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  • · Fachbeitrag · Schenkung

    Zuwendung ist auch bei Verbindung mit einem Erbverzicht unentgeltlich

    von RiOLG Dr. Andreas Möller, Hamm

    | Der BGH hat entschieden, unter welchen Voraussetzungen der Verzicht auf das gesetzliche Erb- oder Pflichtteilsrecht als Gegenleistung für eine Zuwendung anzusehen ist. Kennen Sie die Maßstäbe dieses Urteils, können Sie ermitteln, ob der Schenkungscharakter der Zuwendung bestehen bleibt. |

     

    Sachverhalt

    Der Kläger (Vater V) verlangt, ihm mehrere Miteigentumsanteile an einem Grundstück zu übertragen. Er macht geltend, er habe sie der Beklagten, seiner Tochter (T) aus erster Ehe, geschenkt.

     

    Die Parteien schlossen eine notarielle Vereinbarung. Darin verpflichtete sich der V, der T einen Geldbetrag zu schenken. Diesen Betrag durfte die T ausschließlich dazu verwenden, eine bestimmte Eigentumswohnung (Nr. 4) nebst Tiefgaragenstellplatz sowie Miteigentumsanteile an zwei weiteren bestimmten Eigentumswohnungen (Nrn. 6 und 9) auf demselben Grundstück zu erwerben. In den am selben Tag geschlossenen Kaufverträgen über die Wohnungen wurde festgehalten, dass der V der T die Grundstücksanteile schenke. Die Parteien gingen davon aus, dass es sich bei den zugewendeten Geldbeträgen um eine mittelbare Grundstücksschenkung handele.

     

    Neben der Schenkung setzte der V der T in derselben Urkunde ohne Rücksicht auf gegenwärtige oder künftige Pflichtteilsberechtigte ein Vermächtnis über seine Miteigentumsanteile an den Wohnungen Nr. 6 und 9 aus. Für den Fall, dass die T zugleich Erbin werden sollte, sollte das Vermächtnis als Vorausvermächtnis gelten. Die T verzichtete gegenüber dem V auf ihr gesetzliches Erb- und Pflichtteilsrecht sowie auf das Noterbrecht nach türkischem Recht, aufschiebend bedingt dadurch, dass die Schenkung vollzogen und die Vermächtnisse erfüllt sind.

     

    Der V widerrief die Schenkungen wegen groben Undanks, nachdem die T zu ihrem jetzigen Ehemann gezogen war. Die T habe ihm vorgespielt, bedürftig zu sein. Sie habe ihn so veranlasst, sie und seine Enkelin über die Überlassung der Wohnungen hinaus finanziell zu unterstützen. Ferner habe die T ihn daran gehindert, die nach ihrem Auszug leer stehende Wohnung zu vermieten, und den Kontakt zu seiner Enkelin unterbunden.

     

    Das LG hat die Klage abgewiesen. Die Berufung des V war erfolglos. Die Revision führt dazu, dass der Beschluss aufgehoben und die Sache an das OLG zurückverwiesen wird. Der BGH hat seine Rechtsansicht in den Leitsätzen wie folgt zusammengefasst:

     

    • a) Auch bei einer mit einem Erbverzicht verbundenen Zuwendung ist für deren Qualifikation als Schenkung maßgeblich, ob sich die Vertragsparteien über die Unentgeltlichkeit der Zuwendung einig sind.
    • b) Ob eine unentgeltliche Zuwendung gewollt war, ist unter Würdigung aller Umstände des Einzelfalls zu entscheiden. Maßgebliche Bedeutung kann hierbei neben dem Wortlaut des Vertrags über die Zuwendung und den Erbverzicht den Umständen seines Zustandekommens und seiner Ausgestaltung im Einzelnen zukommen.
    • c) Der Verzicht auf das Erb- und Pflichtteilsrecht nimmt der Zuwendung jedenfalls insoweit nicht den Charakter der Unentgeltlichkeit, als er nach dem Willen der Vertragsparteien der Ausgleichung der lebzeitigen Zuwendung bei der Erbfolge dienen soll. Ein solcher Wille ist mangels gegenläufiger Anhaltspunkte regelmäßig anzunehmen, wenn die Höhe der Zuwendung in etwa der Erberwartung entspricht oder diese gar übersteigt.

    (Abruf-Nr. 182381)

     

    Entscheidungsgründe

    Entgegen der Ansicht des OLG führt nicht allein der Erbverzicht dazu, dass ein entgeltlicher Vertrag vorliegt. Ob eine Zuwendung eine Schenkung ist, hängt davon ab, ob sich die Vertragsparteien darüber einig sind, dass sie unentgeltlich erfolgt (§ 516 Abs. 1 BGB). Hierfür sind weder die Wertungen des Anfechtungsrechts (vgl. BGHZ 113, 393 = FamRZ 91, 695) noch des Pflichtteilsrechts (vgl. BGH NJW 09, 1143 = ZEV 09, 77 = FamRZ 09, 418) maßgeblich.

     

    Auch ein Schenker, der bestimmt, dass die Schenkung an einen Abkömmling nach § 2050 Abs. 3 BGB auszugleichen oder auf den Pflichtteil anzurechnen ist (§ 2315 Abs. 1 BGB), kann im Fall der Not gem. § 528 Abs. 1 BGB oder bei einem groben Undank des Beschenkten gem. § 530 Abs. 1 BGB die Schenkung widerrufen. Dadurch, dass der Schenker die Ausgleichungs- oder Anrechnungspflicht anordnet, wird der Vertrag nicht entgeltlich. Vielmehr drückt er damit nur aus, dass er seine lebzeitigen und letztwilligen, gleichermaßen „unentgeltlichen“ Vermögenszuwendungen in ein Gleichgewicht bringen möchte.

