· Fachbeitrag · Sozialrecht
Ermittlung des Sterbegeldberechtigten
von RAin Dr. Gudrun Möller, FAin Familienrecht, Münster
| Wer die Musik bestellt, muss sie bezahlen. Ob er aber auch seine Aufwendungen ersetzt bekommt, z. B. in Form von Sterbegeld für die Bestattungskosten, steht auf einem anderen Blatt, so auch im Fall des LSG Hessen. |
Sachverhalt
Die Klägerin war die nicht eheliche Lebensgefährtin (LG) des Versicherten (V). Der Beigeladene (B) ist dessen Vater. V starb infolge einer von der Beklagten anerkannten Berufskrankheit. Alleinerbin des V wurde die LG. Nach dem Tod des V beauftragte B Unternehmen mit der Bestattung etc. Auf die an den B adressierten Rechnungen veranlasste er Überweisungen vom Girokonto des V, ohne verfügungsbefugt zu sein. Auf den Antrag des B bewilligte die Beklagte (Unfallversicherungsträgerin, UVT) ihm mit Bescheid Sterbegeld und zahlte es an ihn aus. Später erteilte das Nachlassgericht der LG einen Alleinerbschein. Die LG beantragte bei der UVT erfolglos Leistungen anlässlich des Todes des V. Auf den Widerspruch der LG bewilligte die UVT ihr einen Verletztengeldbetrag und wies den Widerspruch hinsichtlich des Sterbegeldes zurück. Die Klage der LG dagegen war erfolgreich, während die Berufung der UVT erfolglos blieb.
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Entscheidungsgründe
Anspruchsgrundlage ist § 63 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 i. V. m. § 64 Abs. 4 SGB VII. Nach § 63 Abs. 1 SGB VII haben Hinterbliebene Anspruch auf Sterbegeld (S. 1 Nr. 1), wenn der Tod infolge eines Versicherungsfalls eingetreten ist, S. 2. Diese Voraussetzungen sind erfüllt. Denn der V ist infolge einer von der UVT anerkannten Berufskrankheit verstorben.
Hinterbliebener muss die Beerdigungskosten getragen haben
Wer Hinterbliebener ist, wird durch die Bestimmungen für die einzelnen Ansprüche nach §§ 64 ff. SGB VII geregelt, ist also in Zusammenschau mit der jeweiligen Leistungsart zu beurteilen (LSG NRW 8.2.01, L 2 KN 168/00 U, juris).
Nach § 64 Abs. 4 SGB VII werden die Bestattungskosten bis zur Höhe des Sterbegeldes nach Abs. 1 an denjenigen gezahlt, der diese Kosten trägt, wenn kein Anspruchsberechtigter nach Abs. 1 vorhanden ist. Abs. 4 erstreckt den Anspruch auf Dritte, d. h. Personen beliebiger Art, egal ob sie die Kosten tragen müssen, wie z. B. nach § 1968 BGB die Erben, oder nicht, wie z. B. Lebensgefährte, Bekannte, Freunde, Arbeitgeber (Ricke, in: Kasseler Kommentar zum Sozialversicherungsrecht, § 64 SGB VII Rn. 13, Stand: 06/15).
Nach § 64 Abs. 1 SGB VII erhalten Witwen, Witwer, Kinder, Stiefkinder, Pflegekinder, Enkel, Geschwister, frühere Ehegatten und Verwandte der aufsteigenden Linie der Versicherten Sterbegeld in Höhe eines Siebtels der im Zeitpunkt des Todes geltenden Bezugsgröße. Der B ist zwar Verwandter der aufsteigenden Linie. Es müssen aber auch die Voraussetzungen des § 64 Abs. 3 SGB VII erfüllt sein. Mithin ist ein Anspruchsberechtigter nach § 64 Abs. 1 SGB VII nicht vorhanden, wenn entweder keiner der dort aufgezählten Hinterbliebenen existiert oder ein solcher keine Kosten getragen hat (ganz h. M., z. B. OLG Saarbrücken NJW-RR 14, 810; a. A. wohl nur Schmitt, SGB VII, 4. Aufl. § 64 Rn. 14). Nach § 64 Abs. 3 SGB VII wird das Sterbegeld an denjenigen Berechtigten gezahlt, der die Bestattungskosten trägt. Weder der B noch ein sonstiger Hinterbliebener i. S. d. § 64 Abs. 1 SGB VII hat jedoch die Bestattungskosten getragen.
Nach § 1968 BGB trägt der Erbe die Kosten der Beerdigung. Alleinerbin ist hier die LG. Sie hat auch die Kosten getragen. Denn die Zahlungen wurden vom Konto des V angewiesen. Das Guthaben auf diesem Konto ist der LG als Alleinerbin zugefallen, § 1922 Abs. 1 BGB (Gesamtrechtsnachfolge). Dadurch tritt der Erbe auch in das Rechtsverhältnis zur Bank ein; das beim Erbfall vorhandene Guthaben steht ihm zu (Palandt/Weidlich, BGB, 78. Aufl., § 1922 Rn. 30).
