· Fachbeitrag · Vertragserbe
Beeinträchtigung durch eine Auflage und ein Vermächtnis
von RiOLG Dr. Andreas Möller, Hamm
| Ein Erbe hat bei einem Streit zwischen ihm und dem Testamentsvollstrecker regelmäßig ein Interesse daran, dass die Streitfrage alsbald gerichtlich geklärt wird, z. B. über die Wirksamkeit einer Auflage und eines Vermächtnisses. Das hat das OLG Frankfurt aktuell entschieden. |
Sachverhalt
Die Eltern des Klägers (S) schlossen einen Erbvertrag, in dem sie sich gegenseitig zu Erben und den S zum Schlusserben des Längstlebenden einsetzten. Sie behielten sich vor, eine Testamentsvollstreckung anzuordnen. Nach dem Tod des Vaters (V) errichtete die Mutter (M) ein notarielles Testament, in dem sie S u. a. ein zehnjähriges Veräußerungsverbot für ein zum Nachlass gehörendes Erbbaurecht an einem Grundstück auferlegte. Zudem verfügte sie ein Vermächtnis zugunsten von Frau B und bestimmte den Beklagten zum Testamentsvollstrecker (TV). Mit einem weiteren notariellen Testament widerrief M das Vermächtnis an B. B hat dieses notarielle Testament angefochten. Nach dem Tod von M möchte S gegenüber dem TV feststellen lassen, dass das Veräußerungsverbot (Antrag zu 1) und das Vermächtnis an B (Antrag zu 2) unwirksam sind. Das LG hat die Klage abgewiesen. Die Berufung des S ist erfolgreich (OLG Frankfurt 22.8.17, 8 U 39/17, Abruf-Nr. 197897).
Entscheidungsgründe
S hat ein Feststellungsinteresse i. S. d. § 256 Abs. 1 ZPO. Nach § 256 Abs. 1 ZPO kann u. a. Klage auf Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses erhoben werden, wenn der Kläger ein rechtliches Interesse daran hat, dass das Rechtsverhältnis durch richterliche Entscheidung alsbald festgestellt wird. Ein rechtliches Interesse an einer alsbaldigen Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses ist gegeben, wenn dem Recht oder der Rechtslage des Klägers eine gegenwärtige Gefahr der Unsicherheit droht und wenn das Urteil auf die Feststellungsklage geeignet ist, diese Gefahr zu beseitigen (BGH NJW 84, 1118).
Nach diesem Maßstab hat ein Erbe regelmäßig ein Interesse an der alsbaldigen gerichtlichen Klärung beim Streit zwischen ihm und dem TV, etwa über die Gültigkeit, Auslegung oder Tragweite einer letztwilligen Verfügung (Reimann, in: Staudinger, BGB, 2016, § 2203 Rn. 36). So liegt es hier in Bezug auf beide Anträge. Die Parteien vertreten unterschiedliche Ansichten zu der Frage, ob die verfügte Auflage eines Verkaufs- und Veräußerungsverbots wirksam ist (Antrag zu 1). Der TV wollte sich bezüglich der Wirksamkeit des Vermächtnisses an B (Antrag zu 2) nicht festlegen. S hat aber ein legitimes Interesse daran, dass diese Rechtsfrage im Verhältnis zum TV geklärt wird. Dem steht nicht entgegen, dass der TV wohl nur unter bestimmten Voraussetzungen beabsichtigt, das Vermächtnis zu erfüllen. Denn § 256 ZPO ermöglicht auch die Feststellung eines betagten oder bedingten Rechtsverhältnisses (vgl. BGH NJW 92, 436; 17, 2340). Die Frage der Wahrscheinlichkeit der Erfüllung des Vermächtnisses ist mithin unbedeutend.
Dem Feststellungsinteresse steht auch nicht entgegen, dass die Rechtskraftwirkung eines Urteils zwischen den Parteien sich nicht auch auf die mögliche Vermächtnisnehmerin B erstreckt. Auch wenn das in einem Rechtsstreit wie dem vorliegenden ergehende Urteil nur den Erben und den TV bindet, nicht aber die mögliche Vermächtnisnehmerin gegenüber dem Erben, ist aus Gründen der Prozesswirtschaftlichkeit ein Feststellungsinteresse des klagenden Erben zu bejahen (ähnliche Fallkonstellationen bei BGH NJW 93, 2539 = BGHZ 123, 44).
Die Auflage eines Verkaufs- und Veräußerungsverbots betreffend das Hausgrundstück ist unwirksam, da sie das Recht des S als den vertragsmäßig Bedachten i. S. d. § 2289 Abs. 1 S. 2 BGB beeinträchtigt. Nach § 2289 Abs. 1 S. 1 BGB wird durch den Erbvertrag eine frühere letztwillige Verfügung des Erblassers aufgehoben, soweit sie das Recht des vertragsmäßig Bedachten beeinträchtigen würde. Im gleichen Umfang ist gem. § 2289 Abs. 1 S. 2 BGB eine spätere Verfügung von Todes wegen unwirksam, unbeschadet § 2297 BGB.
Wieweit die Testierfreiheit der Vertragserblasser durch den Erbvertrag eingeschränkt wurde, ist durch Auslegung zu ermitteln. Dem Erblasser sind solche späteren testamentarischen Verfügungen untersagt, die den Vertragserben in seiner im Erbvertrag nach Inhalt und Umfang der Erbvertragsparteien formulierten Rechtsstellung beeinträchtigen. Auf bloß wirtschaftliche Aspekte darf nicht abgestellt werden, da § 2289 Abs. 1 BGB das Recht des vertraglich Bedachten, nicht dessen wirtschaftlichen Erwerb schützt (BGH NJW 11, 1733). Das Recht des vertragsmäßig Bedachten i. S. d. § 2289 Abs. 1 S. 2 BGB ist beeinträchtigt, wenn zum Zeitpunkt des Erbfalls die anderweitige letztwillige Verfügung die vertragsmäßige Zuwendung mindert, beschränkt, belastet oder gegenstandslos machen würde (BGHZ 189, 120 = ZEV 11, 306).
Die Auflage des Verkaufs- und Veräußerungsverbots führt zu einer solchen Einschränkung der rechtlichen Handlungsfreiheit des S. Auch ein Vermächtnis ist eine Beeinträchtigung des Rechts des vertragsmäßig Bedachten. Der Erbvertrag enthielt keinen Änderungsvorbehalt, der dem längstlebenden Ehegatten eine derartige Auflage oder ein Vermächtnis gestattet hätte.
Relevanz für die Praxis
Teilweise wird in der Literatur vertreten, dass ein Feststellungsinteresse fehlt, wenn der Erbe mit der Feststellungsklage darauf abzielt, den TV „lahmzulegen“ (i. d. S. etwa Reimann, in: Staudinger, a.a.O., § 2203, Rn. 36; Zimmermann, in: MüKo, BGB, 7. Aufl., § 2203 Rn. 7). Wenn man dies annimmt, handelt es sich aber um Sonderfälle.
Das Feststellungsinteresse ist beim TV regelmäßig vorhanden, da dieser einerseits verpflichtet ist, die letztwilligen Verfügungen des Erblassers alsbald auszuführen und auf Erfüllung dieser Pflicht verklagt werden kann (§§ 2203, 2213 BGB), andererseits aber dem Erben bei verschuldetem Fehlgriff Schadenersatz leisten muss, § 2219 BGB.