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  • · Fachbeitrag · Verjährung

    Pflichtteilsstufenklage und Verfahrensstagnation

    von RA Ernst Sarres, FA Erbrecht und Familienrecht, Düsseldorf

    | Die zur Hemmung der Verjährung von Zahlungsansprüchen grundsätzlich taugliche Stufenklage versagt, wenn der Prozess ohne triftigen Grund zum Stillstand kommt. Dies zeigt ein aktueller Fall. |

    1. Vorteile einer Stufenklage

    Bei der Stufenklage (§ 254 ZPO) stellt der Kläger zwar mehrere Klageanträge. Über diese Anträge wird aber nicht gleichzeitig, sondern stufenweise entschieden. Der Vorteil besteht darin, dass sämtliche Anträge sofort rechtshängig werden. Damit ist z.B. die Verjährung eines Zahlungsanspruchs, dessen genaue Höhe noch nicht beziffert werden kann, gehemmt, § 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB.

    2. Gefahr der Verjährung

    Die Hemmung der Verjährung des Zahlungsanspruchs kann aber entfallen:

     

    Aus der Ehe des Beklagten (B) mit Erblasserin (E) gingen zwei Töchter hervor, die Klägerin (K) und ihre Schwester. B und E errichteten ein gemeinschaftliches Testament, wonach für den Fall des Vorversterbens der E der B befreiter Vorerbe werden und mit seinem Tod die Töchter Nacherben sein sollten. E verstarb. Vor ihrem Tod hatte E ein Grundstück an eine Tochter veräußert und den Kaufpreis dem B. überwiesen. K behauptet, die Überweisung des Geldbetrags von E sei als Schenkung zu qualifizieren. Nach Erhebung der Stufenklage wurde B mit Teil-Versäumnisurteil verurteilt, Auskunft über den Bestand des Nachlasses der E zu erteilen, und zwar durch Vorlage eines durch einen Notar aufgenommenen Verzeichnisses. Der Verfahrensverlauf gestaltete sich im Überblick wie folgt:

     

    25.11.08

    Kenntnis der K von Erbschaft, Grundstücksverkauf, Zahlung Kaufpreis

    14.04.10

    PKH-Gesuch

    3.8.10

    Teil-Versäumnisurteil

    6.9.10

    Antrag der Klägerin : Vollstreckbare Urteilsausfertigung und Zustellungsvermerk

    6.9.10

    Anzeige des Notar N, mit der Erstellung des Nachlassverzeichnisses beauftragt zu sein

    11.10.11

    Antrag von N auf Akteneinsicht in Betreuungsakten

    22.11.11

    Antrag von N auf Akteneinsicht in Betreuungsakten

    4.4.13

    Vorlage des Nachlassverzeichnisses / Erfüllung des Auskunftsanspruchs

    3.6.13

    Klageantrag von K mit Bezifferung des Pflichtteilsergänzungsanspruchs

    K verlangt Zahlung. B wendet Verjährung ein. Das mit großer Zeitverzögerung erstellte notarielle Nachlassverzeichnis soll hier verjährungsrechtlich keine Rolle spielen. Das LG hat den in zweiter Stufe erhobenen Pflichtteils- bzw. Pflichtteilsergänzungsanspruchs der K wegen Verjährung abgewiesen.

     

    a) Verjährungsbeginn

    Nach § 2332 Abs. 1 BGB a.F. verjährt der Pflichtteilsanspruch in drei Jahren von dem Zeitpunkt an, in dem der Pflichtteilsberechtigte vom Eintritt des Erbfalls und von der ihn beeinträchtigenden Verfügung Kenntnis erlangt, - ohne Rücksicht auf diese Kenntnis in dreißig Jahren von dem Eintritt des Erbfalls an. Unstreitig hatte die K spätestens am 25.11.08 Kenntnis vom Tod ihrer Mutter, der E, sowie der Veräußerung des Grundstücks und der Überweisung des Kaufpreises an den B. Damit ist die dreijährige Verjährungsfrist nach § 2332 Abs. 1 BGB a. F. in Lauf gesetzt worden. Durch das PKH-Gesuch der K vom 14.4.10 wurde die Verjährung nach § 204 Abs. 1 Nr. 14 BGB gehemmt. Bis zu diesem Zeitpunkt waren 16 Monate und 20 Tage verstrichen.

     

    Nach § 204 Abs. 2 S. 1, 2 BGB endet die Hemmung sechs Monate nach der letzten Verfahrenshandlung, wenn das Verfahren in Stillstand geraten ist. Stillstand durch Nichtbetreiben liegt vor, wenn die Parteien die zur Förderung des Verfahrens notwendigen Handlungen nicht vornehmen und das Verfahren dadurch faktisch in Stillstand gerät, z.B. der Anspruch nach Erledigung der ersten Stufe nicht weiter verfolgt wird.

