· Fachbeitrag · Zuwendung zu Lebzeiten
Anrechnung von Geschenken auf den Pflichtteil und Flucht in die Pflichtteilsergänzung
von RA Uwe Gottwald, VorsRiLG a. D., Vallendar
| Das Pflichtteilsrecht des BGB ist höchst kompliziert und deshalb auch für den Berater haftungsträchtig. Besonders schwierig sind diejenigen Fälle, in denen die Anrechnung von Zuwendungen des Erblassers ‒ auch an Dritte ‒ zu seinen Lebzeiten eine Rolle spielen (§§ 2315, 2316, 2325 bis 2329 BGB). Dieser Beitrag stellt unter Berücksichtigung der aktuellen Rechtsprechung die Auswirkungen von lebzeitigen Schenkungen des Erblasser an Dritte und Pflichtteilsberechtigte auf den Pflichtteils- und den Pflichtteilsergänzungsanspruch dar. |
1. Allgemeines
Neben dem ordentlichen Pflichtteilsanspruch (§ 2317 BGB) können noch der Anspruch auf den Zusatzpflichtteil (§ 2305 BGB) und der selbstständige Anspruch auf Ergänzung des Pflichtteils bestehen (§§ 2325 bis 2329 BGB). Pflichtteils- und Pflichtteilsergänzungsansprüche richten sich stets auf die Zahlung eines Geldbetrages. Zweck des Pflichtteilsanspruchs ist es, dafür zu sorgen, dass der Pflichtteilsberechtigte stets wertmäßig die Hälfte seines gesetzlichen Erbanteils erhält (§ 2303 Abs. 1 S. 2 BGB). Zweck des Pflichtteilsergänzungsanspruchs ist es, die Benachteiligung des Pflichtteilsberechtigen zu verhindern, die dadurch entstehen kann, dass der Erblasser zu Lebzeiten Schenkungen vornimmt und dadurch sein Vermögen zur Verminderung von Pflichtteilsansprüchen schmälert.
2. Der Pflichtteilsergänzungsanspruch, §§ 2325 ff. BGB
a) Entstehung
Der Pflichtteilsergänzungsanspruch entsteht, wenn der Erblasser einem Dritten in dem nach § 2325 Abs. 3 BGB maßgeblichen Zeitraum eine Schenkung gemacht hat. Ist dies der Fall, wird der verschenkte Gegenstand mit seinem gem. § 2325 Abs. 2 BGB zu bestimmenden Wert dem am Todestag des Erblassers vorhandenen Nachlass fiktiv hinzugerechnet. Ergibt sich dadurch eine Erhöhung des Pflichtteils, kann der Pflichtteilsberechtigte den Erhöhungsbetrag als Ergänzung des Pflichtteils verlangen. Für den Pflichtteilsergänzungsanspruch gelten grundsätzlich die gleichen Regeln wie für den Pflichtteilsanspruch (§§ 2317, 2318‒2324, 2314, 2333 bis 2337 und 2346 BGB).
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