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  • · Fachbeitrag · Verschollenheitsgesetz

    Zulässigkeit eines Antrages auf Todeserklärung gem. § 7 VerschG

    | Das OLG Karlsruhe hatte über die Zulässigkeit eines Antrages auf Todeserklärung zu entscheiden. |

     

    Sachverhalt

    Vor dem zuständigen Amtsgericht wurde ein Antrag, eine Person für tot zu erklären, gestellt. Diese Person habe sich in der Schweiz zu einer Bergwanderung aufgemacht. Nachdem sie sich nicht mehr gemeldet habe, habe eine intensive Suche der Schweizer Polizei stattgefunden. Diese sei zu dem Schluss gekommen, dass der Betroffene mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit 200 Meter tief in einen Bergschrund gestürzt und zu Tode gekommen sei. Die Antragstellerinnen sind der Auffassung, dass aufgrund der objektiven Gefährlichkeit des Gebiets, in dem der Betroffene gewandert sei, ein Fall der sog. Gefahrverschollenheit im Sinne von § 7 VerschG vorliege, weshalb eine Frist von einem Jahr für die Todeserklärung gelte.

     

    Das Amtsgericht hat den Antrag auf Todeserklärung zurückgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass die gem. § 3 VerschG erforderliche 10-Jahres-Frist noch nicht verstrichen sei. Die Voraussetzungen des § 7 VerschG würden nicht vorliegen, weil sich der Betroffene bei Antritt der Bergtour nicht in eine konkrete Lebensgefahr begeben habe. Der gegen diese Entscheidung eingelegten Beschwerde hat das Amtsgericht nicht abgeholfen und es hat die Akten dem OLG Karlsruhe zur Entscheidung vorgelegt.

     

    Das OLG Karlsruhe (1.12.23, 14 W 86/23) hat der Beschwerde stattgegeben und das Amtsgericht angewiesen, das (Aufgebots-)Verfahren unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senats fortzusetzen.

     

    • 1. Ein Antrag auf Todeserklärung ist nach Ablauf der einjährigen Frist des § 7 VerschG zulässig, wenn es überwiegend wahrscheinlich ist, dass der Verschollene in eine Lebensgefahr geraten war.
    • 2. Eine Lebensgefahr im Sinne des § 7 VerschG kann auch vorliegen, wenn sich der Verschollene im Verlauf eines ‒ unter Berücksichtigung seiner Fähigkeiten, seiner Widerstandskraft und Ausrüstung ‒ ungefährlichen Vorhabens aufgrund eines eigenen Entschlusses in eine Situation bringt, in der sein Leben in ungewöhnlichem Maße bedroht ist.
     

    Entscheidungsgründe

    Der Antrag vor Ablauf der zehnjährigen Frist des § 3 VerschG sei zulässig, weil die Antragstellerinnen glaubhaft gemacht hätten, dass die Verschollenheit des Betroffenen auf einem Grund beruhe, der unter § 7 VerschG falle. Dabei genüge es für die Glaubhaftmachung, dass mehr für die behaupteten Tatsachen spreche als dagegen.

     

    § 7 VerschG setze voraus, dass der Betroffene ‒ außerhalb der Tatbestände der §§ 4 bis 6 VerschG ‒ in eine Lebensgefahr geraten ist; darunter sei jeder Zustand und jedes Ereignis zu verstehen, durch die das Leben eines Menschen in ungewöhnlichem Maße bedroht werde, wobei es nicht darauf ankomme, ob die Gefahr durch ein plötzliches Ereignis ausgelöst wird oder es sich um einen länger anhaltenden Zustand handelt.

     

    Dies ergebe sich hier aus der intensiven Suche der Kantonspolizei nach dem Betroffenen und den Erkenntnissen aus dieser Suche. Die Ermittler hätten aussagekräftige Hinweise gefunden, insbesondere Spuren am vermutlichen Unfallort, die es ihnen ermöglichten, den Ablauf eines tödlichen Unglücks mit hoher Wahrscheinlichkeit zu rekonstruieren. Der Betroffene habe sich ‒ noch bevor es zu dem Abseilvorgang gekommen sei ‒ durch das Abweichen von der eigentlichen Wanderroute in eine gefährliche, das Leben bedrohende Situation begeben, die den Absturz des Betroffenen nach sich gezogen habe. Aufgrund der von der Kantonspolizei dargestellten Umstände, insbesondere der Geländebeschaffenheit, sei ein Kontrollverlust des Betroffenen in der geschilderten Lage unmittelbar mit der Gefahr eines tödlichen Absturzes verbunden gewesen, die nicht mehr durch geeignete Ausrüstung oder Bergerfahrung habe kompensiert werden können.

     

    PRAXISTIPP | Der Begriff der Verschollenheit ist in § 1 VerschG legal definiert. Danach ist verschollen, wessen Aufenthalt während längerer Zeit unbekannt ist, ohne dass Nachrichten darüber vorliegen, ob er in dieser Zeit noch gelebt hat oder gestorben ist, sofern nach den Umständen hierdurch ernstliche Zweifel an seinem Fortleben begründet werden (§ 1 Abs. 1 VerschG) und ist nicht verschollen, wessen Tod nach den Umständen nicht zweifelhaft ist (§ 1 Abs. 2 VerschG). Kurz gefasst setzt die Verschollenheit einer Person voraus (vgl. Staudinger/Fritzsche (2018), § 1 VerschG, Rn. 3 bis 7.1):

     

    • Der Aufenthalt des Verschollenen muss unbekannt sein;
    • Nachrichten darüber, ob der Verschollene noch lebt oder gestorben ist, dürfen nicht vorhanden sein;
    • der Zustand der Ungewissheit über den Aufenthaltsort (Fehlen von Nachrichten) muss bereits seit längerer Zeit bestehen und
    • diese Umstände müssen einen ernsten Zweifel daran begründen, ob der Verschollene noch lebt; dabei sind jedoch alle Einzelumstände des jeweiligen Falles zu berücksichtigen.

     

    Gemäß § 2 VerschG kann ein Verschollener unter den Voraussetzungen der §§ 3 bis 7 VerschG im Aufgebotsverfahren für tot erklärt werden. Diese Bestimmung besagt zunächst, dass die Tatsache der Verschollenheit noch keine unmittelbaren Rechtswirkungen für die betroffenen Rechtsverhältnisse hat und diese erst dann eintreten, wenn eine gerichtliche Entscheidung vorliegt, welche den Verschollenen für tot erklärt. Aber auch die Verschollenheit allein genügt nicht, die Möglichkeit der Todeserklärung zu eröffnen, sondern es müssen (alternativ) die weiteren Voraussetzungen der §§ 3 bis 7 VerschG vorliegen, um einen verschollenen Betroffenen für tot zu erklären.

     

    Weiterführender Hinweis

    • Näheres zu den weiteren Voraussetzungen und dem besonderen Verfahren zur Todeserklärung erläutert ein gesonderter Beitrag demnächst in EE.
    Quelle: Ausgabe 06 / 2024 | Seite 94 | ID 49871226