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  • · Nachricht · Verjährung

    Verjährung des Pflichtteilsanspruchs: Tatsachen- oder Rechtsirrtum über Enterbung kann fristauslösende Kenntnis entfallen lassen

    | Das OLG Hamm hat über eine Einrede der Verjährung gegenüber einem geltend gemachten Pflichtteilsanspruch entschieden. |

     

    Der Erblasser setzte seinen Sohn aus erster Ehe zu seinem Alleinerben ein. Später widerrief er das Testament und setzte seine zweite Ehefrau zu seiner Alleinerbin ein. Aus dieser Ehe sind keine Kinder hervorgegangen. Der Sohn hat die Auffassung vertreten, dass er Alleinerbe sei. Das spätere Testament zugunsten der Ehefrau sei unwirksam, da sein Vater bei Errichtung dement und damit testierunfähig gewesen sei. Beim Nachlassgericht hatte er deshalb einen Erbschein beantragt, der ihn als Alleinerben ausweist.

     

    Auch die zweite Ehefrau beantragte einen Alleinerbschein. Das Nachlassgericht erachtete die zur Begründung dieses Antrags erforderlichen Tatsachen als festgestellt. Gegen diese Entscheidung wandte sich der Sohn mit der Beschwerde. Das Beschwerdegericht holte ein Sachverständigengutachten ein, das die vom Sohn behauptete Testierunfähigkeit nicht bestätigte. Der Sohn nahm daraufhin seine Beschwerde zurück und machte im Rahmen einer Stufenklage den Pflichtteilsanspruch gegen die zweite Ehefrau als Alleinerbin geltend. Diese hat die Einrede der Verjährung erhoben, weil vier Jahre vergangen seien, seit der Sohn Kenntnis von seiner Enterbung erhalten habe. Das LG hat die Klage mit der Begründung abgewiesen, der Pflichtteilsanspruch sei verjährt. Gegen dieses Urteil wandte sich der Sohn mit der Berufung, mit der er sein erstinstanzliches Begehren weiterverfolgt.

     

    Das OLG Hamm (2.3.23, 10 U 108/21, Abruf-Nr. 239738) hat das erstinstanzliche Urteil abgeändert und die Ehefrau auf der ersten Stufe zur Auskunft verurteilt.

     

    Der Pflichtteilsanspruch des Sohnes sei nicht verjährt. Die Dreijahresfrist des § 195 BGB beginne nach § 199 Abs. 1 BGB mit dem Schluss des Jahres, in dem der Anspruch entstanden sei und der Gläubiger von den anspruchsbegründenden Umständen und der Person des Schuldners Kenntnis erlangt habe oder ohne grobe Fahrlässigkeit habe erlangen müssen. Dies gelte auch für den Auskunftsanspruch im Rahmen der Stufenklage.

     

    Dies setze vor allem auch Kenntnis von der enterbenden letztwilligen Verfügung voraus. Der Pflichtteilsberechtigte müsse den wesentlichen Inhalt der beeinträchtigenden Verfügung erkannt haben. Diese Kenntnis könne fehlen, wenn der Berechtigte infolge eines Irrtums davon ausgehe, die ihm bekannte Verfügung sei unwirksam. Das gelte jedenfalls dann, wenn die vorgetragenen Wirksamkeitsbedenken nicht von vornherein von der Hand zu weisen seien. Dass hier berechtigte Zweifel an der Testierfähigkeit des Erblassers bestanden hätten, zeige die Tatsache, dass das OLG ein Sachverständigengutachten zur Frage der Testierunfähigkeit in Auftrag gegeben habe. Erst nach Ausräumung dieser Zweifel, sei davon auszugehen, dass der Sohn Kenntnis von der beeinträchtigenden Verfügung hatte und die Verjährungsfrist in Bezug auf Pflichtteilsansprüche zu laufen begänne. Dies sei vorliegend erst kurz vor der Geltendmachung des Pflichtteilsanspruchs der Fall gewesen, sodass diese bei Erhebung der Stufenklage nicht verjährt gewesen seien.

    Quelle: Ausgabe 03 / 2024 | Seite 38 | ID 49780558