     

    Nachdem das Teil-Versäumnisurteil vom 3.8.10 der K über ihren Bevollmächtigten am 9.8.10 zugestellt worden war und sie mit weiterem Schriftsatz vom 6.9.10 die Erteilung einer vollstreckbaren Ausfertigung des Urteils beantragt hatte, vergingen bis zum 9.2.11 zunächst 6 Monate, innerhalb derer die Parteien keine Schriftsätze einreichten. Erst nach Ablauf von fast 28 weiteren Monaten ging am 3.6.13 der Schriftsatz der K vom 30.5.13 beim Gericht ein, mit dem der Zahlungsanspruch auf der zweiten Stufe angekündigt worden ist. Zu diesem Zeitpunkt war die zwischenzeitlich durch das PKH-Gesuch vom 14.4.10 gehemmte Verjährungsfrist von drei Jahren abgelaufen.

     

    MERKE | Nach neuem Recht (Änderung des Erb-und Verjährungsrechts zum 1.10.10) würde hier die dreijährige Verjährungsfrist gem. §§ 195,199 BGB zum Jahresschluss von 2008 zu laufen beginnen. Entsprechend den Berechnungen des LG würden bis zum verjährungshemmenden PKH-Gesuch am 14.4.10 rund 15 Monate und nach der unstreitigen Stagnation des Verfahrens weitere 28 Monate, insgesamt rund 43 Monate verstrichen sein (15 + 28= 43 Monate). Bei der dreijährigen Verjährungsfrist gem. § 195 BGB wäre der Anspruch der K auch nach neuem Recht verjährt.

     

    b) Keine Zwangsvollstreckung durch K

    Dem Eintritt der Verjährung steht nicht entgegen, dass der Auskunftsanspruch der K gegenüber dem B erst mit Vorlage des notariellen Nachlassverzeichnisses am 4.4.13 erfüllt worden ist. Dies deshalb, weil der BGH in dem Urteil (BGH NJW-RR 06, 948)entschieden hat, dass der im Wege einer Stufenklage geltend gemachte Leistungsanspruch nur solange nicht verjährt, wie die Vollstreckung aus dem Titel über einen Hilfsanspruch betrieben wird oder über eine Vollstreckungsabwehrklage nach § 767 ZPO noch nicht abschließend entschieden worden ist. Die K hat hier aber gerade nicht die Zwangsvollstreckung betrieben. Sie hat es vielmehr dem B überlassen, das erforderte Nachlassverzeichnis erstellen zu lassen und ihr zu übermitteln.

     

    c) Akteneinsichtsgesuche

    Die mit Schriftsätzen vom 11.10. und 22.11.11 durch den vom B beauftragten Notar erhobenen Einsichtsgesuche in die Betreuungsakten sind nicht als ein Weiterbetreiben des Verfahrens i.S. von § 204 Abs. 2 S. 3 BGB zu werten, das eine weitere Hemmung auslösen könnte. Denn ersichtlich betrafen diese Schriftsätze nur den Auskunftsanspruch. Das Verfahren betreffend den Auskunftsanspruch war aber durch das Teil-Versäumnisurteil vom 3.8.10 abgeschlossen.

     

    Der B hat die K weder in treuwidriger Weise „vertröstet“ noch sie auf andere Weise davon abgehalten, weitere Maßnahmen gegen ihn zu ergreifen und z.B. die Zwangsvollstreckung zu betreiben. Ein treuwidriges Verhalten des B liegt nicht darin, dass er selbst sich nach der Beauftragung des Notars nicht weiter darum bemüht hat, das Nachlassverzeichnis zeitnah zu erstellen und der K zu übersenden.

     

    PRAXISHINWEIS | Der vorliegende Sachverhalt zeigt die Grenzen der Stufenklage auf, mit deren Erhebung oft die Annahme verbunden wird, die geltend gemachten Ansprüche seien abgesichert. Der Kläger ist gehalten, immer wieder Verfahrenshandlungen vorzunehmen, wenn die Stagnation des Verfahrens nach §  204 Abs. 2 BGB droht.

     

    Der Fall macht auch deutlich, dass die Beauftragung und Erstellung eines notariellen Nachlassverzeichnisses mit der Frage der Verjährung von Leistungsansprüchen nach dieser Entscheidung nichts zu tun hat.

     

    Weiterführende Hinweise

    • OLG Koblenz ZEV 2014, 308, zur Erstellung des Nachlassverzeichnisses durch einen Notar
    • EE 12, 178, zur Verjährung von Pflichtteils-und Pflichtteilsergänzungsansprüchen
    Quelle: Ausgabe 12 / 2014 | Seite 214 | ID 42761605