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  • · Fachbeitrag · Pflichtteilsergänzungsanspruch

    Finanzierungsleistungen als unbenannte Zuwendungen unter Ehegatten

    von RiOLG Dr. Andreas Möller, Hamm

    | Zahlt ein Ehegatte allein die Zinsen für ein gemeinsam aufgenommenes Darlehen, kann dies Pflichtteilsergänzungsansprüche auslösen. Dies hat der BGH aktuell entschieden. |

    Sachverhalt

    Die Kläger sind die Söhne (S1 und S2) des Erblassers (E) aus erster Ehe. Die Beklagte war die zweite Ehefrau (F2) des E; sie lebten im gesetzlichen Güterstand. E hat ein Haus errichtet, zu dessen Finanzierung der E und die F2 ein Bankdarlehen i. H. v. 250.000 DM (= 127.822,97 EUR) aufnahmen. Der E übertrug einen Miteigentumsanteil von 1/2 am Grundbesitz als „ehebedingte Zuwendung“ auf die F2. Der Eigentumswechsel wurde im Grundbuch vollzogen. Später setzten sich der E und die F2 durch ein gemeinschaftliches Testament gegenseitig als Alleinerben ein. Als der E starb, valutierte der zwischenzeitlich umgeschuldete Bankkredit noch i. H. v. 108.122,30 EUR. Die Tilgungsleistungen in Gesamthöhe von 19.699,70 EUR und Zinszahlungen von 112.666,12 EUR waren von einem Konto des E erfolgt.

     

    S1 und S2, die sowohl die Übertragung des hälftigen Miteigentumsanteils am Grundstück als auch die Hälfte der geleisteten Darlehensraten als Schenkungen ansehen, haben gegen die F2 als Erbin u. a. Pflichtteilsergänzungsansprüche geltend gemacht. Das OLG hat das Verlangen nach Pflichtteilsergänzung zurückgewiesen, soweit sie mit den Zinszahlungen begründet wurden. Die Revision dagegen führte zur Aufhebung und Zurückverweisung (BGH 14.3.18, IV ZR 170/16, Abruf-Nr. 200374).

     

     

    Entscheidungsgründe

    S1 und S2 haben einen Pflichtteilsergänzungsanspruch gem. § 2325 BGB. Beiden steht eine Pflichtteilsquote von je 1/8 zu. Nach Abzug der zur Zeit des Erbfalls noch valutierenden Grundschuld belief sich der Gesamtwert des Grundstücks auf 92.210,70 EUR, der an die F2 übertragene hälftige Miteigentumsanteil mithin auf 46.105,35 EUR. 1/8 davon sind jeweils 5.763,17 EUR. Da das Hausgrundstück zur Zeit der Schenkung unstreitig einen höheren Wert hatte als beim Erbfall, war nach § 2325 Abs. 2 S. 2 BGB der Erbfallwert anzusetzen.

     

    Bei dieser Berechnung wurden die Tilgungsleistungen bereits berücksichtigt. Denn durch die Tilgungsleistungen sank der ursprünglich i. H. v. 127.822,97 EUR valutierende, durch Grundschuld gesicherte Kredit auf 108.122,30 EUR. Der Wert des belasteten Grundstücks stieg entsprechend. Auf diesem Wege sind die Tilgungsleistungen daher bereits in den fiktiven Nachlasswert eingeflossen, der nach § 2325 Abs. 1 BGB für die Berechnung des Pflichtteilsergänzungsanspruchs zugrunde zu legen ist. Sie können dem Nachlass nicht ein zweites Mal als Schenkung hinzugerechnet werden.

     

    Auch die Zinszahlungen für das Darlehen können Schenkungen sein

    Pflichtteilsergänzungsansprüche gem. § 2325 BGB setzen voraus, dass der Erblasser eine Schenkung i. S. v. § 516 BGB gemacht hat. Erforderlich ist eine Zuwendung, die den Empfänger aus dem Vermögen des Gebers bereichert und bei der beide Teile darüber einig sind, dass sie unentgeltlich erfolgt (vgl. BGHZ 157, 178 = ZEV 04, 115). Eine unbenannte Zuwendung unter Ehegatten ist einer solchen Schenkung i. d. S. gleichgestellt, unabhängig von einer Einigung über ihre Unentgeltlichkeit (vgl. BGHZ 116, 167). Eine ergänzungspflichtige Schenkung kann danach angenommen werden, wenn der ohne wirtschaftlichen Gegenwert erfolgte Vermögensabfluss beim Erblasser zu einer materiell-rechtlichen, dauerhaften und nicht nur vorübergehenden oder formalen Vermögensmehrung des Empfängers geführt hat (BGHZ 157, 178 = s. o.).

