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  • · Fachbeitrag · Bankrecht

    Nr. 5 Abs. 1 AGB-Sparkassen ist unwirksam

    von RiOLG Dr. Andreas Möller, Hamm

    Die dem Muster von Nr. 5 Abs. 1 AGB-Sparkassen nachgebildete Klausel einer Sparkasse „Nach dem Tod des Kunden kann die Sparkasse zur Klärung der rechtsgeschäftlichen Berechtigung die Vorlegung eines Erbscheins, eines Testamentsvollstreckerzeugnisses oder ähnlicher gerichtlicher Zeugnisse verlangen; fremdsprachige Urkunden sind auf Verlangen der Sparkasse mit deutscher Übersetzung vorzulegen. Die Sparkasse kann auf die Vorlegung eines Erbscheins oder eines Testamentsvollstreckerzeugnisses verzichten, wenn ihr eine Ausfertigung oder eine beglaubigte Abschrift vom Testament oder Erbvertrag des Kunden sowie der Niederschrift über die zugehörige Eröffnungsverhandlung vorgelegt wird“ ist im Verkehr mit Verbrauchern nach § 307 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB unwirksam (BGH 8.10.13, XI ZR 401/12, WM 13, 2166, Abruf-Nr. 133254).

     

    Sachverhalt

    Der Kläger, ein Verbraucherschutzverband, hat die beklagte Sparkasse auf Unterlassung des Gebrauchs der im Leitsatz aufgeführten Klausel in Anspruch genommen, da diese seiner Ansicht nach der Inhaltskontrolle gem. § 307 BGB nicht standhielt. Die Klage war in den Vorinstanzen erfolgreich, die Revision war erfolglos.

    Entscheidungsgründe

    Der Kläger hat gegen die Beklagte gemäß §§ 1, 3 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 des Gesetzes über Unterlassungsklagen bei Verbraucherrechts- und anderen Verstößen (UKlaG) einen Anspruch auf Unterlassung der weiteren Verwendung der angegriffenen Regelungen in Nr. 5 Abs. 1 der AGB. Diese Klausel unterliegt nach § 307 Abs. 3 S. 1 BGB der Inhaltskontrolle.

     

    Klausel darf nicht weiter verwendet werden

    Allgemeine Geschäftsbedingungen sind ausgehend von den Verständnismöglichkeiten eines rechtlich nicht vorgebildeten Durchschnittskunden nach dem objektiven Inhalt und typischen Sinn der in Rede stehenden Klausel einheitlich so auszulegen, wie ihr Wortlaut von verständigen und redlichen Vertragspartnern unter Abwägung der Interessen der regelmäßig beteiligten Verkehrskreise verstanden wird. Zweifel bei der Auslegung gehen nach § 305c Abs. 2 BGB zulasten des Verwenders. Außer Betracht bleiben dabei solche Auslegungsmöglichkeiten, die zwar theoretisch denkbar, praktisch aber fernliegend und daher nicht ernstlich in Betracht zu ziehen sind (BGHZ 195, 298 = NJW 13, 995).

     

    Die beanstandeten Regelungen stellen kontrollfähige Abweichungen von Rechtsvorschriften dar. Das uneingeschränkte Recht der Beklagten, zur Klärung der rechtsgeschäftlichen Berechtigung die Vorlegung eines Erbscheins zu verlangen (Nr. 5 Abs. 1 S. 1 der AGB) ist mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung, von der abgewichen wird, nicht zu vereinbaren, § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB. Dasselbe gilt für das Recht, in bestimmten Situationen auf die Vorlage des Erbscheins zu verzichten, Nr. 5 Abs. 1 S. 2 der AGB. Es benachteiligt die Kunden der Beklagten entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen, § 307 Abs. 1 S. 1 BGB.

     

    Nr. 5 Abs. 1 der AGB weicht von wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung ab, § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB. Der Erbe ist grundsätzlich nicht verpflichtet, sein Erbrecht durch einen Erbschein nachzuweisen, sondern kann diesen Nachweis auch in anderer Form führen. Es existiert keine Regelung, die den Nachlassschuldner berechtigt, seine Leistung auch ohne entsprechende vertragliche Vereinbarung grundsätzlich von der Vorlage eines Erbscheins abhängig zu machen (st. Rspr.; vgl. BGH NJW-RR 05, 599, 600 = ZEV 05, 170 = FamRZ 05, 515 und WM 05, 1432, 1433 = ZEV 05, 388).

     

    Demgegenüber gewährt Nr. 5 Abs. 1 der AGB der Beklagten generell und unabhängig davon, ob im Einzelfall das Erbrecht zweifelhaft ist oder durch andere Dokumente einfacher und/oder kostengünstiger nachgewiesen werden kann, das Recht, auf der Vorlage eines Erbscheins zu bestehen. Bei den Anforderungen an den Nachweis der Rechtsnachfolge ist jedoch auch den berechtigten Interessen der Erben an einer möglichst raschen und kostengünstigen Abwicklung des Nachlasses Rechnung zu tragen (BGH WM 05, 1432, 1433 = ZEV 05, 388 = FamRZ 05, 1548).

