· Fachbeitrag · Formvorschriften
Übertragungsvertrag über das gesamte Vermögen: Keine Heilung durch Vollzug
von RiOLG Dr. Andreas Möller, Hamm
| Ein Formmangel bei einem Vertrag über das gesamte Vermögen wird nicht dadurch geheilt, dass er vollzogen wird. Dies gilt insbesondere, wenn die Vermögensübertragung erst kurz vor dem Tod der Erblasserin erfolgen soll, da die erbrechtlichen Formvorschriften nicht umgangen werden sollen, so der BGH. |
Sachverhalt
Die Kläger (K) verlangen als Erben der Erblasserin (E) von dem Beklagten (B) die Rückzahlung einer ungerechtfertigten Bereicherung. Die E erteilte dem B eine Vollmacht, mit der er über die ihrerseits gehaltenen Investmentanteile auch zu eigenen Gunsten verfügen können sollte. Später verkaufte der B die gehaltenen Fondsanteile der E und ließ sich den Erlös auf sein eigenes Konto überweisen. Wenige Stunden danach verstarb die E. Der B hat behauptet, es sei der Wunsch der E gewesen, dass er noch vor ihrem Tod sämtliche Bankwerte abhebt und für sich behält. Das LG hat der auf Erstattung des Verkaufserlöses gerichteten Klage stattgegeben. Das Berufungsgericht hat die Klage abgewiesen. Die Revision führt dazu, dass das erstinstanzliche Urteil wiederhergestellt wird (BGH 28.6.16, X ZR 65/14, Abruf-Nr. 188870).
Entscheidungsgründe
Die K haben als Rechtsnachfolger der E einen Anspruch gegen den B gem. § 812 Abs. 1 BGB. Die Vereinnahmung des Erlöses aus dem Verkauf der Investmentanteile durch den B erfolgte ohne Rechtsgrund.
Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts vereinbarte die E mit dem B, dass er alles bekommen solle, was sie habe. Unabhängig von der Frage, zu welchem Zeitpunkt der B diese Vermögensgegenstände erhalten sollte, war dieser Vertrag darauf gerichtet, dass die E ihm ihr gesamtes gegenwärtiges Vermögen übertrug. Ein solcher Vertrag bedurfte gem. § 311b Abs. 3 BGB der notariellen Form. Dies gilt insbesondere, wenn die Vermögensübertragung erst kurz vor dem Tod der E erfolgen soll. Denn die Formvorschrift bezweckt auch zu vermeiden, dass die für Verfügungen von Todes wegen einzuhaltenden Formerfordernisse umgangen werden (vgl. Motive II S. 188; Staudinger/Schumacher, BGB, 2012, § 311b Abs. 3 Rn. 1; MüKo/Krüger, BGB, 7. Aufl., § 311b Rn. 100). Die Vereinbarung zwischen E und B war formnichtig, § 125 BGB.
Der Mangel der Form wurde nicht dadurch geheilt, dass die Schenkung vollzogen wurde. Das deutsche Zivilrecht kennt keinen allgemeinen Grundsatz, dass ein formnichtiger Vertrag durch Erfüllung geheilt wird. Die Erfüllung heilt nur in denjenigen Fällen, in denen dies vom Gesetz bestimmt wird (vgl. BGH NJW 67, 1128, 1131). Auf § 311b Abs. 3 BGB ist § 518 Abs. 2 BGB nicht anzuwenden.
MERKE | § 518 Abs. 2 BGB beruht auf dem Gedanken, dass der Schenker, der sich durch den Vollzug des Schenkungsversprechens des verschenkten Gegenstands tatsächlich begeben hat, ebenso wenig wie bei einer Handschenkung weiterhin des Schutzes der Form bedarf und der Rechtsfriede nicht durch eine Rückforderung des hingegebenen Schenkungsgegenstands belastet werden soll.
§ 311b BGB verfolgt hingegen einen weiteren Schutzzweck. Es sollen auch die Formerfordernisse für letztwillige Verfügungen nicht umgangen werden können. § 311b BGB ist mithin keine § 518 Abs. 2 BGB entsprechende Bestimmung (vgl. Staudinger/Schumacher, BGB, 2012, § 311b Abs. 3 Rn. 21; MüKo/Krüger, a.a.O., § 311b Rn. 107; Palandt/Grüneberg, BGB, 75. Aufl., § 311b Rn. 68). |
Relevanz für die Praxis
§ 311b Abs. 3 BGB gilt nur, wenn sich jemand verpflichtet, sein gegenwärtiges Vermögen oder einen Bruchteil davon zu übertragen oder mit einem Nießbrauchsrecht zu belasten. Vermögen ist die Gesamtheit der Aktiva ohne die Passiva (vgl. Staudinger/Schumacher, BGB, 2012, § 311b Abs. 3 Rn. 9). Werden hingegen nur einzelne Gegenstände übereignet, ohne dass die Beteiligten damit stellvertretend das Vermögen „in Bausch und Bogen“ bezeichnen wollten, ist § 311b Abs. 3 BGB sogar dann nicht anwendbar, wenn die Gegenstände in ihrer Summe objektiv das ganze Vermögen ausmachen (RGZ 69, 416, 420; 94, 314, 315; BGH ZIP 90, 1544).
Der vorliegende Fall betrifft einen Sonderfall, der zeigt, dass es schwierig ist, einen Übertragungsvertrag über das Vermögen im Ganzen nach § 311b Abs. 3 BGB von einer Schenkung nach § 518 Abs. 1 BGB abzugrenzen:
Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme hatte die E geäußert, der B bekomme alles, er könne sich alles nehmen. Sie habe ihr gesamtes Vermögen dem B überlassen wollen. Dabei seien sich die E und der B offensichtlich einig gewesen, dass der B von ihrer Großzügigkeit erst Gebrauch machen solle, wenn ihr Tod unmittelbar bevorstehe. Hieraus konnte der Schluss gezogen werden, dass die Vereinbarung das Vermögen als Ganzes betrifft.
Wenn die E den B dagegen kurz vor dem Tod nur ermächtigt hätte, die Investmentanteile für sich zu verwerten, aber über ihre anderen (z. B. persönlichen Gegenstände) keine Regelung getroffen hätte, wäre § 311b BGB nicht anwendbar, sondern § 518 BGB. Es wäre durch die Erfüllung des formnichtigen Schenkungsvertrags die fehlende Form geheilt worden.
Wenn § 311b Abs. 3 BGB greift, ist - wenn der Vertrag nicht nur einen Bruchteil des Vermögens betrifft - regelmäßig auch das Zustimmungserfordernis gem. § 1365 BGB zu beachten (Staudinger/Schumacher, BGB, 2015, § 311b Abs. 3 Rn. 10).
Zwar kann ein gem. § 311b Abs. 3 BGB nichtiger Vertrag gem. § 140 BGB in Einzelrechtsgeschäfte umgedeutet werden. Dies darf aber nicht dazu führen, dass § 311b Abs. 3 BGB umgangen wird (Staudinger/Schumacher, a.a.O., § 311b Abs. 3 Rn. 24).