzlichen Bestattungspflicht der K. Es bestehen keine gesetzlichen Ausnahmen von der Bestattungspflicht nach § 8 Abs. 1 und 3 BestattG. Ein ungeschriebener Ausnahmefall liegt hier nicht vor.
E war wegen Körperverletzung zu Lasten der K durch Strafbefehl des AG zu einer Geldstrafe von 50 Tagessätzen verurteilt worden. E hatte K in alkoholisiertem Zustand auf der Straße angeschrien und sie immer wieder gegen Oberkörper und Gesicht geschlagen, sie zu Boden gerissen, am Arm über den Asphalt gezerrt und nach ihr getreten, bis Passanten ihn von K trennen konnten. Zudem war gegen E eine Gewaltschutzanordnung ergangen. K hatte glaubhaft gemacht, jahrelang massive Übergriffe durch E erlitten zu haben, die öfter zur Notwendigkeit ärztlicher Behandlungen geführt h ätten. Das Fehlverhalten des E ist weder zu rechtfertigen noch zu bagatellisieren. Es war für K mit jahrelangen Erniedrigungen und körperlicher/psychischer Gewalt verbunden, ohne dass sie die Kraft gefunden hat, sich von E zu lösen.
Trotz der Beeinträchtigungen der psychischen und physischen Integrität der K sind im Fehlverhalten des E keine schweren Straftaten zu erkennen, die die Totenfürsorge als eine für K schlechthin unerträgliche/unverhältnismäßige Pflicht erscheinen lassen. Eine ungeschriebene Ausnahme der Bestattungspflicht und eine Kostenverlagerung auf die Allgemeinheit ist nicht gerechtfertigt (OVG Lüneburg FamRZ 13, 1251, körperliche Misshandlung der Kinder durch den Verstorbenen, körperliche Misshandlung der Ehefrau und Bedrohung mit dem Tod durch den Verstorbenen; OVG Lüneburg 4.4.08, 8 LA 4/08, n.v., körperliche Misshandlung der Kinder durch die Verstorbene).
Praxishinweis
Die Entscheidung zeigt deutlich die Reichweite der öffentlich-rechtlichen Bestattungspflicht, die der Totenfürsorge folgt. Nur ganz außergewöhnliche Umstände bilden eine Ausnahme (z.B. schwere Straftaten gegen den Totenfürsorgeberechtigten). Die Entscheidung ist geprägt durch das öffentliche Ordnungs-/Polizeirecht und nimmt nur geringe Rücksicht auf die persönlichen Beziehungen zwischen Verstorbenem und Totenfürsorgeberechtigtem. Von der Bestattungspflicht ist die Pflicht zur Tragung der Bestattungskosten zu unterscheiden (Damrau/Gottwald, Praxiskommentar Erbrecht, 2. Aufl., § 1968 Rn. 1). Nach § 1968 BGB trägt der Erbe die Kosten der Beerdigung. Für ihn ist diese Verbindlichkeit eine Nachlassverbindlichkeit, § 1967 Abs. 2 BGB. Sind die Kosten nicht vom Erben zu erlangen, haften die Unterhaltspflichtigen des Erblassers (§ 1360a Abs. 3, § 1361 Abs. 4 S. 4, § 1615 Abs. 2, § 1615m BGB; §§ 5, 12 Abs. 2 S. 2 LPartG). Einen Ausspruch über die tatsächliche Belastung der K mit den Bestattungskosten enthält die Entscheidung des OVG deshalb nicht. K kann unter Umständen Rückgriff bei einem Erben nach § 1968 BGB oder einem anderen gleichrangig Bestattungspflichtigen nach § 426 BGB in Verbindung mit § 8 Abs. 4 S. 2 BestattG nehmen. Hilfsweise steht ihr offen, die Kostenübernahme durch den Träger der Sozialhilfe nach § 74 SGB XII zu erreichen (BSG FamRZ 10, 292). Je enger das Verwandtschaftsverhältnis oder die rechtliche Beziehung war, desto geringer sind in der Regel die Anforderungen an die Zumutbarkeit des Einkommens- und Vermögenseinsatzes. Umgekehrt können etwa zerrüttete Verwandtschaftsverhältnisse höhere Anforderungen an die Zumutbarkeit begründen (BSG, a.a.O.).
FAZIT | Die öffentlich-rechtliche Bestattungspflicht ist streng zu unterscheiden von der Verpflichtung zur Tragung der Kosten derselben. Beide Pflichten können, müssen jedoch nicht in einer Person vereint sein. |