     

    Recht der Sparkasse gilt nach den beanstandeten Klauseln unbeschränkt

    Nr. 5 Abs. 1 S. 2 der AGB räumt der Sparkasse das Recht ein, auf die Vorlegung eines Erbscheins zu verzichten, wenn ihr eine Ausfertigung oder eine beglaubigte Abschrift vom Testament oder Erbvertrag des Kunden sowie der Niederschrift über die zugehörige Eröffnungsverhandlung vorgelegt werden. Dieses Recht besteht nach dem Empfängerhorizont eines rechtlich nicht vorgebildeten, durchschnittlichen Bankkunden unbeschränkt. Die Bestimmung gibt nicht vor, in welchen Fällen oder unter welchen Voraussetzungen die Sparkasse zum Nachweis des Erbrechts des Kunden keinen Erbschein verlangen kann. Die Klausel kann nicht einschränkend dahingehend ausgelegt werden, dass lediglich Zweifelsfälle der Verfügungsberechtigung erfasst sind, sodass dort, wo die Erbfolge eindeutig ist, nach der Klausel von vornherein kein Erbschein verlangt werden kann. Vielmehr räumt sie der Beklagten abweichend von der Gesetzeslage das Recht ein, im Zweifel stets die Vorlage eines Erbscheins zu fordern.

     

    Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus dem Passus „zur Klärung der rechtsgeschäftlichen Berechtigung“. Die Entscheidung hingegen, wann die Berechtigung des Erben „klärungsbedürftig“ ist, steht wiederum im Ermessen der Beklagten. Eine Einschränkung ihres umfassenden und insoweit von der Gesetzeslage abweichenden Rechts, auf der Vorlage eines Erbscheins zu bestehen, ist mit der betreffenden Formulierung daher nicht verbunden.

     

    Die unangemessene Benachteiligung i.S. des § 307 Abs. 1 S. 1 BGB wird durch den Verstoß gegen wesentliche Grundgedanken der Rechtsordnung indiziert. Gründe, die die Klausel nach Treu und Glauben gleichwohl als angemessen erscheinen lassen, liegen nicht vor. Dies folgt nicht aus dem berechtigten Interesse einer Sparkasse nach dem Tod eines Kunden, in den Genuss der Rechtswirkungen der §§ 2366, 2367 BGB zu kommen und so der Gefahr einer doppelten Inanspruchnahme zu entgehen. In Zweifelsfällen ist dieses Interesse berechtigt. Daran, auch in klaren Erbfolgefällen allein zur Erlangung des Gutglaubensschutzes der §§ 2366, 2367 BGB stets auf einem Erbschein zu bestehen und damit öffentliche Urkunden leichter als z.B. das Grundbuchamt gem. § 35 GBO zurückweisen zu können, hat die Beklagte kein schutzwürdiges Interesse. Der gem. § 1922 BGB als Vertragspartner der Sparkasse einrückende Erbe hat ein Interesse daran, sein Erbrecht, wenn möglich, anders als durch einen Erbschein nachzuweisen, um das Kosten verursachende und die Nachlassregulierung verzögernde Erbscheinsverfahren zu vermeiden.

     

    Soweit die Beklagte nach Nr. 5 Abs. 1 der AGB berechtigt ist, die Vorlegung „eines Testamentsvollstreckerzeugnisses oder ähnlicher gerichtlicher Zeugnisse“ zu verlangen, gelten die vorstehenden, an den Erbschein anknüpfenden Ausführungen entsprechend.

    Praxishinweis

    Nr. 5 Abs. 1 der AGB war bei der gebotenen kundenfeindlichsten Auslegung strenger als der entsprechende § 35 GBO im Grundbuchrecht. Gem. § 35 Abs. 1 S. 1 GBO kann zwar der Nachweis der Erbfolge gegenüber dem Grundbuchamt i.d.R. nur durch einen Erbschein geführt werden. Beruht jedoch die Erbfolge auf einer Verfügung von Todes wegen, die in einer öffentlichen Urkunde enthalten ist, genügt es nach § 35 Abs. 1 S. 2, 1. HS. GBO, wenn an Stelle des Erbscheins die Verfügung und die Niederschrift über deren Eröffnung vorgelegt werden. Nur wenn das Grundbuchamt die Erbfolge durch diese Urkunden nicht für nachgewiesen erachtet, kann es verlangen, dass ein Erbschein vorgelegt wird, § 35 Abs. 1 S. 2, 2. HS GBO. Das Grundbuchamt darf, wenn z.B. ein eröffnetes öffentliches Testament vorliegt, nur in folgendem Fall einen Erbschein verlangen: Bei der Prüfung der letztwilligen Verfügung hinsichtlich des behaupteten Erbrechts müssen sich begründete (konkrete) Zweifel ergeben, die nur durch weitere, allein dem Nachlassgericht mögliche Ermittlungen über den tatsächlichen Willen des Erblassers oder über sonstige tatsächliche Verhältnisse geklärt werden können (OLG Köln ZEV 00, 232, 233; BayObLG ZEV 00, 233, 234; OLG Frankfurt NJW-RR 05, 380, 381; Schöner/Stöber, Grundbuchrecht, 15. Aufl., Rn. 788 jeweils m.w.N.). Dem liegt zugrunde, dass beim öffentlichen Testament vor der Beurkundung vom Notar die Identität und Geschäftsfähigkeit des Erblassers festgestellt (§§ 10, 11, 28 BeurkG), dessen letzter Wille erforscht und dieser klar und eindeutig wiedergegeben wird (§ 17 BeurkG), was zu einem gesteigerten Beweiswert führt (Palandt/Weidlich, BGB, 72. Aufl., § 2232 Rn. 9).

     

    Weiterführender Hinweis

    • BGH WM 05, 1432, dazu, dass ein eröffnetes öffentliches Testament i.d.R. als ausreichender Nachweis für die Rechtsnachfolge anzusehen ist
    Quelle: Ausgabe 01 / 2014 | Seite 2 | ID 42429779