     

    Eine solche Bereicherung der F2 aus dem Vermögen des E durch die Zinszahlungen kommt hier in Betracht. Die F2 und der E hafteten für das gemeinsam aufgenommene Darlehen und damit auch für die Zinsen als Gesamtschuldner, §§ 421, 427 BGB. Mit den Zinszahlungen wurde daher auch eine Schuld der F2 erfüllt. Durch diese Verringerung ihrer Verbindlichkeiten wäre deren Vermögen gemehrt worden, falls die vom Konto des E erfolgten Zahlungen aus dessen Vermögen stammten und nicht durch Leistungen der F2 oder den Erwerb eines Anspruchs gegen diese ausgeglichen wurden.

     

    Der Wert der Zinszahlungen zur Finanzierung des Eigenheims verkörpert sich im Gegensatz zu den Tilgungsleistungen nicht im übertragenen Miteigentumsanteil. Die Belastung der F2 durch die gesamtschuldnerische Zinsverbindlichkeit bestand unabhängig davon, welcher Gegenstand mit dem zugrunde liegenden Darlehen finanziert worden war. Die Übertragung des Miteigentums-anteils verringerte diese Vermögensbelastung daher nicht; ebenso wenig flossen die Finanzierungskosten in den Wert des Grundstücks ein. Erst die Zinszahlungen vom Konto des E führten dazu, dass sich die Verbindlichkeiten der F2 reduzierten und damit zu einem möglichen weiteren Vermögenszuwachs neben dem Wert des ihr bereits übereigneten Miteigentumsanteils.

     

    Für die Annahme einer Schenkung ist es belanglos, dass der E die monatlichen Annuitäten aufgrund des Darlehensvertrags erbringen musste. Denn diese vertragliche Pflicht betraf das Außenverhältnis des E zu den Kreditgebern, nicht aber das hier maßgebliche Innenverhältnis zwischen den Ehegatten.

     

    Bereicherung muss auf einer Entreicherung des Beschenkten beruhen

    Gegen eine Schenkung spricht auch nicht, dass der Pflichtteilsberechtigte einen Teilhabeanspruch nur hat, soweit der Beschenkte „aus dem Vermögen des Schenkers heraus“ bereichert ist. Die Bereicherung des Beschenkten muss also auf einer entsprechenden Entreicherung des Schenkers beruhen (BGHZ 185, 252 = ZEV 10, 305). Für das Revisionsverfahren ist zugunsten von S1 und S2 zu unterstellen, dass die Zahlungen vom Konto des E und damit aus dessen Vermögen stammten. Dann erfüllte der E mit diesen Zahlungen seine eigene Zinsverbindlichkeit. Als Gesamtschuldner hätte er dafür aber nach § 426 Abs. 1 S. 1 BGB regelmäßig einen Ausgleichsanspruch gegen die F2 in hälftiger Höhe erlangt. Falls zwischen dem E und der F2 eine abweichende Übereinkunft bestand, dass er für die von ihm erbrachten Zahlungen auf die gemeinsame Gesamtschuld keinen Ausgleich von ihr erhalten werde, war der E im Umfang dieses verlorenen Ausgleichsanspruchs entreichert und die F2 entsprechend bereichert.

     

    Für die Frage einer Bereicherung der F2 aus dem Vermögen des E ist daher maßgeblich, ob die Eheleute etwas anderes als den regelmäßigen Ausgleich unter Gesamtschuldnern nach § 426 Abs. 1 BGB für die nach dem revisionsrechtlich zu unterstellenden Sachverhalt vom E erbrachten Zahlungen bestimmt haben. Der gesetzliche Gesamtschuldnerausgleich wird durch die Ehe des E mit der F2, insbesondere durch die güterrechtlichen Vorschriften der Zugewinngemeinschaft nicht verdrängt (vgl. BGH FamRZ 11, 25 = FK 11, 30, Abruf-Nr. 103960).

     

    Gem. § 426 Abs. 1 S. 1 BGB sind Gesamtschuldner im Verhältnis zueinander zu gleichen Anteilen verpflichtet, soweit nicht ein anderes bestimmt ist. Eine abweichende Bestimmung kann sich aus dem Gesetz, einer Vereinbarung, dem Inhalt und Zweck des Rechtsverhältnisses oder der Natur der Sache, mithin aus der besonderen Gestaltung des tatsächlichen Geschehens ergeben (BGHZ 87, 265 = FamRZ 83, 795). Es bedarf daher keines ausdrücklichen Schulderlasses durch den leistenden Gesamtschuldner, um eine Ausgleichsforderung aus § 426 Abs. 1 BGB auszuschließen.

