· Fachbeitrag · Der Mandant fragt, der Erbrechtsanwalt berät
Was ist an Vorsorge bei Schenkung möglich, falls die Erbschaftsteuer verfassungswidrig ist?
von RA Holger Siebert, FA Steuerrecht und Erbrecht, Alsfeld
| Die Diskussion um den umfänglichen Bestand, den Sinn und den Zweck des ErbStG ist neu entfacht: Der BFH hat dem BVerfG die Frage vorgelegt, ob § 19 Abs. 1 ErbStG in der im Jahr 2009 geltenden Fassung in Verbindung mit §§ 13a und 13b ErbStG wegen Verstoßes gegen den allgemeinen Gleichheitssatz verfassungswidrig ist. Für Betroffene stellt sich die Frage, welches Recht aktuell gilt und inwieweit eintretende steuerliche Verbesserungen oder Verschlechterungen in ihrem aktuellen Fall berücksichtigt werden. |
Frage des Mandanten: Ich möchte meinem Sohn in diesem Jahr Vermögen schenken und sicherstellen, dass keine Nachversteuerung bei einer Änderung des Erbschaftsteuerrechts erfolgt. Darüber hinaus möchte ich wissen, ob bei einer Verbesserung der erbschaftsteuerlichen Situation das neue Recht für die in diesem Jahr vorgenommene Schenkung angewendet werden kann.
Antwort des Erbrechtsanwalts: Möchte der Schenker einen Steuerbescheid ohne Vorläufigkeitsvermerk gemäß § 165 AO der Finanzverwaltung offenhalten, müsste er gegen den Bescheid Einspruch einlegen. Ein belastender bestandskräftiger Steuerbescheid könnte verfahrensrechtlich nicht mehr korrigiert werden. Selbst § 176 AO wäre nicht einschlägig. Jedoch stellt sich das Problem nach jüngsten Entwicklungen nicht mehr: Nach gleichlautenden Erlassen der obersten Finanzbehörden der Länder vom 14.11.12 werden nun sämtliche Festsetzungen nach dem 31.12.08 entstandener Erbschaft- und Schenkungsteuer nur noch gemäß § 165 Abs. 1 S. 2 Nr. 3 AO vorläufig durchgeführt (http://www.iww.de/sl206).
Wenn allerdings das BVerfG wie bereits in seiner Entscheidung vom 7.11.06 (ZEV 07, 76) mit Rücksicht auf den Staatshaushalt den als verfassungswidrig festgestellten Rechtszustand bis zu einer befristet vorgegebenen Reform aufrecht erhält, hilft insoweit die Vorläufigkeit nicht weiter. Für einen solchen Fall ist es ratsam, ein Widerrufsrecht in den Übergabevertrag aufzunehmen, sodass die Steuer gemäß § 29 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG rückwirkend erlischt. Als Widerrufsgrund sollte vereinbart werden, die Schenkung widerrufen zu dürfen, wenn das ErbStG vom BVerfG für verfassungswidrig erklärt wird und das neue ErbStG den Vorgang günstiger besteuert als das derzeit geltende ErbStG (vgl. insoweit die umfassende Darstellung bei Felten, ZEV 12, 402).
Nach § 176 Abs. 1 Nr. 1 AO darf bei einer Aufhebung und Änderung eines Steuerbescheids nicht zuungunsten des Steuerpflichtigen berücksichtigt werden, dass das BVerfG die Nichtigkeit eines Gesetzes feststellt, auf dem die bisherige Steuerfestsetzung beruht. Im Umkehrschluss ergibt sich jedoch aus § 176 AO auch, dass eine Änderung nicht zugunsten des Steuerpflichtigen berücksichtigt werden kann.