Allein eine schuldrechtliche Pflicht zur Kostentragung reicht nicht aus
B hat die Bestattungskosten nicht getragen, auch wenn die Rechnungen an ihn adressiert waren und er die Aufträge erteilt hat. Die bloße Begründung einer schuldrechtlichen Verpflichtung, die Beerdigungskosten zu tragen, stellt keine Kostentragung i. S. d. § 63 Abs. 3 SGB VII dar (abweichend Ricke, in: Kasseler Kommentar zum Sozialversicherungsrecht, § 64 SGB VII Rn. 11, Stand: 09/18). Dafür spricht neben dem Wortlaut auch der Sinn und Zweck der Norm. Anders als die in den §§ 65 ff. SGB VII aufgeführten Leistungen hat das Sterbegeld keine Unterhalts-, sondern eine Aufwendungsersatzfunktion. Es soll mithin demjenigen, der Kosten für die Beerdigung eines verstorbenen Versicherten getragen hat, (pauschaliert) die Aufwendungen ersetzen (LSG NRW 8.2.01, L 2 KN 168/00 U, juris, Rn. 18). Auch die pauschale Bewilligung von Sterbegeld nach § 64 Abs. 1 SGB VII will den finanziellen Aufwand einer Beerdigung ausgleichen.
Der Betrag von 1/7 der Bezugsgröße nach § 18 SGB IV entspricht den in etwa üblichen Ausgaben für eine Bestattung (Keller, in: Hauck/Noftz, SGB VII, § 64 Rn. 9, Stand: 01/04). Zudem könnte sich bei einem anderen Verständnis jeder der Hinterbliebenen i. S. d. § 63 Abs. 1 SGB VII einen Anspruch auf Sterbegeld verschaffen, indem er auf eigene Rechnung einen Bestatter beauftragt. Es bestünde die Gefahr eines „Wettlaufs“ um das Sterbegeld in den Fällen, in denen das pauschalierte Sterbegeld die Bestattungskosten übersteigt.
Unerheblich ist, ob die UVT im Zeitpunkt der Zahlung an den B die erbrechtliche Situation gekannt hat. Entscheidend ist allein, dass die LG mit dem Tod des V Alleinerbin geworden ist. Bei Unklarheiten muss der Unfallversicherungsträger Leistungen unter Vorbehalt bewilligen. Eine Pflicht des Unfallversicherungsträgers, zeitnah über das Sterbegeld zu entscheiden und deswegen nur darauf abzustellen, wer der Rechnungsadressat sei, kann die Anspruchsvoraussetzungen nicht modifizieren. Maßgeblicher Zeitpunkt für deren Beurteilung ist derjenige der letzten mündlichen Verhandlung oder ‒ bei einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung ‒ derjenige der gerichtlichen Entscheidung. Spätestens als der Erbschein erteilt wurde und damit noch vor der Ausgangsentscheidung war klar, dass die LG Alleinerbin geworden ist.
Der Anspruch der LG auf Sterbegeld wurde auch nicht dadurch erfüllt, dass die UVT an den B gezahlt hat. Denn die UVT hat an einen Nichtberechtigten geleistet.
Relevanz für die Praxis
Das LSG hat Folgendes entschieden und folgt damit der Vorinstanz: Das Sterbegeld hat eine Aufwendungsersatzfunktion. Daher ist der Träger der Beerdigungskosten i. S. d. § 64 Abs. 3 und 4 SGB VII derjenige, dessen Vermögen durch die Übernahme der Kosten gemindert wird. Andere Personen als Hinterbliebene sind nach § 64 Abs. 4 SGB VII auch anspruchsberechtigt, wenn Hinterbliebene i. S. d. § 64 Abs. 1 SGB VII vorhanden sind, ohne dass diese Bestattungs- und Überführungskosten getragen haben.
Der Begriff des Hinterbliebenen in § 589 Abs. 1 Reichsversicherungsordnung (RVO) hat eine andere Bedeutung. Nach § 589 Abs. 1 RVO werden in den Nrn. 1 und 2 abschließend die Ansprüche auf Sterbegeld und Überführungskosten geregelt, ohne den Begriff des Hinterbliebenen zu benutzen. Dieser wird erst in § 589 Abs. 1 Nr. 3 RVO verwandt, wonach vom Todestag an den Hinterbliebenen eine Rente nach den §§ 590 bis 599 zu gewähren ist. Der so mit einer Rentenberechtigung verknüpfte Begriff des Hinterbliebenen lässt sich nicht auf § 63 SGB VII übertragen (LSG NRW 8.2.01, L 2 KN 168/00 U, juris).
Sterbegeld kann auch beansprucht werden, wenn keine Bestattung stattfindet, insbesondere wenn die Leiche nicht gefunden werden kann. Denn das Sterbegeld deckt als Pauschale auch Kosten z. B. für Todesanzeigen und Trauergottesdienste ab, die auch in diesem Fall entstehen (vgl. Ricke, in: Kasseler Kommentar zum Sozialversicherungsrecht, a.a.O., § 64 SGB VII Rn. 10). Solche Aufwendungen genügen für die Begründung des Anspruchs auf Sterbegeld, sind aber auch erforderlich (Mertens, in: Eichenhofer/Wenner, SGB VII, 2010, § 64 Rn. 15).
Das LSG hat die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Sache zugelassen, § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG.