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  • · Fachbeitrag · Internationale Zuständigkeit

    Zuständigkeit türkischer Gerichte

    von RiOLG Dr. Andreas Möller, Hamm

    | Bei Erbfällen mit internationalem Bezug ist oft fraglich, welches Recht greift. In einem aktuellen Fall ging es um die Frage, ob § 15 S. 1 des deutsch-türkischen Nachlassabkommens (in Kraft getreten als Anlage zu Art. 20 des Konsularvertrags zwischen der Türkischen Republik und dem Deutschen Reich vom 28.5.29, RGBl. 1930 II S. 747; 1931 II S. 538; BGBl. 1952 II S. 608; fortan: Nachlassabkommen) anzuwenden ist. Danach ist nur die internationale Zuständigkeit der türkischen Gerichte eröffnet. Dazu im Einzelnen: |

     

    Sachverhalt

    Die Parteien sind Brüder und wohnen in Deutschland. Der Erblasser war türkischer Staatsangehöriger und verstarb in der Türkei. Er wurde von vier Söhnen (zwei davon sind die Parteien) und seiner Ehefrau beerbt. Die Erben verkauften ein in der Türkei gelegenes Haus. Der Großteil des Kaufpreises wurde geteilt. Der Beklagte vereinnahmte den Restbetrag. Er zahlte nicht den gesamten auf den Kläger fallenden Anteil. Das LG hat die Klage auf die Berufung des Beklagten, der auch die internationale Zuständigkeit gerügt hat, als unzulässig abgewiesen. Die Revision ist begründet. Hier hält der BGH fest:

     

    Erbschaftsansprüche i.S. des § 15 der Anlage zu Art. 20 des Konsularvertrags zwischen der Türkischen Republik und dem Deutschen Reich vom 28.5.1929 liegen nur vor, wenn das materielle Erbrecht der Parteien Gegenstand des Rechtsstreits ist; der Rechtsstreit über diese Ansprüche muss dazu führen, dass über eine zwischen den Parteien streitige Erbenstellung oder erbrechtliche Berechtigung eine verbindliche Entscheidung getroffen wird (Abruf-Nr. 180837).

     

    Entscheidungsgründe

    Die deutschen Gerichte sind international zuständig. Die internationale Zuständigkeit richtet sich nach dem Wohnsitz des Beklagten (Art. 2 EuGVVO a.F. bzw. - sofern die Streitigkeit gem. Art. 1 Abs. 2a EuGVVO a.F. nicht in den Anwendungsbereich der EuGVVO a.F. fallen sollte - §§ 12, 13 ZPO). Der Beklagte hat seinen Wohnsitz in Deutschland. Die Voraussetzungen von § 15 des Nachlassabkommens sind nicht erfüllt.

     

    • § 15 S. 1 Nachlassabkommen

    Klagen, welche die Feststellung des Erbrechts, Erbschaftsansprüche, Ansprüche aus Vermächtnissen sowie Pflichtteilsansprüche zum Gegenstand haben, sind, soweit es sich um beweglichen Nachlass handelt, bei den Gerichten des Staates anhängig zu machen, dem der Erblasser zurzeit seines Todes angehörte, soweit es sich um unbeweglichen Nachlass handelt, bei den Gerichten des Staates, in dessen Gebiet sich der unbewegliche Nachlass befindet.

     

    Diese Norm regelt enumerativ die Zuständigkeit, wenn Gegenstand des Rechtsstreits ist, das Erbrecht, Erbschaftsansprüche, Ansprüche aus Vermächtnissen oder Pflichtteilsansprüche festzustellen. Hierbei ist auf den Vortrag des Klägers abzustellen. Gemeinsam ist diesen Ansprüchen, dass sie die Frage betreffen, wer (in welchem Umfang) Erbe geworden ist, wie sich aus den neben den Erbschaftsansprüchen genannten Klagen auf Feststellung des Erbrechts, Pflichtteils- und Vermächtnisansprüchen ergibt. Das materielle Erbrecht der Parteien muss Gegenstand des Rechtsstreits sein. Entscheidend dafür, ob das Nachlassabkommen anwendbar ist, ist, auf welche Tatsachengrundlage der Kläger seinen Anspruch stützt und inwieweit der Kläger auf dieser Tatsachengrundlage seine Ansprüche verfolgt. Die rechtliche Qualifikation durch den Kläger ist nicht entscheidend.

     

    Hier kommen nur Erbschaftsansprüche in Betracht, die in § 2018 BGB und in Art. 637 türkisches ZGB geregelt sind. Nach beiden Ansprüchen beruft sich der Gläubiger auf ein ihm zustehendes Erbrecht, dessen Reichweite zwischen den Parteien streitig ist. Nur wenn der Rechtsstreit dazu dient, auch über diesen Streit um Bestand und Ausmaß des Erbrechts zu entscheiden, handelt es sich um einen Erbschaftsanspruch i.S. von § 15 des Nachlassabkommens. Streitigkeiten zwischen Erben, die sich nicht auf ihr Erbrecht als solches beziehen, erfüllen die Voraussetzungen des § 15 des Nachlassabkommens nicht.

     

    Gegenstand dieses Rechtsstreits ist aber kein Erbschaftsanspruch i.S. des § 15 des Nachlassabkommens. Die Parteien streiten darum, in welchem Umfang der Beklagte einen aus dem Verkauf eines Erbschaftsgegenstands vereinnahmten Erlösanteil auskehren muss. Weder die Erbquote noch die Eigenschaft als Erbe steht im Streit. Es ist zu entscheiden, ob und in welcher Höhe der Kläger den ihm zustehenden Anteil am vereinnahmten Geld durchsetzen kann.

     

    Relevanz für die Praxis

    In der Praxis relevant ist auch § 8 des Nachlassabkommens.

     

    • § 8 Nachlassabkommen

    Streitigkeiten infolge von Ansprüchen gegen den Nachlass sind bei den zuständigen Behörden des Landes, in dem dieser sich befindet, anhängig zu machen und von diesen zu entscheiden.

     

    Es genügt für die ausschließliche Zuständigkeit also nicht, wenn lediglich die Rechtsnachfolge von der Erbenstellung abhängt oder erbrechtliche Probleme eine Vorfrage darstellen.

     

    § 14 des Nachlassabkommens führt zur Nachlassspaltung. Er bestimmt, dass sich die erbrechtlichen Verhältnisse des beweglichen Nachlasses nach den Gesetzen des Landes richten, dem der Erblasser zur Zeit seines Todes angehörte. Die erbrechtlichen Verhältnisse des unbeweglichen Vermögens bestimmen sich nach den Gesetzen des Landes, in dem dieser Nachlass liegt, und zwar in der gleichen Weise, als wäre der Erblasser zur Zeit seines Todes Angehöriger dieses Landes gewesen (vgl. BGH FamRZ 12, 1871 = Zerb 12, 334).

    Quelle: Ausgabe 01 / 2016 | Seite 3 | ID 43767565