     

    Soll die Ausgleichung dadurch erfolgen, dass der beschenkte Abkömmling auf sein Erb- und Pflichtteilsrecht verzichtet, gilt das Gleiche (Staudinger/Schotten, BGB, 2010, § 2346 Rn. 131 m. w. N.). Verliert der Zuwendende später sein verbliebenes Vermögen und gerät hierdurch in wirtschaftliche Not, wäre es nicht zu rechtfertigen, ihm den Anspruch aus § 528 BGB gegen den Beschenkten zu versagen. Damit wären auch nach § 93 Abs. 1 SGB XII übergeleitete Ansprüche des Sozialhilfeträgers ausgeschlossen, weil der Beschenkte auf sein - in diesem Fall wertloses - Erb- und Pflichtteilsrecht verzichtet hat. Damit würde das Gegenteil des erstrebten Ausgleichs bewirkt. Der zu Lebzeiten des Erblassers Beschenkte wäre dauerhaft besser gestellt als der Erb- oder Pflichtteilsberechtigte.

     

    Gleiches gilt für die Rückforderung gem. § 530 BGB. Wenn diese ausgeschlossen würde, würde ebenfalls das Gegenteil des erstrebten Ausgleichs gegenüber einem Abkömmling erreicht, den der Erblasser von der Erbfolge ausschließen und dem er unter den Voraussetzungen des § 2333 BGB sogar den Pflichtteil entziehen kann. Auch wenn die Voraussetzungen dafür, den Pflichtteil zu entziehen, strenger sind als die Voraussetzungen dafür, eine Schenkung wegen groben Undanks zu widerrufen, werden jedenfalls in den Fällen des § 2333 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 BGB regelmäßig auch die Voraussetzungen des groben Undanks gem. § 530 Abs. 1 BGB erfüllt sein. Wenn die Zuwendung wegen des Pflichtteilsverzichts als entgeltlich qualifiziert würde, würden solche Verfehlungen nicht sanktioniert.

     

    Der Verzicht auf das Erb- oder Pflichtteilsrecht nimmt deshalb der Zuwendung insoweit nicht den Charakter der Unentgeltlichkeit, als er nach dem Willen der Vertragsparteien dazu dienen soll, lebzeitige Zuwendungen bei der Erbfolge auszugleichen. Ein solcher Wille ist bei Fehlen gegenläufiger Anhaltspunkte regelmäßig anzunehmen, wenn die Höhe der Zuwendung in etwa dem entspricht, was als Erbe erwartet wird oder dies gar übersteigt. Demgegenüber kann es gegen eine Schenkung sprechen, wenn die Zuwendung wertmäßig deutlich hinter dem zurückbleibt, was als Erbe erwartet wird. Für den maßgeblichen Willen der Vertragsparteien können neben dem Wortlaut des Vertrags über die Zuwendung und des Erbverzichts insbesondere auch die Umstände bedeutsam sein, wie er zustande gekommen und im Einzelnen ausgestaltet ist.

     

    Das Berufungsgericht muss den Willen der Parteien ermitteln. Dafür, dass der Vertrag unentgeltlich ist, spricht Folgendes:

     

    • Die Parteien haben die Zuwendung als Schenkung bezeichnet.
    • Der Vertrag regelt zunächst die Schenkung, dann ein Vermächtnis, also eine Verfügung von Todes wegen und schließlich den Erbverzicht.
    • Der Zweck der Zuwendung - Erwerb bestimmter Immobilien - spricht dagegen, dass der V einen Erbverzicht wollte. Naheliegender ist, dass er die T in ihrer schwierigen finanziellen Lage unterstützen wollte.
    • Wenn der Erbverzicht Hauptleistung sein sollte, hätte es nahe gelegen, keine Auflage für die Zuwendung zu machen.
    • Nach dem Vertrag war eine Erbeinsetzung möglich.

     

    Nach dem Vertrag liegt damit näher, dass die Parteien die Zuwendungen des V als Hauptgegenstand angesehen und den Erbverzicht lediglich als eine besondere Form gewählt haben, diese auf das Erbrecht der T anzurechnen. Gelangt das Berufungsgericht zu dem Ergebnis, dass die Zuwendungen des V an die T als Schenkungen zu qualifizieren sind, ist festzustellen, ob die Voraussetzungen dafür vorliegen, diese wegen groben Undanks zu widerrufen.

     

    Relevanz für die Praxis

    Der BGH hat mit dieser Entscheidung eine wichtige Frage entschieden (zum Streitstand Staudinger/Schotten, BGB, Neubearb. 2010, § 2346 Rn. 124).

     

    Er gibt einen Maßstab an die Hand, wie zu klären ist, ob der Vertrag unentgeltlich ist oder nicht: Maßgeblich ist, ob der Verzicht nach dem Willen der Vertragsparteien dazu dienen soll, lebzeitige Zuwendung bei der Erbfolge auszugleichen. Ein solcher Wille ist regelmäßig anzunehmen, wenn die Höhe der Zuwendung in etwa dem entspricht, was als Erbe erwartet wird oder dies sogar übersteigt.

    Quelle: Ausgabe 02 / 2016 | Seite 20 | ID 43822150