     

    Während intakter Ehe kann die grundsätzlich hälftige Beteiligung der Gesamtschuldner an den Belastungen von der ehelichen Lebensgemeinschaft in der Weise überlagert werden, dass sich im Innenverhältnis zwischen den Ehegatten eine andere Aufteilung ergibt (vgl. BGH FamRZ 93, 676; BGHZ 188, 282 = FamRZ 11, 622). Das Berufungsgericht hat bisher keine Feststellungen zum Innenverhältnis zwischen dem E und der F2 getroffen, soweit es die Zahlungen auf die gemeinsame Zinsschuld betraf.

     

    Auch unbenannte Zuwendungen können unter § 2325 BGB fallen

    Eine unbenannte Zuwendung fällt unter § 2325 BGB, wenn es sich um einen unentgeltlichen Vorgang handelt. Die unbenannte Zuwendung unter Ehegatten ist i. d. R. als objektiv unentgeltlich anzusehen (BGHZ 116, 167). Der Erwerb eines zugewendeten Gegenstands (auf den kein Rechtsanspruch besteht) ist unentgeltlich, wenn er von einer den Erwerb ausgleichenden Gegenleistung des Erwerbers nicht rechtlich abhängig ist. Dabei kommen als rechtliche Abhängigkeit, die die Unentgeltlichkeit ausschließt und Entgeltlichkeit begründet, Verknüpfungen sowohl nach Art eines gegenseitigen Vertrags als auch durch Setzung einer Bedingung oder eines entsprechenden Rechtszwecks in Betracht (BGHZ 116, 167).

     

    Eine unbenannte oder sogar ausdrücklich zur Alterssicherung bestimmte Zuwendung unter Ehegatten ist entgeltlich, wenn sie sich im Rahmen einer nach konkreten Verhältnissen angemessenen Alterssicherung hält (BGHZ 116, 167). Dementsprechend kann auch eine ehebedingte Zuwendung, durch die langjährige Dienste nachträglich vergütet werden, die ein Ehegatte dem anderen vor und nach der Eheschließung geleistet hat, im Rahmen des objektiv Angemessenen als entgeltlich anzusehen sein (BGHZ 116, 167).

     

    Die F2, die insoweit eine sekundäre Darlegungslast zur Entgeltlichkeit der Zuwendung trifft (vgl. BGH ZEV 96, 186 = NJW-RR 96, 705), hat vorgetragen, die Zahlungen auf das Darlehen hätten dazu gedient, die gemeinschaftliche Ehewohnung zu sichern. Es kommt in Betracht, dass die Zinszahlungen unterhaltsrechtlich geschuldet waren, und/oder dass ihr eine durch sie ganz oder teilweise vergütete, konkrete Gegenleistung gegenüberstand (vgl. BGHZ 116, 167). Dazu fehlt es hinsichtlich der Zinszahlungen, die nach dem revisionsrechtlich zu unterstellenden Sachverhalt aus dem Vermögen des E geleistet wurden, an Feststellungen.

     

    Das Berufungsgericht wird sich daher ggf. auch damit befassen müssen, ob die Zinsleistungen ‒ anstelle von Mietzahlungen ‒ ein gem. §§ 1361, 1360a BGB geschuldeter Beitrag zu den gemeinsamen Wohnkosten gewesen sein könnten (vgl. dazu MüKo/Weber-Monecke, BGB, 7. Aufl. § 1360a BGB Rn. 4; Staudinger/Voppel [2018], § 1360a BGB Rn. 7; Bömelburg in: Wendl/Dose, Das Unterhaltsrecht in der familienrichterlichen Praxis, 9. Aufl., § 3 Rn. 27).

     

    Möglich ist mithin, dass S1 und S2 nach ergänzenden Feststellungen einen weiteren Pflichtteilsergänzungsanspruch i. H. v. 7.041,63 EUR haben könnten (1/2 der Zinszahlungen i. H. v. 112.666,12 EUR = 56.333,06 EUR hiervon je 1/8 = 7.041,63 EUR).

    Relevanz für die Praxis

    Der BGH hat nicht auf eine eventuelle Haushaltstätigkeit der F2 abgestellt, sondern auf eine unterhaltsrechtliche Schuld. Denn nach der Rechtsprechung des BGH ist die Haushaltstätigkeit eines Ehegatten keine Gegenleistung für unbenannte Zuwendungen des anderen Teils (BGHZ 116, 167; ebenso OLG Schleswig ZEV 14, 260 = FamRZ 14, 1740). Dem soll bereits entgegenstehen, dass es sich bei der Haushaltsführung durch den Ehegatten, der keiner Erwerbstätigkeit nachgeht, um den dem anderen Gatten geschuldeten Beitrag zum Familienunterhalt handelt, § 1360 S. 1 BGB.

     

    Weiterführender Hinweis

    • BGH FamRZ 89, 732 zum Pflichtteilsergänzungsanspruch: Zuwendung des Erblassers an den Ehegatten ‒ Schenkung oder Vergütung
    Quelle: Ausgabe 07 / 2018 | Seite 74 | ID 45234992